Inschriftenkatalog: Stadt Hildesheim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 58: Stadt Hildesheim (2003)

Nr. 307† Heilig Kreuz 1524?

Beschreibung

Grabplatte für den Propst Tilo Brandis. Bronze.1) Die Platte wurde zusammen mit einigen anderen Gegenständen aus Metall zu Beginn des 19. Jahrhunderts verkauft. Der Verstorbene war in Lebensgröße im Flachrelief dargestellt, er hielt in jeder Hand ein Buch. In den vier Ecken der Platte waren die Evangelistensymbole angebracht. Über dem Kopf des Verstorbenen eine halbrunde Tafel mit der Inschrift A und dem nicht beschriebenen Wappen der Familie Brandis, unmittelbar über dem Kopf die Inschrift B.

Inschriften nach StaHi, Bestand 52, Nr. 183.

  1. A

    Tilo Brandes J(uris) U(triusque) Doctori P(rae)p(osi)to hujus et Hildes(iensis) Eccl(esiae) Canon(ico) Diac(ono) Jurisprudentiae per Germaniam celeber(rimo) antistitisa) Consultori Studiorum pietatis et eo denique patriae ornamento ab hujusce usura lucis post egregia consilior(um) edita monumenta inter fortunae procellas summa cum laude in coelum immigrantib) amici cum lacrimis bene merenti posuerunt Obiit autem V. Jul(ii) A(nno) M · D · XXIII[I]c) ·

  2. B

    Aetatis Suae LXXVIII2)

Übersetzung:

Dem Tilo Brandis, Doktor beider Rechte, Propst, dieser und der Hildesheimer (Dom-)Kirche Kanoniker, Diakon, dem in ganz Deutschland hochberühmten Juristen, dem Ratgeber des Bischofs, einer Zierde der Wissenschaften, der Religion und dadurch schließlich seiner Vaterstadt, der, nachdem er inmitten der Stürme des Schicksals hervorragende Zeichen besonnenen Handelns gesetzt hat, aus der Nutzung dieses Lichtes [d. h. aus diesem Leben] unter höchstem Lob in den Himmel eingegangen ist, haben seine Freunde unter Tränen [dieses Grabdenkmal] errichtet, wie er es wohl verdiente. Er starb am 5. Juli im Jahr 1524. (A)

Im Alter von 78. (B)

Wappen:
Brandis

Kommentar

Tilo Brandis wurde 1445 oder 1446 geboren und wahrscheinlich bei den Brüdern vom Gemeinsamen Leben erzogen. 1463 immatrikulierte er sich in Erfurt, später studierte er in Köln, wo er den Magistergrad erwarb, sowie in Leipzig3) und in Padua, wo er zum Doktor beider Rechte promoviert wurde. In den Jahren 1470 bis 1475 hielt er sich zu Studienzwecken in Rom auf. Er erhielt in Hildesheim eine Pfründe an St. Andreas und im Jahr 1472 – als Bürgerlicher – ein Kanonikat am Dom sowie das Amt des Archidiakons in Stöckheim. Außerdem wurde er Propst in Nörten, im Jahr 1479 erhielt er die Propstei an Heilig Kreuz.4) Brandis gründete das Collegium Saxonicum an der Universität Erfurt,5) wo acht Studenten aus der Region Wohnung und Unterhalt gewährt wurde. In den Jahren 1473 bis 1502 war er an mehreren Prozessen als Prokurator der römischen Rota beteiligt.6)

Textkritischer Apparat

  1. antistitis] antistiti StaHi, Bestand 52, Nr. 183.
  2. immigranti] Letztes i aus e vom Schreiber hergestellt.
  3. XXIII[I]] XXIII Das in der Überlieferung genannte Todesjahr beruht sicher auf einem Transkriptionsfehler. Nach den Angaben in Henning Brandis’ Diarium starb Tilo Brandis am 5. Juli 1524 (S. 249).

Anmerkungen

  1. Material und Beschreibung nach DBHi, HS C 28, S. 9f.
  2. Möglich ist auch die Übersetzung ‚in seinem 78. Lebensjahr‘.
  3. Matrikel Erfurt, Bd. 1, S. 294, Zeile 29; Matrikel Köln, Bd. 1, S. 694, Nr. 19 (der Erwerb des Magistergrads läßt sich aus der Kölner Matrikel nicht belegen); Matrikel Leipzig, Bd. 1, S. 259, Zeile 47 (hier im Sommersemester 1466 als Magister genannt).
  4. Vgl. Henning Brandis’ Diarium, S. 40f. (mit Angabe der Kosten des Studiums); Hänselmann in: Henning Brandis’ Diarium, Einleitung, S. VI; Lüntzel, Geschichte 2, S. 598f. Asch nennt abweichend 1483 als Beginn der Amtszeit des Propsts Tilo Brandis (Asch, Kreuzstift, S. 35).
  5. Matrikel Erfurt, Bd. 1, S. 694, Zeile 19.
  6. Hilling, Rota, S. 45, 72, 74, 76, 87, 89, 109.

Nachweise

  1. StaHi, Bestand 52, Nr. 183, fol. 193f.
  2. Brandt, Inventar Heilig Kreuz, S. 146.

Zitierhinweis:
DI 58, Stadt Hildesheim, Nr. 307† (Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di058g010k0030701.