Inschriftenkatalog: Stadt Hildesheim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 58: Stadt Hildesheim (2003)

Nr. 199† Dom 1483

Beschreibung

Wandmalerei an der Südseite des Rittersaales. Die Gemälde wurden vermutlich bei der Renovierung des Rittersaales in den vierziger Jahren des 18. Jahrhunderts übermalt. Das Gemälde zeigte in der Mitte die Gottesmutter mit dem Kind, rechts neben ihr kniend Bischof Barthold von Landesberg und Dompropst Eckhard von Wenden sowie weitere geistliche Würdenträger. Über dem Kopf der Maria befand sich eine bereits im 17. Jahrhundert nicht mehr lesbare Inschrift, zu ihren Füßen Inschrift A, unterhalb der Gruppe von Geistlichen Inschrift B. Auf der linken Seite waren die Vasallen sowie Bürger und Bauern mit den Inschriften C–F dargestellt.1)

Inschriften nach Bertram, Bistum.

  1. A

    In matrona tuam dignissima Virgo Maria Suscipe tutelam nos simul et patriam

  2. B

    Biblia commemorat Nabuchodonosor ut bos2) Propter saevitiam mandere foena tulit

  3. C

    Pro patria pugnare jubet lex vimque repulsam Fortia facta patrum saepe peracta docent

  4. D

    Nil melius quam quod jus conservetur et aequum Tempora pacifica quaesumus exagite

  5. E

    Vos absorbetis nostros persaepe labores [ - - - ]a)

  6. F

    Aurea quib) quondam tribuisti saecula mundo Te rogo temporibus contere bella meis

Übersetzung:

Würdigste Jungfrau und Herrin Maria, nimm uns und unser Vaterland in deinen Schutz. (A) Die Bibel erwähnt: Nabuchodonosor hat seiner Wildheit wegen wie der Ochse Heu fressen müssen. (B) Für das Vaterland zu kämpfen befiehlt das Gesetz, und die vollbrachten Heldentaten der Väter lehren, daß sie sich der Gewalt oftmals erwehrt haben. (C) Nichts Besseres [gibt es], als daß Gesetz und Recht bewahrt werden. Wir bitten, bemüht euch um friedliche Zeiten. (D) Ihr zehrt in vielen Fällen auf, was wir mühsam erarbeiten [...]. (E) Der du einst der Welt goldene Zeiten gewährt hast, dich bitte ich, tilge [wenigstens] den Krieg in meinen Zeiten. (F)

Versmaß: Elegische Distichen (A–D, F), Hexameter (E), der zugehörige Pentameter ist offenbar verlorengegangen.

Kommentar

Elbers zufolge sind die Wandmalereien im Jahr 1483 entstanden.3) Die Darstellungen und die zugehörigen Inschriften hat Bertram als Reaktion auf den zwischen Bürgern und Bischof entstandenen Konflikt um die von Bischof Barthold von Landesberg zur Tilgung der Stiftsschulden verhängte Biersteuer gesehen. Der Streit um die Biersteuer (Bierzise) wurde zwar 1482 beigelegt und der Bischof mußte die Sondersteuer zurücknehmen, aber 1483 gab es bereits neue Auseinandersetzungen zwischen Stadt und Bischof, da die Stadt ihre Hilfe bei der Abtragung der Stiftsschulden weiterhin verweigerte. Der Konflikt mündete in die Große Fehde, in der das Stiftsgebiet bis zu ihrer Beilegung im Jahr 1486 Verwüstung und Zerstörung ausgesetzt war.4)

Textkritischer Apparat

  1. Da das folgende Distichon an Gott gerichtet ist, sich von diesem Vers inhaltlich also deutlich absetzt, muß hier bei der Überlieferung ein Pentameter ausgefallen sein.
  2. qui] quae Bertram.

Anmerkungen

  1. Beschreibung nach Bertram, Bischöfe, S. 227.
  2. Zu dem Bild des heufressenden Nabuchodonosor vgl. Dn. 4,30.
  3. Zitiert in Bertram, Bistum 3, S. 146. Die von Bertram benutzte Handschrift der Elbersschen Chronik ist nicht erhalten, so daß das Zitat nicht verifiziert werden konnte.
  4. Näheres dazu s. Bertram, Bischöfe, S. 100, S. 227; Reyer, Geschichte Stadt Hildesheim, S. 42f.; Gebauer, Geschichte 1, S. 130–139.

Nachweise

  1. Bertram, Bistum 3, S. 146.
  2. Letzner, Hildesheimische Chronik, 1. Buch, 1. Teil, 5. Kapitel, S. 49.
  3. DBHi, HS 114b, fol. 59v.
  4. DBHi, HS 116, S. 126f.
  5. Bertram, Bischöfe, S. 227.
  6. Kd. Hildesheim, Kirchen, S. 124f.
  7. Slg. Rieckenberg, S. 628–630.

Zitierhinweis:
DI 58, Stadt Hildesheim, Nr. 199† (Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di058g010k0019903.