Inschriftenkatalog: Stadt Hildesheim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 58: Stadt Hildesheim (2003)

Nr. 334(†) Roemer-Museum 1540

Beschreibung

Steintafeln des ehemaligen Brunnens „Piepenborn“ auf dem Altstädter Marktplatz vor dem Rathaus. Der Brunnen wurde bei der Errichtung der Tiefgaragenanlage unter dem Marktplatz im Jahr 1984 abgebaut und in Anlehnung an den alten Brunnen und nach alten Vorlagen neu gebaut.1) Die heute oberflächlich weitgehend zerstörten Tafeln des alten Brunnens liegen im Steinekeller des Roemer-Museums.2) In der Mitte des achteckigen Brunnenbeckens befand sich auf einer achteckigen Säule mit vier Wasserspeiern die Figur eines Schildträgers. Das achteckige Brunnenbecken war an den äußeren Seitenflächen mit Steinplatten und an den Ecken mit Dreiviertelsäulen verziert. Auf sechs der Steinplatten waren im Halbrelief jeweils paarweise angeordnete Halbfiguren von Helden aus dem Alten Testament dargestellt: Jephta und Samson; Josaphat und Amasias; Josua und Gideon; Abia und Asa; Jonathan und David sowie Ezechias (Hiskia) und eine Figur in patrizischer Kleidung. Die Figuren waren mit Ausnahme der letzten durch links oder rechts neben den Köpfen angebrachte Namenbeischriften und durch Angabe des sie erwähnenden Bibelkapitels identifiziert. Die erhaben vor vertieftem Hintergrund ausgeführten Inschriften sind abgesehen von Inschrift A, die auf der Tafel mit den Darstellungen Jephtas und Samsons angebracht ist,3) nicht mehr lesbar. Sie waren bereits im 19. Jahrhundert so stark zerstört, daß Kratz keine von ihnen4) und Mithoff lediglich B wiedergibt. Die übrigen beiden nach Westen und nach Osten gelegenen Tafeln tragen jeweils ein Wappen: die eine das neue Wappen der Stadt Hildesheim, gehalten von zwei Engeln, darunter die Jahreszahl C; die andere einen ebenfalls von zwei Engeln gehaltenen Wappenschild, dessen Inhalt schon im 19. Jahrhundert nicht mehr zu erkennen war. Nach Kratz5) waren an den Deckgesimsen von zwei nach Osten gelegenen Tafeln zwei eingehauene Monogramme (D) mit je einem Meisterzeichen (M11, M12) angebracht. Ein Monogramm HS ist auf der Tafel mit der Darstellung des Ezechias und der Figur in patrizischer Kleidung noch erhalten, das zugehörige Meisterzeichen hingegen ist nicht mehr erkennbar.

Im Rahmen der Rekonstruktion des Brunnens in den Jahren 1985ff. wurden die Inschriften nach Holzschnitten des Georg Pencz,6) die als Vorlagen der ursprünglichen Tafeln ermittelt werden konnten,7) neu gehauen.8)

Inschrift B nach Mithoff, D ergänzt nach DBHi, HS C 27.

Maße: Bu.: 2,4 cm (A), 4,5 cm (D).

Schriftart(en): Gotische Minuskel (A); Kapitalis (D).

  1. A

    [J]epte / [ - - - ] // Samso[n] / [ - - - ]

  2. B †

    Josua / .... 8 cap // Gedion / Judica) cap .. b) 8

  3. C

    15 40.

  4. D

    [H. W.] / H. S.

Wappen:
Altstadt Hildesheim, neu*;?9)

Kommentar

Das Text-Bild-Programm des Hildesheimer Marktbrunnens entspricht in seinen Grundelementen – Darstellung biblischer Figurenpaare mit namentlicher Bezeichnung und Angabe des zugehörigen Bibelkapitels –, nicht aber in der Auswahl der Figuren dem des ehemaligen Marktbrunnens in Hannover von 1551.10) Aus den Vorlagenholzschnitten des Georg Pencz († 1550) wurden für die Tafeln des Hildesheimer Marktbrunnens die Brustbilder der alttestamentlichen Figuren sowie die Namenbeischriften und die Bibelkapitel übernommen.

Die Initialen der Inschrift D hat Zoder mit den Namen von zwei in den Stadtrechnungen nachzuweisenden Handwerkern in Verbindung gebracht: H W stehe für den Steinmetzen Henni Warneke, der von 1539 bis 1545 für Arbeiten am „Piepenborn“ bezahlt worden sei. H S hat er als Signatur des Gießers Hans Stapel aufgefaßt, der 1545 für seine Arbeiten am „Piepenborn“ vom Rat entlohnt worden sei.11) Für die technische Planung des Brunnens war, wie Doebner aus den Annalen des Lüchtenhofs nachgewiesen hat, wahrscheinlich der Braunschweiger Meister Barward Tafelmaker verantwortlich, auf den mehrere Brunnenbauten u. a. in Tangermünde und Berlin zurückgehen.12) Der Marktbrunnen wurde am 29. September des Jahres 1540 in Betrieb genommen.13)

Textkritischer Apparat

  1. Judic] Judit Mithoff.
  2. Punkte so bei Mithoff.

Anmerkungen

  1. Vgl. Walter Nothdurft: Der Brunnen auf dem Altstädter Marktplatz. In: Günter Hein (Hg.): Wasserkunst und Wasserwerk. Hildesheimer Wasserversorgung im Wandel der Zeit. Hildesheim 1992, S. 40–45, hier S. 43.
  2. StaHi, Bestand 717, Nr. 1–8: Inventar Kampen, Nr. 431–438.
  3. Diese Tafel ist aus einer älteren Grabplatte (vgl. Nr. 235) hergestellt worden.
  4. DBHi, HS C 27, Rathausplatz, S. 1–3.
  5. DBHi, HS C 27, Marktbrunnen, S. 2.
  6. Georg Pencz, Die Ehrenport der zwelff Sieghafften Helden des alten Testaments. Vgl. F. W. Hollstein: German Engravings, Etchings and Woodcuts. Bd. 31. Roosendal 1991, S. 138–141, Nr. 22–24.
  7. Vgl. Nothdurft (wie Anm. 1), S. 43–45.
  8. Neben Jephta und Samson: Jepte / Judicu(m). / 11. 12. // Samson / Judicu(m). / 15. 16. – Neben Josua und Gideon: Josua. / Josue. 6. 8. 10. 11. // Gedion / Judicu(m). 7. 8. – Neben Abia und Asa: Abia. / 2. par. 13. // Assa / 3. Reg. 15. et /2. par. 14. – Zwischen Jonathan und David: Jonathan. / 1. Regu(m). 14. // David. 1. Regu(m). 17. 23. / 30 / 2. Regu(m). 8. 10. – Neben Josaphat und Amasias: Josaphat. / 2. para. 20. // Amazia / 2. para. 25. – Zwischen Ezechias und der nicht namentlich identifizierten Figur: Ezechias. / 4. Regu(m). 18. 19. / et. 2. para. 29. / 32. ese. 36. 37.
  9. Der Wappenschild der ursprünglichen Steintafel läßt heute keinerlei Relief mehr erkennen, lediglich eine Spaltlinie scheint vorhanden. Daher ist nicht ausgeschlossen, daß es sich um das Wappen des Bistums Hildesheim handelt (gespalten). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 1, Abt. 5,1, S. 33f. u. Tafel 62. Nach Mithoff zeigten beide Wappenschilde das Wappen des Hochstifts.
  10. Vgl. DI 36 (Stadt Hannover), Nr. 94. Das Text-Bild-Programm des Hannoveraner Brunnens läßt sich nicht vollständig auf die Holzschnitte des Georg Pencz (vgl. Anm. 6) zurückführen.
  11. Rudolf Zoder: Meister H. W. Der Schöpfer des Hildesheimer Marktbrunnens? In: Alt-Hildesheim 22 (1951), S. 31–34.
  12. Doebner, Studien, S. 233f.
  13. Vgl. Joachim Brandis’ Diarium, S. 49.

Nachweise

  1. Mithoff, Kunstdenkmale, S. 182 (B).
  2. DBHi, HS C 27, Marktbrunnen, S. 2.
  3. Kd. Hildesheim, Bürgerliche Bauten, S. 387f. (B, D) – Slg. Rieckenberg, S. 754f.

Zitierhinweis:
DI 58, Stadt Hildesheim, Nr. 334(†) (Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di058g010k0033408.