Inschriftenkatalog: Stadt Hildesheim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 58: Stadt Hildesheim (2003)

Nr. 254† St. Michaelis 14.–15. Jh.?

Beschreibung

Tafel. Die von Kratz in einer Zeichnung wiedergegebene nahezu quadratische Tafel1) wurde im Jahr 1543 von Hildesheimer Bürgern zerschlagen. Sie zeigte im gerahmten Innenfeld im Zentrum einen größeren Kreis, der von vier kleineren umgeben war. Jeder Kreis umschloß im Innenfeld eine Inschrift, eine weitere befand sich jeweils auf dem Kreisrahmen. Der zentrale, dem Gedächtnis an den heiligen Bernward gewidmete Kreis war im Innenfeld mit Inschrift A gefüllt, B war im Kreisrahmen angebracht. Links oben der Kreis zum Gedenken an Thangmar, den Lehrer Bernwards, mit Inschrift C im Innenfeld und Inschrift D im Rahmen. Der dem Abt Goderam zugedachte Kreis rechts oben schloß im Innenfeld Inschrift E ein, auf dem Rahmen D. Unten links der Kreis des dritten Abts von St. Michaelis, Segebert, mit Inschrift G im Innenfeld und H im Rahmen. Unten rechts der an Abt Theoderich erinnernde Kreis mit Inschrift I im Innenfeld und K im Rahmen.

Inschriften nach Kratz (Zeichnung).

  1. A

    Est Dux beatus Bernwardus canonizatus Comes de Sommerschenborg natus Angelis associatus Praesul pacis sucurrens turbatis

  2. B

    + Isti quinq(ue) sunt prostrati terrae gremio conservati incorrupti jubilant Amen

  3. C

    Hic fuit Magister Sancti Bernwardi Fundatoris nostri

  4. D

    Tagmarus Decanus Summi templi Hildesiensis

  5. E

    Hic fuit filius Marcho(n)is Doctor et p(re)positus sum(m)i templi Coloniensis postea profess(us) M(o)n(aste)rij S. Pantaleonis in Colonia

  6. F

    Goderammus primus Abbas S. Michael(is)

  7. G

    Hic fuit Doctor decretorum probae et sanctae vitae

  8. H

    Segebertus tertius Abbas

  9. I

    Hic fuit Magister artiu(m) Canonizationem S(ancti) Bernwardi Infula(m)2) et Sandalia cum alijs privilegijs obtinuit

  10. K

    Theodericus decimus Abbas

Übersetzung:

Dies ist der fromme Führer Bernward, der heiliggesprochen wurde, geboren als Graf von Sommerschenburg und mit den Engeln vereinigt, ein Bischof des Friedens, der den Bedrängten hilft. (A)

Diese fünf sind bestattet und im Schoß der Erde bewahrt worden, unverwest haben sie teil am Jubel [im Himmel]. Amen. (B)

Dieser war der Lehrer des heiligen Bernward, unseres Stifters: Thangmar, Dechant der Hildesheimer Domkirche. (C, D)

Dieser war Sohn eines Markgrafen, Lehrer und Propst an der Domkirche in Köln, später Mönch im Kloster Sankt Pantaleon in Köln: Goderam, erster Abt von St. Michaelis. (E, F)

Dieser war Doktor der Rechte, von rechtschaffener und heiliger Lebensführung: Segebert, der dritte Abt. (G, H)

Dieser war Magister artium. Er erreichte die Kanonisation des heiligen Bernward [und erhielt] die Inful und die Sandalen zusammen mit anderen Privilegien: Dietrich, der zehnte Abt. (I, K)

Versmaß: Unregelmäßig gefüllte Zeilen mit zweisilbigem Endreim (A); Stabat mater-Strophe (B).

Kommentar

Die Tafel diente dem Gedenken an Bischof Bernward († 1022), an den ersten Abt von St. Michaelis, Goderam († 1030),3) an den dritten, kaum bezeugten Abt Segebert und an den zehnten Abt Dietrich (resigniert 1204).4) Als fünfter ist der nicht unmittelbar zu St. Michaelis gehörende Thangmar genannt, der als Domscholaster den späteren Bischof Bernward ausgebildet und noch zu dessen Lebzeiten einen Teil seiner Vita verfaßt hat. Unter Abt Dietrich wurde Bernward im Jahr 1193 heiliggesprochen. Im selben Jahr gestattete Papst Cölestin III. diesem Abt, an hohen Festtagen Mitra und Ring5) – nicht wie in der Inschrift gesagt Mitra und Sandalen – zu tragen. Am 20. Mai 1200 wurde diese Erlaubnis allgemein auf die Äbte des Michaelisklosters ausgedehnt.6)

Einen Anhaltspunkt zur Datierung der Gedenktafel gibt die Bezeichnung Bernwards als Comes de Sommerschenborg. Dieser Geschlechtername erscheint in den Handschriften der Vita Bernwardi erst im 14. Jahrhundert.7)

Anmerkungen

  1. Kratz entnahm die Zeichnung „aus den Original-Acten, welche bei Führung eines Processes gegen den Rath der Stadt Hildesheim von Seiten des Klosters nach den Reichskammergerichten zu Speier und Wezlar geschickt waren“ (Kratz, Dom 3, nach S. 96). – Die Beschreibung erfolgt aufgrund der Zeichnung bei Kratz.
  2. ‚Infula‘ hier im Sinne von ‚Mitra‘ verwendet. Die Mitra wurde an Äbte vielfach als Auszeichnung für besondere Verdienste verliehen, vgl. Joseph Braun SJ: Die liturgischen Paramente in Gegenwart und Vergangenheit. Freiburg 1924, S. 167. Zur Verleihung der pontifikalen Fußbekleidung an Äbte s. ebd., S. 159.
  3. Vgl. Kommentar zu Nr. 159.
  4. UB Hochstift 1, Nr. 594.
  5. Ebd., Nr. 491.
  6. Ebd., S. 554.
  7. Vgl. Kommentar zu Nr. 120, Anm. 1.

Nachweise

  1. Kratz, Dom 3, Abb. nach S. 96 (Zeichnung).

Zitierhinweis:
DI 58, Stadt Hildesheim, Nr. 254† (Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di058g010k0025405.