Inschriftenkatalog: Stadt Hildesheim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 58: Stadt Hildesheim (2003)

Nr. 622† Dom 1614

Beschreibung

Zwei als Gegenstücke gearbeitete Gobelins, die auf beiden Seiten vor dem Dorsale des Chorgestühls angebracht waren. Sie sind im Zweiten Weltkrieg verbrannt. Der Gobelin des nördlichen Chorgestühls ist photographisch überliefert, außerdem liegt eine Beschreibung von Kratz aus dem Jahr 1856 vor.1) Der Gobelin des südlichen Chorgestühls ist nur in der Beschreibung von Kratz überliefert. An den Enden beider Gobelins waren jeweils rechts und links einmal die väterliche und einmal die mütterliche Ahnenprobe des Stifters angebracht. Auf der linken Seite des nördlichen Gobelins das von einem Engel gehaltene Wappen des Stifters, darunter in einem gerahmten Feld die Stifterinschrift A. Um das zentrale Stifterwappen gruppierten sich die vier Wappen der väterlichen Ahnenprobe. Das Wappen heraldisch rechts oben mit der Beischrift B ist auf dem Photo nicht mehr zu erkennen, heraldisch links oben Wappen mit Beischrift C, die beiden unteren Wappen mit den Beischriften D und E. Auf der rechten Seite die Ahnenprobe mütterlicherseits, im Zentrum das Wappen mit der Beischrift F, darüber heraldisch rechts und links die Wappen mit den Beischriften G und H, darunter die Wappen mit den Beischriften I und K. Auf dem Photo sind nur die beiden unteren Wappen zu erkennen.

Der nördliche Gobelin zeigte zwischen den beiden Ahnenproben von links nach rechts jeweils inschriftlich bezeichnet (L): Godehard mit Kirchenmodell, Paulus und Petrus. Zwischen den beiden ein Schriftband mit Inschrift M. Es folgte das zentrale Bild mit Christus und Maria. Vor diesen beiden Figuren am unteren Rand des Gobelins zwei kleine Medaillons mit Brustbildern Karls des Großen und Ludwigs des Frommen. Unter den Medaillons die Inschriften N. In der rechten Hälfte des Textils neben Maria die Darstellung Johannes des Evangelisten und der Cäcilia mit den Beischriften O. Links oberhalb der Figur des Johannes ein Schriftband mit der Inschrift P, von der auf dem Photo nur noch der Anfang erkennbar ist.

Der Gobelin des südlichen Chorgestühls zeigte zwischen den beiden Ahnenproben jeweils von links nach rechts Speciosa, Cosmas und Damian mit den Beischriften Q, im Zentrum – ebenfalls unbezeichnet – Maria und Christus, davor in zwei Medaillons Brustbilder Karls des Großen und Ludwigs des Frommen mit den Beischriften R unter den Medaillons. In der rechten Hälfte des Gobelins Johannes der Täufer, Tiburtius und Valerianus sowie Bernward mit den Beischriften S.

Inschriften A, C–F, I–P nach Photo Roemer-Museum H 8169. B, G, H und Q–S nach DBHi, HS C 1527.

Maße: H.: 123 cm; B.: 690 cm.2)

Schriftart(en): Kapitalis.

  1. A

    LVDOLPHVS A FALCKEN/BERG SCHOLAST(ICVS) SPIREN(SIS) / ET CANON(ICVS) HILDESIEN(SIS)

  2. B

    FALCKENBERG

  3. C

    AMELVNXENa)

  4. D

    HANSTEYNb)

  5. E

    SPIGEL ·

  6. F

    KRAM, 1614 ·

  7. G

    KRAM

  8. H

    BEVMELBERG

  9. I

    STEINBERG

  10. K

    SCHEVRENSLOS ·

  11. L

    S(ANCTVS) GODEHARD(VS)c) // S(ANCTVS) PAVLVS. // S(ANCTVS) PETRVS

  12. M

    [GL]ORIA [.]OM

  13. N

    CAROLVS MAGNVS PRIMVS FVNDAd) // LVDOVICVS PIVS SECVNDVS FVNDAd)

  14. O

    S(ANCTVS) IOANNES EVAN(GELISTA) // S(ANCTA) CECILIA ·

  15. P

    SANCTIS[ - - - ]

  16. Q

    S(ANCTA) SPECIOSA // S(ANCTVS) COSMAS, ET, DAMIANVS

  17. R

    CAROLVS MAGNVS PRIMVS FVNDATd) // LVDOWICVS PIVS / SECVNDVS FVNDATOR

  18. S

    S(ANCTVS) IOANNES BAPT(ISTA) // S(ANCTI) TIBVRTIVS, ET, VALERIANVS // S(ANCTVS) BERNWARDVS

Übersetzung:

Ludolf von Falkenberg, Speyerer Scholaster und Hildesheimer Kanoniker. (A)

Ehre [...]. (M)

Karl der Große, der erste Gründer. Ludwig der Fromme, der zweite Gründer. (N, R)

Wappen:
Falkenberg3);
Falkenberg3)Amelunxen5)
Hanstein4)Spiegel*
Cramm*;
Cramm*Boineburg6)
Steinberg*Scheurenschloß*

Kommentar

Zu Ludolf von Falkenberg vgl. den Kommentar zu seiner Grabschrift Nr. 656.

Die Darstellungen auf den beiden Gobelins erinnern an die Stifter des Doms und an einige der wichtigsten Dompatrone. Karl der Große wird in den Inschriften M und Q als erster Gründer des Bistums Hildesheim bezeichnet, weil er – wenn auch in Elze – die Gründung eines ostfälischen Bistums geplant hatte, das aber erst unter seinem Nachfolger Ludwig dem Frommen im Jahr 815 und mit Sitz in Hildesheim konstituiert wurde.7) Beide Kaiser halten auch auf dem Titelkupfer der von Johann Ludwig Brandes nach 1724 gedruckten Kupferstichfolge ‚Gloriosa antiquitas Hildesina’ gemeinsam ein Modell des Hildesheimer Doms.8)

Textkritischer Apparat

  1. AMELVNXEN] Der erste und die drei letzten Buchstaben nach HS C 1527.
  2. HANSTEYN] Der letzte Buchstabe nach HS C 1527.
  3. GODEHARD(VS)] Die Lesung ist am Schluß zweifelhaft.
  4. Jeweils zu FVNDATOR zu ergänzen.

Anmerkungen

  1. Beschreibung und Bestimmung der Schriftart nach Photo Roemer-Museum H 8169; Kratz in DBHi, HS C 1527.
  2. Maße nach Bertram, Bischöfe, S. 172.
  3. Wappen Falkenberg (zwei auswärts gekehrte senkrechte Schlüssel). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 3, Abt. 2, Tafel 170.
  4. Wappen Hanstein (drei Mondsicheln 2:1). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 2, Abt. 9, S. 8 u. Tafel 9.
  5. Wappen Amelunxen (zwei mit je vier Eisenhüten belegte Pfähle). Vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 4 u. Tafel 6; vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 2, Abt. 9, S. 2, Tafel 2.
  6. Wappen Boineburg (geviert). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 2, Abt. 1, S. 28 u. Tafel 24.
  7. Vgl. Hans-Georg Aschoff: Das Bistum Hildesheim von seiner Gründung bis zur Säkularisation – Ein Überblick. In: Kat. Ego sum, S. 11–24, hier S. 11.
  8. Vgl. Abb. in Kat. Ego sum, S. 399. Auch die Silberreliefs vom Hochaltar zeigen beide Kaiser als Gründer, ebd., S. 406f.; ebenso der Hochstiftskalender für das Jahr 1672, vgl. ebd., S. 410.

Nachweise

  1. Photo Roemer-Museum H 8169.
  2. Photo NLD, Photoarchiv, Neg. Nr. R 92-306/2.
  3. DBHi, HS C 1527, o. S.
  4. Kd. Hildesheim, Kirchen, S. 65 (A, F).
  5. Kat. Ego sum, Abb. S. 184.
  6. Slg. Rieckenberg, S. 999.

Zitierhinweis:
DI 58, Stadt Hildesheim, Nr. 622† (Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di058g010k0062203.