Inschriftenkatalog: Stadt Hildesheim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 58: Stadt Hildesheim (2003)

Nr. 495† Dom 1590 o. früher

Beschreibung

Wand an der nördlichen Außenseite des Chors, gegenüber dem nordöstlichen Eingang. Die Inschriften wurden bei Renovierungsarbeiten im Dom am Ende des 19. Jahrhunderts entdeckt1) und spätestens im Zweiten Weltkrieg zerstört. Die Inschriften A–C beziehen sich auf drei erhaltene Tafelgemälde mit folgenden Darstellungen: 1. die Geburt Christi (A), 2. die Kirche als Spenderin der Gnade (B) (Nr. 496), 3. die Auferstehung Christi, im Vordergrund in Bethaltung der Stifter, darunter die Beischrift C. Die drei Gemälde waren von vier Karyatidhermen flankiert2), an deren Sockeln Wappen angebracht waren. Das Stifterwappen befand sich an der Karyatide neben der Stifterfigur, die übrigen nicht beschriebenen Wappen lassen sich nicht lokalisieren. Die Stifterinschrift D war in drei Feldern auf einem Balken über den Gemälden ausgeführt. Oeynhausen überliefert im Zusammenhang einer ausführlicheren Fassung der Inschrift D (vgl. Anm. a) eine sechzehnteilige Ahnenprobe, von der er fünf Wappen in Zeichnung wiedergibt bzw. beschreibt.3)

Inschriften nach St. Bernwardusblatt.

Schriftart(en): Kapitalis.4)

  1. A

    ASPICE QUAE SUBEAM NASCENS CUNABULA REGNI UT TIBI RESTITUAM PERDITA JURA MEI

  2. B

    ILLA EGO SUM CHRISTO DESPONSA ECCLESIA PER QUAM CUNCTA SALUS SINE QUA NEMO BEATUS ERIT

  3. C

    MIRARIS DOMITA VICTOR QUOD MORTE RESURGAM ME SEQUERE ET MORTIS TU QUOQUE VICTOR ERIS

  4. D

    ERNESTVSa) A WRISBERG CANON(ICVS) HVIVS ECCLESIAE VIVVS SIBI POSVIT NE DE SEPVLCHRO TESTAMENTARII ET HAEREDES SOLLICITI ESSENT NEVE VIVORVM NEGLIGENTIA OBESSET MORTVO VALETE POSTERI

Übersetzung:

Sieh, wie ich bei meiner Geburt mit einer Krippe vorliebnehme, um für dich das verlorene Recht auf mein Reich wiederherzustellen. (A)

Ich bin die mit Christus vermählte Kirche, durch welche alles Heil [kommt], ohne die niemand selig wird. (B)

Du wunderst dich, daß ich nach Überwindung des Todes als Sieger auferstehe. Folge mir nach, und auch du wirst Sieger sein über den Tod. (C)

Ernst von Wrisberg, Kanoniker dieser Kirche hat sich dieses [als Denkmal] gesetzt, als er noch am Leben war, damit die Testamentsvollstrecker und Erben nicht für ein Grabmal zu sorgen haben und die Nachlässigkeit der Lebenden dem Toten nicht schadet. Gehabt euch wohl, ihr Nachkommenden. (D)

Versmaß: Elegische Distichen (A–C).

Wappen5)
WrisbergRehbock
Utze*Kerssenbrock
Nettlingen*Hevensen7)
RautenbergZenge
ZersenNette8)
RauschenplattRauschenplatt
LandesbergSteinberg
Duingen6)Hanensee

Kommentar

Für den im Jahr 1590 verstorbenen Kanoniker Ernst von Wrisberg ist außer diesem von ihm selbst zu Lebzeiten gestifteten „Epitaph“ noch eine Grabplatte überliefert (Nr. 491). Dieses „Epitaph“ steht am Anfang einer Reihe von Gemäldestiftungen für den Dom, die sämtlich aus Tafelbildern bestanden, deren Darstellungen durch je ein – wahrscheinlich direkt auf die Wand gemaltes – elegisches Distichon kommentiert wurden und mit einem Stiftungsvermerk oder einer Grabschrift sowie einer mehrteiligen Ahnenprobe versehen waren.9)

Textkritischer Apparat

  1. ERNESTVS] Davor: Deo opt(imo) max(imo) et gratissimae semper virgini Mariae Ernestus a Wrisberg hujus Ecclesiae Canonicus hoc monumentum posuit Oeynhausen. ‚Gott, dem Allgütigen und Allmächtigen, und der teuersten Maria, immer Jungfrau, hat Ernst von Wrisberg, Kanoniker dieser Kirche, dieses Denkmal gesetzt‘.

Anmerkungen

  1. Vgl. St. Bernwardusblatt Nr. 46 (1891), S. 366f.
  2. Vgl. Kat. Ego sum, Nr. C 7.4–7.7. Die Gemälde befinden sich im Dom-Museum, Inv. Nr.: 1990.9–1990.12.
  3. Vgl. Oeynhausen, S. 324, Nr. 98.
  4. Schriftart nach DBHi, HS 789, S. 448: „lateinische Majuskeln“.
  5. Abweichende Wappenüberlieferung nach St. Bernwardusblatt (wie Anm. 1) und Bertram, Bischöfe, S. 157: Wrisberg, Landesberg, Utze, Kerssenbrock, Rautenberg, Bennigsen, Rauschenplatt, Hanensee. Die Wiedergabe der Namen läßt keine Ordnung einer Ahnenprobe erkennen.
  6. Wappen Duingen (Mannsrumpf oder wachsender Mann, der auf dem Kopf drei Federn trägt). Die Wappenbeschreibung Oeynhausens läßt keine eindeutige Blasonierung zu.
  7. Wappen Hevensen (Vogel auf einem vierstufigen Treppengiebel).
  8. Wappen Nette (zwei Flügel).
  9. Weitere Gemäldestiftungen aus diesem Zyklus: Nr. 510, 516, 520, 527, 589, 618.

Nachweise

  1. St. Bernwardusblatt Nr. 46 (1891), S. 366f.
  2. DBHi, HS 114b, fol. 62v.
  3. DBHi, HS 116, S. 133.
  4. DBHi, HS 271, fol. 14v.
  5. DBHi, HS 789, S. 448.
  6. Oeynhausen, S. 324, Nr. 98 (D).
  7. Bertram, Bischöfe, S. 157 (D).
  8. Kat. Ego sum, S. 205f.
  9. Slg. Rieckenberg, S. 892.

Zitierhinweis:
DI 58, Stadt Hildesheim, Nr. 495† (Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di058g010k0049504.