Inschriftenkatalog: Stadt Hildesheim
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 58: Stadt Hildesheim (2003)
Nr. 585(†) Hoher Weg 5 (no. 391) / Roemer-Museum 1608, 1609?
Beschreibung
Haus.1) Syndikushaus. Fachwerk. Das dreigeschossige, neun Gefache breite Haus mit zwei Erkern stand mit der Traufenseite zum Hohen Weg. Es wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. In den Brüstungstafeln des ersten Obergeschosses allegorische Darstellungen von Tugenden mit den Beischriften A, in der Brüstungstafel über der Tür das Wappen der Stadt Hildesheim. In den Brüstungstafeln des zweiten Obergeschosses allegorische Darstellungen der sieben Planeten und der vier Elemente mit den Beischriften B. Inschrift C auf einer im Roemer-Museum erhaltenen, früher im Andreas-Museum (AM 352) aufbewahrten Tafel,2) die links unten im Bereich der unteren zwei Zeilen ausgeschnitten ist. Dadurch fehlen Teile der Inschrift. Die Fehlstelle war schon im 19. Jahrhundert vorhanden. Inschrift C ist erhaben geschnitzt und farbig gefaßt; sämtliche u mit Schrägstrichen. Die Jahreszahl D war über der Tür angebracht. Brandis überliefert noch die Inschrift E, die sich ebenfalls über der Tür befunden haben soll.3)
Inschriften A und B nach Photo Slg. Rieckenberg und Kd. Hildesheim, Bürgerliche Bauten; C ergänzt nach Buhlers; D nach Photo Slg. Rieckenberg; E nach DBHi, HS 789.
Maße: H.: 53,5 cm; B.: 85 cm; Bu.: 4,2 cm (C).
Schriftart(en): Kapitalis mit Versalien (A, B); humanistische Minuskel mit Kapitalis- und Fraktur-Versalien (C).
- A †
SPES // FORTITVDO // TEMPORANTa) // FIDES // IVSTITIA // CARITAS // PRVDENTIA // PATIENTIA
- B †
SATVRNVS // IVPITER // MARS // TERRAb) // SOL // VENVS // MERCVRIVS // AQVAb) // LVNA // IGNIS · // AER
- C
Solonj suusc) olim honos Athenis Spartano suusc) et datus Licurgo est Solones patriae pios et jsto [Nos si condecorabi]mus receptu [Quis nostro invidea]t bonus labori
- D †
1608
- E †
Der segen des Hern der deit dich din gut vermehren So du dich deist mit Godt undt ehren ernehren4) Anno D(omi)ni 1609d)
Übersetzung:
Hoffnung. Stärke. Mäßigung. Glaube. Gerechtigkeit. Liebe. Klugheit. Geduld. (A) Saturn. Jupiter. Mars. Erde. Sonne. Venus. Merkur. Wasser. Mond. Feuer. Luft. (B) Einstmals wurde Solon in Athen die gebührende Ehre dargebracht und ebenso dem Spartaner Lykurg die seine. Wenn wir unsererseits die frommen Solonen unserer Vaterstadt durch diese Zufluchtstätte auszeichnen, welcher Gute sollte dann auf unser Werk neidisch sein. (C)
Versmaß: Fünf Phaläkeen (C).
Altstadt Hildesheim, neu* |
Textkritischer Apparat
- TEMPORANT] Statt TEMPERANTIA.
- Inschrift auf den Photos nicht erkennbar, da an der Seite des Erkers. Ergänzt nach Kd.
- suus] summus Schütte.
- Es ist zweifelhaft, ob die Jahreszahl tatsächlich 1609 lautete oder ob eine fehlerhafte Wiedergabe der ebenfalls über der Tür angebrachten, allerdings ohne Anno Domini stehenden Jahreszahl (D) vorliegt.
Anmerkungen
- Beschreibung nach Photo Roemer-Museum H 3758/10; Kd. Hildesheim, Bürgerliche Bauten, S. 261f., Photos Slg. Rieckenberg.
- Inv. Nr.: H 4310.
- Brandis in DBHi, HS 789, fol. 387v.
- Vgl. Wander, Sprichwörterlexikon, Bd. 4, Sp. 500, s. v. ‚Segen‘, Nr. 3. ‚Der Segen des Herrn vermehrt dir dein Gut, wenn du dich mit Gott in Ehren ernährst.‘
- Biographische Daten nach Roth, Leichenpredigten, R 1007. Die Studienorte sind in seiner Leichenpredigt erwähnt. In den Matrikeln nachweisbar ist Kegel nur in Frankfurt/Oder, Wittenberg und Marburg: Matrikel Frankfurt/Oder, Bd. 1, S. 344b, Nr. 7.10; Matrikel Wittenberg, Bd. 2, S. 334a, Zeile 9; Matrikel Marburg, Bd. 1, Teil 3, S. 56 und S. 145.
Nachweise
- Slg. Rieckenberg, S. 959f., zwei Photos.
- Buhlers, Zerstörte Hildesheimer Hausinschriften, S. 212.
- Kd. Hildesheim, Bürgerliche Bauten, S. 261f.
- DBHi, HS 789, fol. 387v.
- Roemer-Museum, Photo H 3758/10 und 12.
- Hildesheimer Sonntagsblatt 1868, S. 238.
- Schütte, Hildesheimer Hausinschriften, S. 43.
Zitierhinweis:
DI 58, Stadt Hildesheim, Nr. 585(†) (Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di058g010k0058505.
Kommentar
Das Haus wurde für den Syndikus der Stadt Hildesheim, Christian Kegel, gebaut. Kegel wurde am 11. Dezember 1567 in Goslar geboren. Er studierte den Angaben seiner Leichenpredigt zufolge in Helmstedt, Gießen, Jena, Leipzig, Wittenberg (1585), Marburg (1586), Frankfurt/Oder (1589) und Köln sowie in Frankreich, in den Niederlanden und in England. Am 24. Mai 1595 wurde er zum Lizentiaten beider Rechte promoviert, am 3. September 1601 erhielt er in Marburg den Doktorgrad. Im selben Jahr hat ihn Landgraf Moritz von Hessen als Professor an das Mauritianum in Kassel berufen, später erhielt er einen Ruf nach Marburg, blieb aber wohl in Kassel. Am 11. Mai 1604 trat er das Amt des Syndikus in Hildesheim an. 1608 heiratete er am 11. Oktober die aus einer Hildesheimer Familie stammende Barbara Olem. 1633 wurde Kegel im Rahmen der Belagerung Hildesheims durch die kaiserlichen Truppen zusammen mit Angehörigen des Rats als Geisel nach Hameln verschleppt. Er starb am 25. Februar 1640.5) In der für ihn gehaltenen Leichenpredigt heißt es, er habe sein Epitaph selbst geschrieben. Es ist daher nicht ausgeschlossen, daß er auf die Anbringung der selbst für einen gelehrten Syndikus außergewöhnlichen Inschrift C am Syndikushaus Einfluß genommen hat. Der Bezug auf Solon, den Gesetzgeber Athens, der die strengen Gesetze Drakons durch mildere ersetzte, und auf Lykurg, den Gesetzgeber Spartas, entspricht der Funktion des Hauses als Wohnung für den Ratssyndikus.