Inschriftenkatalog: Stadt Hildesheim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 58: Stadt Hildesheim (2003)

Nr. 352 Almstor / Rathaus / Roemer-Museum 1546

Beschreibung

Zwei Steintafeln vom ehemaligen Almstor. Tafel I mit den Inschriften A und B heute in der Nordwand des Rathauses, Tafel II mit Inschrift C im Steinekeller des Roemer-Museums.1) Tafel I befand sich nach Kratz ursprünglich an der Außenmauer des im Jahr 1593 neuzuerbauenden Wallthorgewölbes, stadtauswärts links. Nach Abtragung des Walltorgewölbes wurde sie in die Wand des linken Torpfeilers eingefügt. Tafel II lokalisiert Kratz am rechten Torpfeiler, auch sie war ursprünglich an der Außenmauer des Walltorgewölbes angebracht.2) Tafel I zeigt in einer Bogennische das neue Wappen der Stadt Hildesheim mit der Hildesheimer Jungfrau als Helmzier. Schild und Helm werden von je zwei Putten gehalten. Rechts und links in der Bogenwölbung hängen zwei Täfelchen mit den erhaben ausgeführten Inschriften A, deren Buchstabenfolge nicht sinnvoll zu deuten ist. Inschrift B ist ebenfalls erhaben in der Sockelzone der Tafel ausgeführt, die zweite Zeile der Inschrift ist stark beschädigt. Inschrift C in dreizehn Zeilen erhaben auf Tafel II. Nach den Ziffern und am Ende jedes Distichons ein Kringel in der Form einer rechtsschräg gelegten Drei (vgl. Nr. 358 u. 359).

Inschrift B ergänzt nach DBHi, HS C 761.

Maße: Tafel I: H.: ca. 95 cm; B.: 40 cm; Bu.: ca. 1,5–2,5 cm (A), ca. 4 cm (B). Tafel II: H.: 94 cm; B.: 55,5 cm; Bu.: 3 cm (C).

Schriftart(en): Hebräische Buchstaben (A), Kapitalis (B, C).

Christine Wulf [1/2]

  1. A

    אצד[...]עשב / לד[.]בכ[...] // תוע[.] ןעבתו / עכ די לש3)

  2. B

    ANNO. DOMINI. M. D. XLV[Ia) · / P]APA I(N)[FE]RE(N)TE BEL(LVM)b) [I]N P(RO)FITENTES EVA(N)G[E(LIVM)]

  3. C

    EX PSAL. CXXVII. ET CXIX. / QVOD STRVIS ET COELO / CERTAS EDVCERE MOLEM / FRVSTRA ERIT HOC CON/DAT NI DEVS AVTOR OPVS. / NVLLA TVI NOBIS VENIENT / OBLIVIA VERBI / CETERA PRETEREVNT SED / TVA DICTA MANENT. / NON DOMVS IPSA SIBI NON / VRBS CREAT IPSA PATRONOS / FOELICES CIVES DATQVE / FACITQVE DEVS.4)

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1546, als der Papst den Bekennern des Evangeliums den Krieg brachte. (B)

Aus den Psalmen 127 und 119. Was immer du baust und wenn du bestrebt bist, einen gewaltigen Bau bis zum Himmel emporzuführen, es wird vergeblich sein, wenn nicht Gott als Urheber das Werk gründet. Dein Wort werden wir nicht vergessen, das übrige vergeht, aber deine Worte bleiben. Weder das Haus noch die Stadt schafft für sich die Schutzpatrone, vielmehr gibt und macht allein Gott glückliche Bürger. (C)

Versmaß: Drei elegische Distichen (C).

Wappen:
Altstadt Hildesheim, neu*

Kommentar

Inschrift D ist in einer ausgewogenen proportionierten Kapitalis ausgeführt mit Linksschrägenverstärkung bei A, M, N, V und X; O überwiegend mit Bogenverstärkung.

Inschrift A ist nicht sinnvoll zu deuten, B nimmt wahrscheinlich Bezug auf den Schmalkaldischen Krieg 1546/47, in dessen Zusammenhang die Befestigung der Stadt verstärkt wurde.5) Für die Inschrift C lassen sich zwei Psalmendichtungen Philipp Melanchthons als Quelle nachweisen: Das erste und das dritte Distichon gehen auf das 1524 entstandene Gedicht über den 127. Psalm zurück, das mittlere stammt aus dem Gedicht Sermo tuus nunquam ... über den 119. Psalm aus dem Jahr 1526.6)

Textkritischer Apparat

  1. M. D. XLV[I ] Kratz überliefert für das Almstor ohne Angabe eines Textzusammenhangs noch die Jahreszahl M . DXCVI mit der Angabe unter dem Wappenschilde. Es handelt sich dabei wahrscheinlich um eine naheliegende Verschreibung der zu Inschrift B gehörenden Jahreszahl.
  2. BEL(LVM)] BELLO HS C 761.

Anmerkungen

  1. StaHi, Bestand 717, Nr. 1–8: Inventar Kampen Nr. 701; Nr. 211.
  2. Kratz in: DBHi, HS C 28, Kapitel VI Almstor und Mühle, S. 2; Mithoff (Kunstdenkmale, S. 183) gibt als Standort das äußere Walltorgewölbe an, zu dessen beiden Seiten die Tafeln angebracht waren; vgl. auch: Beiträge zur Hildesheimischen Geschichte 1, S. 320f.
  3. In der älteren Überlieferung (Sonntagsblatt, Kd.) sind diese Buchstabenfolgen mit der Bibelstelle Jer. 29,7 ‚Sucht der Stadt Bestes‘ und Spr. 22,22 ‚Im Tore unterdrücke nicht den Armen‘ in Verbindung gebracht worden; diese Deutungen lassen sich aber mit dem Befund nicht vereinbaren.
  4. Das letzte Distichon ist mit identischem Wortlaut in Einbeck am Haus Marktstr. 2 angebracht, vgl. DI 42 (Einbeck), Nr. 84.
  5. Näheres dazu in Kd. Hildesheim, Bürgerliche Bauten, S. 19, allerdings ohne ausdrückliche Erwähnung des Almstors.
  6. Philippi Melanthonis Opera, ed. Carolus Gottlieb Bretschneider. Corpus Reformatorum Bd. 10, Halle. 1842, S. 488, Nr. 27, Verse 1f. u. 13f.; S. 509, Nr. 67, Verse 15 u. 26. – Bereits Anton Moeker hat auf Melanchthon als Autor dieser Verse hingewiesen: Antonius Moekerus: Hyldesia Saxoniae. Frankfurt/M. 1573, fol. 41r.

Nachweise

  1. DBHi, HS C 761, o. S. (B, C).
  2. DBHi, HS C 28, Kapitel VI Almstor und Mühle, S. 1f. (B, C).
  3. Beiträge zur Hildesheimischen Geschichte 1, S. 319–322.
  4. Hildesheimer Sonntagsblatt 1868, S. 229.
  5. Mithoff, Kunstdenkmale, S. 184 (B, C).
  6. Kd. Hildesheim, Bürgerliche Bauten, S. 265 (B, C).
  7. Slg. Rieckenberg, S. 774f.

Zitierhinweis:
DI 58, Stadt Hildesheim, Nr. 352 (Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di058g010k0035206.