Inschriftenkatalog: Stadt Hildesheim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 58: Stadt Hildesheim (2003)

Nr. 578 Godehardsplatz 12 (no. 1167) 1606

Beschreibung

Haus an der Ecke zum Hinteren Brühl. Fachwerk. Das zum Godehardsplatz hin zehn Gefache, zum Brühl hin sieben Gefache breite und drei Geschosse hohe Haus gehört zu den wenigen erhaltenen Fachwerkbauten in Hildesheim. Die linke Seite der Godehardsplatz-Front springt in der Breite von vier, die rechte Seite in der Breite von zwei Gefachen vor. Die Inschriften A–C befinden sich an der zum Godehardsplatz gelegenen Seite: A neben figürlichen Darstellungen der Planetengottheiten, der Superbia und der Pax sowie der alttestamentlichen Figur Judith in den Brüstungstafeln des zweiten Obergeschosses; B an der 1. und 4. Brüstungstafel der vorspringenden linken Seite als Beischriften zu Darstellungen des heiligen Bernward und der Gottesmutter, in den beiden mittleren Brüstungstafeln zwei Wappen. Inschrift C auf dem Schwellbalken des ersten Obergeschosses an der linken vorspringenden Seite.

Die Inschriften D–G befinden sich an der zum Hinteren Brühl gelegenen Seite: D als Beischriften zu personifizierten Darstellungen der Laster in den Brüstungstafeln des zweiten Obergeschosses, E am ersten Obergeschoß als Beischriften zu Halbfiguren Kaiser Heinrichs II., Kaiser Ludwigs des Frommen, Karls des Großen und des heiligen Godehard. Unterhalb der Beischriften zu der Darstellung Ludwigs des Frommen zwei Initialen, unterhalb der Beischrift zur Darstellung Karls des Großen zwei weitere Initialen (F). Die Inschriften G stehen als Beischriften neben figürlichen Darstellungen von Tugenden in den Brüstungstafeln des Erdgeschosses, Inschrift H auf dem Schwellbalken des ersten Obergeschosses, die Reime sind durch Punkte markiert. Die Inschriften sind erhaben ausgeführt.

Maße: Bu.: 4–5 cm (A, B, D–G), 7 cm (C), 6 cm (H).

Schriftart(en): Fraktur und Kapitalis (A), Kapitalis mit Versalien (B–F), schrägliegende Kapitalis mit Versalien (G), Fraktur (H).

Christine Wulf [1/7]

Godehardsplatz

  1. A

    Saturnus // Mars // Mercurius // Sonne // Jupiter // Venvs // Mon // SVBPERBIAa) // IVDIT // PAX

  2. B

    S(ANCTVS) BARWARDVS // S(ANCTA) MARIA

  3. C

    ANNO 1606 HOC AEDIFICIVM PER PHILIPPVMb) WERNERVM SECRETARIVMc) SVIS SVMPTIBVS EST EXSTRVCTVM

Hinterer Brühl

  1. D

    INVIDIA //AVARITIA // PERTVRBATIOd) // INQVIETASe)

  2. E

    HINRICVS · PIVS // LVDOWICVS · PIVS // CAROLVS MAGNVS // S(ANCTVS) GODEHARDVS

  3. F

    Z Ff) // P Kf)

  4. G

    SPES // FIDES // CARITAS // PATIENTIA

  5. H

    Dv redest hir van was dir gefelt · Kostet mir aber das meine gelt · Habe ich geirt so hvte dv dich · Bins nich allein dem witze1) gebricht2)

Übersetzung:

Saturn. Mars. Merkur. Sonne. Jupiter. Venus. Mond. Stolz. Judith. Frieden. (A) Im Jahr 1606 ist dieses Gebäude durch den Sekretär Philipp Werner mit dessen eigenen Mitteln errichtet worden. (C) Neid, Habgier, Verwirrung, Unruhe. (D) Der fromme [Kaiser] Heinrich, Ludwig der Fromme, Karl der Große, der heilige Godehard. (E) Hoffnung. Glaube. Liebe. Geduld. (G)

 
Wappen1)
Werner3), Rosenzweig4)

Der Bauherr des Hauses, Philipp Werner, hatte das Amt des stiftshildesheimischen Regierungssekretärs inne. Er vertrat das Stift auf dem Kreistag in Lüneburg im Jahr 1589.5) Im Jahr 1601 hat er für seine früh verstorbenen Kinder ein Epitaph an der Südwand des Doms anbringen lassen (Nr. 553). Seine Bauinschrift ähnelt mit dem Hinweis darauf, daß er das Haus auf eigene Kosten gebaut habe, dem Formular (aere suo) in der Bauinschrift an der Kurie Kramer (Nr. 220).

Die Inschriften bezeichnen Personen aus der Frühzeit des Bistums Hildesheim: Ludwig der Fromme gründete im Jahr 815 das neue Bistum in Hildesheim, nachdem Karl der Große zunächst Elze als Bischofssitz vorgesehen hatte. Kaiser Heinrich II. hat Bischof Godehard in sein Amt berufen und war Hildesheim außerdem durch seine Ausbildung in der dortigen Domschule verbunden.

Textkritischer Apparat

  1. SVBPERBIA] Statt SVPERBIA.
  2. PHILIPPVM] Bernhardum Sonntagsblatt.
  3. SECRETARIVM] R steht in C.
  4. PERTVRBATIO] PERIVERATIO Kd.
  5. INQVIETAS] MOVIETAS Kd.
  6. Die Initialen konnten nicht aufgelöst werden.

Anmerkungen

  1. ‚Verstand‘.
  2. Rieckenberg weist eine ähnlich lautende Inschrift am Schuhhof in Halberstadt nach: Du redst davon, wie dirs gefallt / So kostet mir das meiste Geld / Hab ich gedoret (töricht gehandelt), so bessere dich / Ich bins nicht allein, dem Witze gebricht; vgl. auch DI 45 (Stadt Goslar), Nr. 153A.
  3. Wappen Werner (waagerecht gelegter gestümmelter Ast, aus dem drei Blüten [?] wachsen). Vgl. StaHi, Bestand 856, Nr. 50/268/9, Kasten 32.
  4. Wappen Rosenzweig (Löwe, in den Pranken eine gestielte Rose haltend). Vgl. StaHi, Bestand 856, Nr. 50/268/9, Kasten 31.
  5. Vgl. Christof Römer: Philipp Werner und der Konfessionskonflikt im Niedersächsischen Reichskreis. Die stiftshildesheimische Gesandtschaft auf dem Kreistag zu Lüneburg 1589. In: Alt-Hildesheim 45 (1974), S. 25–30.

Nachweise

  1. Hildesheimer Sonntagsblatt 1868, S. 237.
  2. Kd. Hildesheim, Bürgerliche Bauten, S. 346f.
  3. Schütte, Hildesheimer Hausinschriften, S. 37f.
  4. Slg. Rieckenberg, S. 956f., drei Photos.

Zitierhinweis:
DI 58, Stadt Hildesheim, Nr. 578 (Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di058g010k0057800.