Inschriftenkatalog: Stadt Hildesheim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 58: Stadt Hildesheim (2003)

Nr. 500 Heilig Kreuz 1592

Beschreibung

Taufe. Bronze. Zum Zeitpunkt der Aufnahme (1998) war sie in der Apsis des südlichen Querhauses aufgestellt. Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs befand sie sich in der westlichen Kapelle des südlichen Seitenschiffs.1) Die Angabe, daß der Stifter der Taufe, Moritz von Sode, mitten in der Kirche in der Nähe seiner Stiftung begraben war,2) läßt vermuten, daß auch das südliche Seitenschiff nicht der originale Standort der Taufe war.

Auf dem runden Fuß, der möglicherweise ursprünglich auf Figuren der vier Paradiesflüsse stand,3) waren im Flachrelief die Kirchenpatrone Petrus und Paulus und das Wappen des Stifters angebracht (heute verloren).4) Auf der Sockelzarge befindet sich zwischen zwei Stegen Inschrift A. Über dem Fuß erhebt sich ein zylindrischer Schaft, an dem in zwei Reihen in sechs durch Pilaster getrennten Feldern unter oben beschnittenen Arkaden die Figuren der zwölf Apostel mit ihren Attributen stehen. Vor den Pilastern freistehende Säulen. Zwischen den beiden Apostelreihen ein Wulstring mit Inschrift B zwischen zwei Stegen.

Am Kessel sind in sechs Feldern, die durch schmale Rahmenleisten mit davorgesetzten vollplastischen Säulen getrennt sind, sechs Szenen wiedergegeben, die in einer thematischen Beziehung zur Taufe stehen.5) Innerhalb der einzelnen Szenen sind auf kleinen Täfelchen jeweils die zugehörigen Bibelkapitel angebracht: 1. Taufe Jesu im Jordan, neben Christus die Stellenangaben (C1), neben Johannes (C2); 2. Apostelabschied, rechts Himmelfahrt Christi (D); 3. Pfingstpredigt des Petrus, rechts unten die Tafel mit Inschrift E; 4. Säuglingstaufe (F); 5. links eine männliche und eine weibliche Figur, rechts Heilung des Saulus durch Ananias, dazwischen Inschrift G; 6. Paulus und Silas treten dem Kerkermeister von Philippi gegenüber, Inschrift H am rechten Rand.

Der mit einer durchbrochenen Zierkante versehene Deckel trägt am unteren Rand ein zweifach umlaufendes Schriftband mit Inschrift I. Auf dem Deckel sechs von Dreipaßbögen überwölbte Darstellungen: 1. Taufe des Hauptmanns Kornelius, unter dem linken Teil des Dreipaßbogens Inschrift J; 2. Philippus tauft den Kämmerer aus Äthiopien (den Eunuchen), Inschrift K unter dem linken Teil des Dreipasses; 3. Durchzug der Israeliten durch das Rote Meer, rechts im Bild Inschrift L; 4. Sintflut, unter dem mittleren Bogen des Dreipasses die Arche mit der gravierten Inschrift M1, unter dem linken Bogen die Tafel mit der Stellenangabe (M2); 5. Vision des segenspendenden Wassers, das aus dem Tempel fließt, unter dem mittleren Bogen das Innere eines Kirchenraums, links davon zwei Männer, unter dem rechten Bogen (N); 6. Jesus und Nikodemus, unter dem linken Teil des Dreipaßbogens ein Bär, unter dem rechten Inschrift O. In den Zwickeln der Dreipaßbogenfelder vollplastisch gegossene unbekleidete weibliche Halbfiguren (Quellnymphen). Der Deckel wird bekrönt von einem mehrfach eingeschnürten hohen Balusterschaft, der eine Darstellung des Gnadenstuhls trägt. Soweit nicht anders vermerkt, sind die Inschriften erhaben und glatt vor einem durch Punktmuster strukturierten Hintergrund ausgeführt.

Maße: H.: 203 cm; Dm.: 94,3 cm (Deckel), 84,7 cm (Fuß); Bu.: 2,6 cm (A), 1,9 cm (B), 0,9–1,3 cm (C–H), 2–2,1 cm (I), 0,8 cm (J–O).

Schriftart(en): Kapitalis.

Sabine Wehking [1/9]

  1. A

    IOHANNIS 3 CAPITE AMEN AMEN DICO TIBI NISI QVIS RENATVS FVERIT DENVO NON POTEST VIDERE REGNVM DEI6)

  2. B

    ANNO DOMINI NOSTRI IHESV CHRISTI 1592 MANTE PELLCKINCK ME FECIT

  3. C1

    ISA XL / MAL III

  4. C2

    MAT III / MAR I / IO I / LV III

  5. D

    MAT XXVIII / MAR XVI

  6. E

    ACTO / II

  7. F

    MAT. XIX / MAR. X / LV · XVII

  8. G

    ACTO / IX

  9. H

    ACTO / XVI

  10. I

    REVERENDVS ERVDITIONE AC PIETATE INSIGNIS VIR D(OMINVS) MAVRITIVS A SODE SENIOR CANONICVS COLLEGIATAE S(ANCTAE) CRVCIS ET PRAEPOSITVS / MONIALIVM CAENOBII DIVAE MARIAE MAGDAL(ENAE) HILDENS(IS) HOC BAPTISTERIVM AD HONOREM DEI ET ECCL(ES)IAE S(ANCTAE) CRVCIS AD SALVTEM FIDELIVM FIERI FECIT ·

  11. J

    ACTO / X

  12. K

    ACTO / VIII

  13. L

    EXODV / XIIII

  14. M1

    ARCHA NOEa)

  15. M2

    GENISIS / VI · VII · VIII

  16. N

    HESEK / XLVII

  17. O

    IOHA / III.

Übersetzung:

Im dritten Kapitel des Johannes: Amen. Amen. Ich sage dir, wenn jemand nicht von neuem wiedergeboren wird, kann er das Reich Gottes nicht sehen. (A)

Im Jahr unseres Herrn Jesus Christus 1592 hat Mante Pelckinck mich gemacht. (B)

Der hochwürdige und durch Bildung und Frömmigkeit ausgezeichnete Mann Herr Moritz von Sode, Senior-Kanoniker des Kollegiatstifts Heilig Kreuz und Propst des Hildesheimer Nonnenklosters der heiligen Maria Magdalena, hat diese Taufe zur Ehre Gottes und der Heilig-Kreuz-Kirche zum Heil der Gläubigen anfertigen lassen. (I)

Wappen:
Sode*

Kommentar

Der in Inschrift B genannte Hildesheimer Gießer Mante Pelckinck war der Werkstattnachfolger und möglicherweise der Sohn des Geschützgießers Hans Pelckinck (vgl. Nr. 436), der im Jahr 1561 das Taufbecken in der Jakobikirche in Peine gegossen hat.7) Von Mante Pelckinck stammt neben dieser Taufe in Heilig Kreuz auch die 1590 entstandene Taufe in St. Stephani in Helmstedt.8) Vorbild für diese drei Taufen war die 1547 von Hans Sievers für St. Andreas gefertigte (Nr. 358), in deren unmittelbarer Tradition auch noch eine vierte aus St. Martini stammende, heute in St. Michaelis befindliche Taufe des Gießers Dietrich Mente von 1618 (Nr. 642) steht.9) Die Reliefbilder einschließlich der in sie integrierten Angaben des zugehörigen Bibelkapitels entsprechen bei allen Nachfolgewerken denen des Taufbeckens in St. Andreas.10) Lediglich die Reihenfolge der Bilder weicht bei den einzelnen Stücken voneinander ab. Die Inschriften außerhalb der Bilder hingegen sind für jede Taufe individuell formuliert worden; auf der Taufe in Heilig Kreuz sind dies das lateinische Bibelzitat (A), die Meistersignatur (B) und die Stifterinschrift (I).

Das Bildprogramm der St. Andreas-Taufe von 1547 hat Ulrike Mathies als eine komplexe Darstellung der von Martin Luther und Johannes Bugenhagen entwickelten evangelischen Tauflehre erwiesen.11) Bei der Heilig-Kreuz-Taufe sind die insbesondere in den individuellen Inschriften der Vorbild-Taufe formulierten bekenntnishaften Züge nicht mehr vorhanden.12) An ihre Stelle ist eine ausführliche Stifterinschrift (I) getreten, die auf der Vorbild-Taufe keine Entsprechung hat. Sie stellt die Person des Stifters und sein repräsentatives Geschenk in den Mittelpunkt. Diese Verlagerung der Perspektive läßt es vielleicht weniger befremdlich erscheinen, daß der Lizentiat der Theologie und hochrangige Hildesheimer Kanoniker Moritz von Sode im Jahr 1590 der dem alten Glauben angehörenden Heilig-Kreuz-Kirche diese Taufe gestiftet hat. An der Ikonographie allein sind nur wenige für einen katholischen Betrachter ungewöhnliche Details zu entdecken: im Pfingstbild fehlt Maria, und im Bild der Kindertaufe ist der Geistliche nicht durch das übliche Priestergewand ausgewiesen. Der Vergleich mit der St. Andreas-Taufe zeigt, daß im wesentlichen die programmatisch-protestantisch formulierten Inschriften den konfessionellen Charakter des Text-Bild-Programms bestimmen, während die isolierte Bildfolge Ende des 16. Jahrhunderts offenbar auch für katholische Gebrauchszusammenhänge akzeptabel war.

Der in Inschrift I genannte Stifter der Taufe Moritz von Sode stammt aus einer Hannoveraner Ratsfamilie.13) Auf ihn gehen zahlreiche Stiftungen in Hannover und Hildesheim zurück, wie z. B. eine Hospitalgründung im Jahr 1587 in seiner Heimatstadt oder die Standbilder der Apostel Petrus und Paulus am Treppenaufgang zum Westportal der Heilig-Kreuz-Kirche in Hildesheim (Nr. 564). Seine sämtlichen Stiftungen sind in einem eigenen Summarium zusammengestellt.14) Für das Taufbecken hat er 200 Taler bezahlt.15) Moritz von Sode war seit 1575 Propst an St. Maria Magdalena (vgl. Nr. 438). Er starb am 20. Mai 1606 und wurde in der Heilig-Kreuz-Kirche beigesetzt. Eine Grabschrift ist nicht überliefert.

Textkritischer Apparat

  1. NOE] Der letzte Buchstabe halb erhaben.

Anmerkungen

  1. Brandt, Inventar Heilig Kreuz, S. 143.
  2. Zur Lokalisierung der Grabstelle vgl. DBHi, HS 332, S. 57f: in medio monasterii prope novum Baptisterium (...) in navi Eccl(esiae) versus portam majorem sive versus occidentem [sc. sepulchrum] collocatum vidi, ubi et ejus lapis sepulchralis hodiedum reperitur.
  3. Vgl. Brandt, Inventar Heilig Kreuz, S. 143 mit Hinweis auf das ebenfalls auf Figuren der vier Paradiesflüsse stehende Taufbecken in St. Andreas (Nr. 358).
  4. Vgl. Abb. und Beschreibung in Kd. Hildesheim, Kirchen, S. 190.
  5. Zur Beschreibung vgl. Nr. 358 sowie Mathies, Protestantische Taufbecken, S. 130f.
  6. Io. 3,3.
  7. Vgl. Mathies, Protestantische Taufbecken, S. 58 und S. 143.
  8. Die Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Helmstedt, bearb. von Paul Jonas Meier. Wolfenbüttel 1896 (Die Bau- und Kunstdenkmäler des Herzogthums Braunschweig 1), S. 64f.; vgl. demnächst auch den Band „Die Inschriften der Stadt Helmstedt“.
  9. Zu den Nachfolgewerken der Taufe des Hans Sievers von 1547 vgl. Mathies, Protestantische Taufbecken, S. 56–65.
  10. Zur Ikonographie und zur Beziehung von Bild und Inschrift innerhalb der Reliefszenen s. den Kommentar zu Nr. 358.
  11. Mathies, Protestantische Taufbecken, S. 33–44.
  12. Ebd., S. 60–63.
  13. DI 36 (Stadt Hannover), Nr. 159 mit weiteren biographischen Angaben.
  14. DBHi, HS 332, S. 63–69; vgl. auch Bertram, Bistum 2, S. 393.
  15. Brandt, Inventar Heilig Kreuz, S. 144.

Nachweise

  1. DBHi, HS C 28, Nota 44 Kreuzkirche, S. 13.
  2. Mithoff, Kunstdenkmale, S. 140 (A, B, D).
  3. Kd. Hildesheim, Kirchen, S. 190f., Abb. Tafel XXV.
  4. Brandt, Inventar Heilig Kreuz, S. 143f., Abb. 177.
  5. Mathies, Protestantische Taufbecken, S. 130 (B, I), Abb. 36–38, 45, 50, 53.
  6. Slg. Rieckenberg, S. 373, ein Photo.

Zitierhinweis:
DI 58, Stadt Hildesheim, Nr. 500 (Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di058g010k0050002.