Inschriftenkatalog: Stadt Hildesheim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 58: Stadt Hildesheim (2003)

Nr. 214 St. Godehard 1495

Beschreibung

Sechs Schlußsteine1) in den Kellergewölben des Südflügels der ehemaligen Konventsgebäude, die heute als Mensa der Rechtspflegeschule genutzt werden. Auf der Südseite des Raumes von Osten nach Westen drei Schlußsteine: Der östliche Stein zeigt im Innenfeld das Bild des heiligen Epiphanius mit Stab, auf einem Steg im Innenfeld Inschrift A1, Inschrift A2 läuft um den Stein herum. Im Innenfeld des mittleren Steins mit der umlaufenden Inschrift B2 Bischof Bernward mit Krummstab, rechts und links der Figur auf einem Steg die Inschrift B1. Auf dem westlichen Stein mit der umlaufenden Inschrift C2 eine stehende Figur im Innenfeld, die durch die weitgehend unleserliche Inschrift C1 auf einem Steg bezeichnet ist. An der Nordseite des Raumes drei weitere Schlußsteine: der östliche Stein mit der umlaufenden Inschrift D zeigt im Innenfeld eine stehende Bischofsfigur mit einem Kirchenmodell; der mittlere Stein mit einer nicht inschriftlich bezeichneten Figur im Innenfeld, umlaufend die Inschrift E. Im Innenfeld des nächsten Steins das Wappen des Klosters St. Godehard, Inschrift F1 umlaufend. Auf diesem Stein ist außen eine weitere Inschrift F2 angebracht. Die Inschriften sind erhaben ausgeführt, die Worttrenner rautenförmig.

Maße: Dm.: 37 cm; Bu.: 4–5 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien in gotischer Majuskel.

Christine Wulf [1/8]

  1. A1

    S(an)ct(us) Ep//iphani(us)

  2. A2

    Muru(m) du(m) statuu(n)t heni(n)ck h[..]maa) cedb) Agnomen siq(ui)de(m) q(ui)uisc) i(n) hage(n)holt

  3. B1

    S(anc)t(us) // berward(us)

  4. B2

    Ne(m)pe manasses op(us)2) rabbi du(m) claud(i)td) (et)e) arc(us) Nec deeratf) m(e)st(e)rg) ha(n)s vir · lapicida / locoh)

  5. C1

    Sanct(us) [......](us)

  6. C2

    Ue(n)tre(m) corda cap(u)ti) pota(n)do g(r)aua(r)ej) cavete Sulphu(r)ek) na(m) d(omi)n(u)s uindicat i(n)gluuie(m)

  7. D

    In celisl) godeh(ar)de tuis p(re)cib(us) bo(n)am) de(n)t(ur) Nobisn) · q(ui) ma(n)ib(us) po(n)de(r)a sustuli(m)(us)

  8. E

    Hoc p(er)suasit op(us) b(r)ockhuse(n)o) mune(re) g(r)atop) E[ - - - ]s

  9. F1

    Qui(n)ge(n)t(is) mille q(ui)nosq) si de(m)pse(r)isq) a(n)nosq) Fr(atr)ib(us) exst(r)vctu(m)r) scito r(e)f(e)c(t)oriv(m)

  10. F2

    A domino he(n)ni(n)go claustru(m) q(u)i t(em)p(or)e tali Eligitur · q(ua)rt(us) vicesem(us) regere3)

Übersetzung:

Der heilige Epiphanius. (A1) Während sie die Mauer errichteten, [kam] Henning [hierher], dessen Beiname „in Hagenholt“ war. (A2)

Der heilige Bernward. (B1) Denn während Rabbi [= der Meister] Manasse das Werk und die Wölbung abschloß, fehlte diesem Ort auch nicht [...] Hans, der Steinmetz. (B2)

Der heilige [...]. (C1) Hütet euch davor, euren Bauch, euer Herz, euren Kopf durch den Trunk zu beschweren, denn der Herr straft die Völlerei mit Schwefel. (C2)

Mögen durch deine Fürbitten, Godehard, uns, die wir die Lasten mit unseren Händen emporgehoben haben, im Himmel Güter gegeben werden. (D)

Dieses Werk hat Brockhusen angeregt durch eine willkommene Gabe [...]. (E)

Wisse, wenn du von 1500 fünf Jahre abziehst [1495]: Zu diesem Zeitpunkt wurden das Refektorium und der Kreuzgang für die Brüder von Herrn Henning errichtet, der zu dieser Zeit als 24. zur Leitung des Klosters [= als Abt] gewählt worden war. (F1, F2)

Versmaß: Elegische Distichen, teilweise einsilbig leoninisch gereimt.

Wappen:
Kloster St. Godehard*

Kommentar

Der in Inschrift F2 als 24. Abt von St. Godehard genannte Henning Kalberg (1493–1535) hat im Jahr 1495 (vgl. F1) das gesamte Refektorium und einen Teil des Kreuzgangs neu bauen lassen. Zu dieser Baumaßnahme gehörte auch ein neuer gewölbter Keller.4)

Die in C2 erwähnte Strafe des Schwefelregens für begangene Sünden verweist auf das Strafgericht über Sodom und Gomorrha Gn. 19,24.

Textkritischer Apparat

  1. Hinter dem a ein hochgestelltes o.
  2. Über c ein Quadrangel, nach d folgt ein hochgestellter Buchstabe.
  3. q(ui)uis] Lesung unsicher, möglicherweise – was sinngemäß naheliegt – cuius.
  4. claud(i)t] t hochgestellt.
  5. Tironisches et.
  6. deerat] r hochgestellt.
  7. Lesung unsicher, das r wahrscheinlich hochgestellt. Angesichts des folgenden Namens Hans scheint es nicht abwegig, an dieser Stelle die niederdeutsche Form m(e)st(e)r aus dem Befund zu konstruieren.
  8. loco] In kleinen hochgestellten Buchstaben ausgeführt.
  9. cap(u)t] t hochgestellt.
  10. g(r)aua(r)e] Das erste a zu zwei Quadrangeln reduziert und hochgestellt.
  11. Sulphu(r)e] h hochgestellt.
  12. Danach ein überflüssiges Zeichen in Form eines hochgestellten us-Kürzels.
  13. bo(n)a] a hochgestellt und zu zwei Quadrangeln reduziert.
  14. Versal-N retrograd.
  15. b(r)ockhuse(n)] o hochgestellt.
  16. g(r)ato] a zu zwei Quadrangeln reduziert und hochgestellt.
  17. Schluß-s hochgestellt.
  18. exst(r)vctu(m)] v hochgestellt.

Anmerkungen

  1. Den Hinweis auf diese Inschriften verdanke ich Herrn Karl Eichwalder.
  2. Die Beziehung zwischen dem Werk Manasses und den Bauarbeiten in St. Godehard ist nicht sinnvoll herzustellen. Manasse baute die Mauern von Jerusalem neu auf (IV Rg. 21,1–18; II Par. 33,1–20). Vielleicht steht Manasse für den leitenden Architekten im Unterschied zu dem im nächsten Vers erwähnten Steinmetzen Hans.
  3. Für wesentliche Hilfe bei der Lesung der Inschriften danke ich Herrn Dr. Harald Drös, Inschriftenkommission Heidelberg.
  4. Vgl. Richard Doebner: Aus der Verwaltung des Abtes Henning Kalberg zu St. Godehard in Hildesheim (1493–1506). In: Doebner, Studien, S. 123–134, hier S. 131.

Zitierhinweis:
DI 58, Stadt Hildesheim, Nr. 214 (Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di058g010k0021401.