Inschriftenkatalog: Stadt Hildesheim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 58: Stadt Hildesheim (2003)

Nr. 602† Eckemekerstr. 36 (no. 1758) 1611

Beschreibung

Haus.1) Roland-Spital.2) Das an der Ecke zur Rolandstraße (ehem. Zur Hölle) giebelständig zur Eckemekerstraße gelegene, aus Erd- und Zwischengeschoß sowie zwei Obergeschossen bestehende Fachwerkhaus mit zwei Dachgeschossen war fünf Gefache breit. Der rechten Haushälfte war ein viergeschossiger Erker vorgebaut. Das Haus wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. In beiden Dachgeschossen je zwei Brüstungstafeln mit allegorischen Darstellungen. Auf den oberen beiden Brüstungstafeln Sonne (mit Beischrift B) und Mond (ohne Beischrift?), darunter Fides und Justitia mit den Inschriften A. Die Beischriften C waren neben weiteren allegorischen Darstellungen angebracht, die sich auf den Brüstungstafeln im zweiten Obergeschoß der zur Rolandstraße gelegenen Traufenseite befanden. In den Brüstungstafeln des zweiten Obergeschosses am Giebel Darstellung eines Gastmahls und des Weinbaus, in den Brüstungstafeln des ersten Obergeschosses Darstellungen der Ernte, des Weinkelterns, des Pflügens, des Schweinehütens und des Schlachtens. Auf dem Schwellbalken darunter war Inschrift D erhaben und farbig gefaßt ausgeführt. Sie begann am Hauptgebäude und setzte sich am Erker fort. Die Reime sind durch Punkte bezeichnet. An den Brüstungstafeln des Zwischengeschosses Szenen aus der Samson-Geschichte (Ri. 13–16). Über der zur Eckemekerstraße hin gelegenen Tür die Inschrift E. Die Inschrift wird flankiert von zwei Wappen, die Beischrift des heraldisch linken ist nicht überliefert, das rechte mit der Beischrift F. Rechts und links neben der vierten Zeile von Inschrift E befand sich die geteilte Jahreszahl G. Inschrift H über der linken, I über der rechten zur Rolandstraße gelegenen Tür. Die Photos lassen erkennen, daß die Inschriften D–F erhaben in vertiefter Zeile ausgeführt waren.

Inschriften A, D–G nach Photo Roemer-Museum, ergänzt nach Kd. Hildesheim, Bürgerliche Bauten; B nach Mithoff; C nach Kd. Hildesheim, Bürgerliche Bauten; H und I nach DBHi, HS C 25.

Schriftart(en): Kapitalis (A), Fraktur (D–F).

  1. A

    FIDES // JVSTITIAa)

  2. B

    SOL

  3. C

    AER // INVIDIA

  4. D

    Simon Arnolt von hirsfelt bin ich gnant · Das landt zu hesen ist mein vatrlandt · Auff den leibn gott thu ich vortrawn · Der woll gnedig dis mein thun bawn · Der selb wolt mihr dis helffn vollendn · Leib vnd seel begnadn am letzn endt ·

  5. E

    Wi der hirs schrit na friskem brunne · also schriet min sele o godt / tho dir3) / der her dorch der engelschar / dinen vth vnd inganck / bewar ·4)

  6. F

    Ilsebe Fredenshusen

  7. G

    1611

  8. H

    Wer bawen will an freier strassen mus sich viel vnnutz geswetz nich irren lassen5)

  9. I

    Was gott thut bescheren Kan nemand wehren

Übersetzung:

Glaube. Gerechtigkeit. (A)

Sonne. (B)

Luft. Neid. (C)

Wappen:
Hirschfeld6), Fredenshusen7)

Kommentar

Der in Inschrift E zitierte Psalm spielt auf den Familiennamen des Erbauers an.

Textkritischer Apparat

  1. JVSTITIA] ergänzt nach Kd.

Anmerkungen

  1. Ausführliche Beschreibung s. Kd. Hildesheim, Bürgerliche Bauten, S. 283f. mit Abb. 246. Der folgenden Beschreibung liegen für die Giebelseite auch die Photos Roemer-Museum H 4512/67f. zugrunde.
  2. Das Haus erhielt seinen Namen nach einem Hildesheimer Kaufmann Erasmus Roland, der am Ende des 18. Jahrhunderts dieses und ein weiteres am Markt gelegenes Haus für wohltätige Zwecke zur Verfügung stellte.
  3. Ps. 42,2. Der Wortlaut der Inschrift entspricht nicht genau der Luther-Bibel: WJe der Hirs schreyet nach den wasser bechen, so schreyet meyne seele Gott zu dyr (Psalter 1524–1528, WA Deutsche Bibel 10,1, S. 234–236) bzw. Wje der hirs schreiet nach frisschem wasser So schreiet meine seele Gott zu dir (Psalter 1531 und 1545, ebd., S. 235–237). Möglicherweise liegt eine freie Übersetzung vor, die mit der Wortwahl brunnen vielleicht auf den Vulgata-Wortlaut Ps. (G) 41, 2 ... ad fontes aquarum ... zurückgeht.
  4. Der zweite Teil der Inschrift bietet eine aus Ps. 91,11 und Ps. 121,8 kombinierte Bibeldichtung. ‚Der Herr bewahre durch die Engelschar deinen Ein- und Ausgang.‘
  5. Ähnlich Wander, Sprichwörterlexikon, Bd. 1, Sp. 254, Nr. 59: Wer will bauen an den Gassen (an den Strassen), muss die Leute reden (lachen, spotten, drohen, lügen, richten, schmähen, schänden) lassen.
  6. Wappen Hirschfeld, linksgewendet (schreitender Hirsch auf einem Feld).
  7. Wappen Fredenshusen (an einem Baum hochsteigender Hirsch). StaHi, Bestand 856, Nr. 50/268/9, Kasten 30.

Nachweise

  1. Photo Roemer-Museum H 4512/67f.
  2. Mithoff, Kunstdenkmale, S. 166.
  3. Kd. Hildesheim, Bürgerliche Bauten, S. 283.
  4. DBHi, HS C 25, S. 18.
  5. Buhlers, Hildesheimer Haussprüche, S. 444.
  6. Schütte, Hildesheimer Hausinschriften, S. 33.
  7. Slg. Rieckenberg, S. 988, drei Photos.

Zitierhinweis:
DI 58, Stadt Hildesheim, Nr. 602† (Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di058g010k0060201.