Inschriftenkatalog: Stadt Hildesheim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 58: Stadt Hildesheim (2003)

Nr. 130† Kartause 1406 o. später

Beschreibung

Gedenkinschrift für Gerhard vom Berge, Cord von Steinberg und Hans von Schwichelt, die in der Kirche an nicht näher bezeichnetem Ort angebracht war. Der Text der Inschrift ist in allen Überlieferungen sehr fehlerhaft wiedergegeben. Ediert wird im folgenden die älteste greifbare Aufzeichnung in einer emendierten Fassung.

Inschrift nach Letzner.

  1. Christi post Annos L ter X mille tricenos Hisa) octo subdas tunc it in has patrias Concio Carthusiae novae nonb) inscia terrae Ex Argentina post Erfort subit in ima Hildesimensis Antistes Gerdt titulatus Nobilis de monte fundator et est Pater hujus Sunt huic subsidio Cord de Steinbergq(ue) Johannes De Schwichelt fortes fama qui non mediocres Gerd Cord narrati loculo sunt hoc inhumatic) Supplicod) parcee) sibi Rex pief) nateg) Dei Hisa) subvenite dum dicitur ite venite1) Mors tua Christe pieh) miseros qua juste recondisi) Eximat a tenebris hoc peto voce pia Vos qui transitis memores horum rogo sitisj) Semper ut in requie sint Dominum petite

Übersetzung:

Nach fünfzig, dreimal zehn, tausend und dreihundert Jahren der christlichen Zeitrechnung, denen noch acht hinzuzufügen sind [1388]; damals zog in diese Heimatlande [= unsere Heimat] die Schar der Kartause, die das neue Gebiet gut kannte, von Straßburg aus über Erfurt stieg sie in die Tiefe [dieser Gegend] herab. Der Hildesheimer Bischof, genannt Gerhard, Edler vom Berge, ist der Gründer und Vater dieser [Kartause]. Ihm zur Seite stehen Cord von Steinberg und Johannes von Schwichelt, starke und ihrem Ruf nach nicht unbedeutende Männer. Die genannten Gerhard und Cord sind an diesem bescheidenen Ort begraben. Ich bitte, sei ihnen gnädig, barmherziger König, Sohn Gottes. Kommt diesen zu Hilfe, wenn es [im Jüngsten Gericht] heißt: „geht!“ oder „kommt!“. Dein Tod, gütiger Christus, durch den du den Elenden in gerechter Weise ihren Platz zuweist, entreiße sie der Finsternis. Darum bitte ich mit frommer Stimme. Ihr, die ihr vorübergeht, gedenkt, so bitte ich, dieser Männer, und bittet den Herrn, daß sie ewig in Ruhe leben.

Versmaß: Die sprachlich sehr unzulänglichen und prosodisch fehlerhaften Verse bestehen aus teilweise leoninisch gereimten elegischen Distichen (Verse 1–2, 9–10 und 12–15) bzw. daktylischen Hexametern.

Kommentar

Im Jahr 1388 schenkte Bischof Gerhard dem Kartäuserorden Land zur Gründung eines Klosters.2) Die neuzugründende Kartause wurde wohl zunächst von Erfurter Mönchen besiedelt und 1393 dem Orden inkorporiert.3) Daß die ersten Hildesheimer Kartäuser aus Straßburg kamen, wie die Inschrift nahelegt, ist nur noch bei Letzner erwähnt, läßt sich aber aus der übrigen historischen Überlieferung nicht belegen.4) Im Jahr 1522, zur Zeit der Stiftsfehde, wurde die Kartause zum ersten Mal niedergebrannt, 1542 und 1546 im Zuge der reformatorischen Wirren geplündert und während des Dreißigjährigen Kriegs im Jahr 1632 endgültig zerstört. 1659 wurde sie innerhalb der Stadtmauern neu errichtet und 1777 aufgelöst.5)

Cord von Steinberg ist in den Jahren 1373 bis 1393 urkundlich bezeugt,6) er fiel in der Schlacht bei Beinum gegen Herzog Friedrich von Braunschweig.7) Hans von Schwichelt, der in derselben Schlacht gefangengenommen wurde, ist von 1380 bis 1400 urkundlich bezeugt.8) 1390 erhielt er das Amt des Erbmarschalls von Bischof Gerhard verliehen.9) Er starb am 25. April 1406.10) Dieses Datum ist wohl als Terminus post quem für die Anbringung der Inschrift anzusetzen.

Textkritischer Apparat

  1. His] Hic Letzner.
  2. non] non est HS 114b.
  3. Gerd ... inhumati] Fehlt HS 114b.
  4. Supplico] Supplice Letzner; Supplicio HS 116.
  5. parce] Pane Letzner.
  6. pie] Fehlt Letzner, HS 116.
  7. nate] Behrens, nata Letzner.
  8. pie] pia Letzner.
  9. miseros ... recondis] qua miseros juste condis HS 116.
  10. Vos ... sitis] Fehlt HS 114b.

Anmerkungen

  1. Der Text nimmt Bezug auf Mt. 25,34: Venite benedicti Patris mei und Mt. 25,41 discedite a me maledicti.
  2. UB Hochstift 6, Nr. 841; UB Stadt 2, Nr. 675.
  3. Gerhard Schlegel: Anmerkungen zur Geschichte der Kartause Hildesheim. In: Diözese 56 (1988), S. 7–17, hier S. 12; Friedrich Eymelt: Zur Geschichte der Hildesheimer Kartause. In: Diözese 55 (1987), S. 79–88, hier S. 80f.
  4. Eymelt (wie Anm. 3), S. 81; Letzner, Hildesheimische Chronik, 2. Buch, Kapitel 19.
  5. Eymelt (wie Anm. 3), S. 85–87.
  6. UB Hochstift 6, Register S. 1115.
  7. Vgl. Bertram, Bistum 1, S. 349f.
  8. UB Stadt 2, Register S. 723.
  9. Vgl. Jürgen Huck: Hofämter der Bischöfe bzw. Fürstbischöfe von Hildesheim bis zum Ende des 14. Jahrhunderts. In: Diözese 1994, S. 27–90, hier S. 56f.
  10. F. Vogell: Versuch einer Geschlechts-Geschichte des Reichsgräflichen Hauses von Schwicheldt. Bd. 1. Celle 1823, S. 70.

Nachweise

  1. Letzner, Hildesheimische Chronik, 2. Buch, Kapitel 19, S. 374.
  2. Behrens, Herren von Steinberg, S. 19.
  3. DBHi, HS 114b, fol. 69v–70r.
  4. DBHi, HS 116, S. 150.
  5. F. Vogell: Versuch einer Geschlechts-Geschichte des Reichsgräflichen Hauses von Schwicheldt. Bd. 1. Celle 1823, S. 48.
  6. Slg. Rieckenberg, S. 525f., teils Berges.

Zitierhinweis:
DI 58, Stadt Hildesheim, Nr. 130† (Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di058g010k0013000.