Inschriftenkatalog: Stadt Hildesheim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 58: Stadt Hildesheim (2003)

Nr. 444† Domhof 23 (no. 1211) 1579

Beschreibung

Haus.1) Kurie Bock von Northolz. Untergeschoß Stein, Obergeschoß Fachwerk. Die Kurie wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. An der Vorderseite ein über beide Geschosse gehender Erker. Inschrift A2) befand sich ursprünglich auf einer mit Rollwerk umgebenen Steintafel im Brüstungsfeld unter dem linken Fenster des Erkers im Erdgeschoß, B in der Mitte des Erkers rechts und links unter einem Wappen, C unter dem rechten Fenster. Die Inschriften D–V waren in den Brüstungstafeln des Fachwerkobergeschosses – unter Einschluß der Brüstungstafeln am Erkerobergeschoß – angebracht. Inschrift D war in der äußersten linken Brüstungstafel oberhalb und unterhalb einer Darstellung des Agnus Dei erhaben ausgeführt, E in der zweiten Tafel auf beiden Seiten einer Hausmarke (H15), F in der dritten Tafel an der Südseite des Erkers im Zusammenhang mit einer Darstellung der Arma Christi, G in der linken Brüstungstafel an der Vorderseite des Erkers, H in einem um die Tafel geschlungenen Schriftband, die Jahreszahl I zusammen mit einem Wappen im Mittelfeld des Erkers. In der rechten Brüstungstafel an der Vorderseite des Erkers die Jahreszahl J, darunter drei im Dreipaß angeordnete Kreise, in deren Schnittpunkt eine Tafel mit Inschrift K stand, Inschrift L befand sich auf den drei Kreisen. Im oberen Kreis ein Rauchfaß, im rechten eine Palme und im linken eine gekrönte Schlange, die von einer ungekrönten gebissen wird. Inschrift M auf der Brüstungstafel an der Nordseite des Erkers auf einer ovalen Tafel mit Krone und mit der Darstellung einer aus den Wolken hervorragenden Hand. N war als Umschrift um die ovale Tafel ausgeführt. In den acht weiteren Brüstungstafeln am Haupthaus je zwei Wappen mit Beischriften O–V. Die Beischriften der jeweils heraldisch rechten Wappen standen unterhalb des Wappens, die des heraldisch linken Wappens darüber.

Inschrift A nach Photo Slg. Rieckenberg; B, D, G, H, J und O–V nach Photo Roemer-Museum; C nach Buhlers; E nach Photo Roemer-Museum H 6928 und Kd. Hildesheim, Bürgerliche Bauten; F und I nach Kd. Hildesheim, Bürgerliche Bauten; K–M nach Photo StaHi, Besta

Schriftart(en): Kapitalis (G, K–N), Kapitalis mit Versalien (D), schrägliegende humanistische Minuskel (A, E [Name Fraktur]), Fraktur (H, O–V).

  1. A

    Qui genus aa) Noritholth tulit / Aegoceroteq(ue) nomen Hermannus praesens con/didit Author opus

  2. B

    15 // 79

  3. C

    Sit domino foelix sit honorj Virginis Aedisb)3) Hoc satis est · sapias tu tibi Mome4) domjc)

  4. D

    TRIVMPHVS / POST AERVMNAS

  5. E

    Anno Dom(ini) 1579 / voluntas tua Salus mea5) / Herba supressa Crescit denuo / Hermann Bock vo(n) Northolthe

  6. F

    IE(SU)Sd)

  7. G

    SATIS MORITVRO

  8. H

    Ehre und Selicheit rôk unde brot6)

  9. I

    1579

  10. J

    15 // 79

  11. K

    VITA TRA=/GAEDIA

  12. L

    15 // 79 // OREMVS · ET // VINCEMVS · NE // EMENDEMVSe)

  13. M

    CORONA IVSTITIAE7)

  14. N

    SIC CURRITE VT · COMPREHENDATIS8)

  15. O

    Bock* // Mandelslo*

  16. P

    Klencke* // Klencke*

  17. Q

    Stapell9) // Morenholdt10)*

  18. R

    Buren* // Cramme*

  19. S

    Kanne11) // Asseborch*

  20. T

    Warpke12) // Bortfelde*

  21. U

    Dorgeloe13) // Husstede14)

  22. V

    Mandelslo* // Neuel15)

Übersetzung:

Der seine Herkunft von Northolz hatte und vom Steinbock den Namen, Hermann, gründete als Bauherr dieses hier gegenwärtige Werk. (A)

Das Haus bringe Glück seinem Herrn, es sei der Ehre der Jungfrau geweiht – das ist genug. Momos [= Meckerer], sorg du für dich in deinem Haus. (C)

Sieg folgt auf Trübsal. (D)

Im Jahr des Herrn 1579. Dein Wille ist mein Heil. Das niedergedrückte Gras wächst von neuem empor. Hermann Bock von Northolz. (E)

Es ist genug für jemanden, der ja doch sterben muß. (G)

Das Leben – ein Trauerspiel. (K)

Laßt uns beten, und wir werden siegen, daß wir nicht bestraft werden(?), (vgl. Anm. e). (L)

Die Krone der Gerechtigkeit, (M) lauft so, daß ihr sie erlangt. (N)

Versmaß: Elegisches Distichon (A, C).

Kommentar

Hermann Bock von Northolz trat am 18. März 1542 in das Domkapitel ein. Er starb am 6. Juni 1586. Näheres zu seiner Biographie s. im Kommentar zu Nr. 474. Bertram wertet die am Haus angebrachte sechzehnteilige Ahnenprobe als Reaktion auf einen wenige Jahre zuvor erfolgten Beschluß des Domkapitels, daß ein Domherr bei seiner Aufnahme in das Domkapitel sechzehn ritterbürtige Ahnen nachweisen mußte.16)

Zeller hat das Inschriftenprogramm auf die Ereignisse und Stimmungen zur Bauzeit bezogen: Die Inschrift D bringe die Hoffnung auf einen Sieg der Kirche nach voraufgegangener Trübsal (d. h. der vorübergehenden Schließung des Doms) zum Ausdruck; Inschrift L und die zugehörigen Bilder „sollen andeuten, daß Beten besser ist als gegenseitiger Hader (zwischen Katholiken und Protestanten), welcher zur Zerfleischung auch der Klugen (Schlangen) führt.“17)

Textkritischer Apparat

  1. Schrägstrich über a.
  2. Aedis] Aedi Buhlers.
  3. Mome domj] MA(N)E DOMJ Konjektur Slg. Rieckenberg; hon(or)e Domj (domini) Kd.
  4. IHS.
  5. EMENDEMVS] Lesung eindeutig, der Sinn der Inschrift ist unklar. Rieckenberg konjiziert überzeugend EMENDEMVR ‚daß wir nicht bestraft werden‘. Diese Konjektur liegt dem Übersetzungsversuch zugrunde.

Anmerkungen

  1. Beschreibung und Bestimmung der Schriftarten nach Photo Roemer-Museum H 6914.
  2. Den Angaben Rieckenbergs zufolge war die Inschrift A nach dem Zweiten Weltkrieg noch erhalten. Ihr jetziger Standort konnte nicht ermittelt werden.
  3. Virginis Aedis meint den der Jungfrau Maria geweihten Hildesheimer Dom, welcher der Kurie gegenüberliegt.
  4. Momos ist die Personifikation der Tadelsucht.
  5. Voluntas ... mea Devise der Familie Bock von Northolz, vgl. Nr. 692.
  6. ‚Ehre und Seligkeit, Haushalt und Kost’, rok ‚Rauch‘ dürfte hier im Sinne von ‚Herd‘ zu verstehen sein, die Wendung rok unde brot steht für ‚Wohnung und Kost‘, vgl. Schiller/Lübben 3, S. 499.
  7. II Tim. 4,8.
  8. I Cor. 9,24.
  9. Wappen Stapel (geteilt und dreimal gespalten, das Ganze überdeckt von einem der Figur nach durchbrochenen Quadrat [?]). Abweichendes Wappenbild auf dem Epitaph des Christoph Dietrich Bock von Northolz (Nr. 692).
  10. ‚Mahrenholz‘.
  11. Wappen Kanne (Ochsenkopf). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 3, Abt. 1, S. 48 u. Tafel 61: gespalten mit einem Büffelkopf in verwechselten Farben.
  12. Wappen Warpke (schräggestellte Lanzenspitze). Vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 128 u. Bd. 2, Tafel 382.
  13. Wappen Dorgeloh (nebeneinander zwei ausgerissene Stämme). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 3, Abt. 2, S. 117 u. Tafel 158.
  14. Wappen Hustede (drei Kesselhaken 2:1).
  15. Wappen Nevel (drei Rauten 2:1).
  16. Vgl. Bertram, Bischöfe, S. 155.
  17. Vgl. Zeller in Kd. Hildesheim, Bürgerliche Bauten, S. 153f. Damit dürfte kaum das Richtige getroffen sein. Auch Zellers Deutung der Inschrift I: ‚Wohnung und Kost, Ehre und Seligkeit genügten dem alten und kranken Bauherrn‘, kann nicht überzeugen. Eine weitere Deutung des Bild-Text-Programms gibt Kurd Fleige: Die Kurie des Domkellners Bock von Northolz von 1579. In: Hildesheimer Heimatkalender 1983, S. 59–61.

Nachweise

  1. Slg. Rieckenberg, S. 849–851, ein Photo.
  2. Photo Roemer-Museum H 6914, H 6928.
  3. Photo StaHi, Bestand 951, Nr. 6169.
  4. Buhlers, Hildesheimer Haussprüche, S. 11–13.
  5. Kd. Hildesheim, Bürgerliche Bauten, S. 152–154.
  6. Bertram, Bischöfe, S. 155 (A).
  7. Schütte, Hildesheimer Hausinschriften, S. 29.

Zitierhinweis:
DI 58, Stadt Hildesheim, Nr. 444† (Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di058g010k0044409.