Inschriftenkatalog: Stadt Hildesheim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 58: Stadt Hildesheim (2003)

Nr. 82 Dom-Museum um 1314

Beschreibung

Kaselstäbe. Die Kasel,1) auf deren Vorder- und Rückseite die Stäbe heute angebracht sind, wurde erst 1748 angefertigt.2) Die Stäbe stammen von einer im Jahr 1315 für die „Goldene Messe“ gestifteten Kasel.3) Neben den Stäben sind bei der Umarbeitung im Jahr 1748 rechts und links senkrecht übereinander alternierend Wappen und Helmzier der Familie Wohldenberg aufgenäht worden. Der Stab der Rückenseite zeigt in acht Feldern von oben nach unten in Perlstickerei vor grünem Hintergrund: 1. Das Lamm Gottes mit Siegesfahne und Kreuznimbus, aus seiner Brust strömt Blut,4) über der Darstellung auf einem rot hinterlegten Riegel Inschrift A; 2. Brustbild des Petrus mit Schlüssel, darüber Inschrift B; 3. Brustbild eines Heiligen mit Schwert, darüber Inschrift C; 4. Brustbild eines Heiligen mit einem lateinischen Kreuz, darüber Inschrift D; 5. Brustbild eines Heiligen mit Bischofsstab(?) und Muschel(?) – vielleicht Jakobus d. Ä. –, darüber Inschrift E; 6. Brustbild eines Heiligen mit Buch und Messer(?) – vielleicht Bartholomäus –, darüber Inschrift F; 7. Brustbild eines Heiligen mit nicht identifizierbarem Attribut, darüber Inschrift G; 8. Brustbild eines oder einer Heiligen mit Buch, darüber die nicht ursprünglich zur Darstellung gehörende Inschrift H. Auf der Vorderseite der Kasel in fünf untereinander stehenden Feldern Brustbilder: 1. des Evangelisten Johannes mit Buch, darüber Inschrift I; 2. des Evangelisten Matthäus mit Buch, darüber Inschrift J; 3. des Epiphanius(?) mit Buch, darüber Inschrift K; 4. des Bischofs Godehard mit Stab und Buch, darüber Inschrift L; 5. des Bischofs Bernward, darüber Inschrift M. Die Buchstaben der Inschriften sind aus vergoldetem Metall ausgeschnitten und auf den Seidenstoff aufgenäht worden. Vor allem auf der Rückseite fehlen mehrere Buchstaben oder sind vertauscht worden, so daß es nur in einzelnen Fällen möglich ist, die Inschriften zu ergänzen und so die dargestellten Figuren zu identifizieren. Außerdem scheinen einige der Inschriften nicht mehr über den ihnen ursprünglich zugehörigen Figuren zu stehen. Die vorgeschlagenen Ergänzungen sind daher unsicher.

Maße: L. (Rücken): 115 cm; Bu.: 1,8 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

  1. A

    [A]GN[US]

  2. B

    S(ANCTUS)a) [P]E[T]R(US)

  3. C

    A A T

  4. D

    S N N

  5. E

    S AT

  6. F

    A T

  7. G

    S PJ

  8. H

    IAC(OBUS)b)

  9. I

    IOH(ANNES)

  10. J

    MAT(THEUS)

  11. K

    S P J

  12. L

    GOD(EHARDUS)

  13. M

    BER(NWARDUS)

Wappen:
Wohldenberg5)

Kommentar

Die Kasel, auf der sich die Perlstickereien mit den Beischriften ursprünglich befanden, war zusammen mit der zugehörigen Stola und dem Manipel ein Geschenk des Grafen Otto von Wohldenberg für die von ihm im Jahr 1315 gestiftete Goldene Messe, die zu Ehren Marias am Sonnabend in der vollen Woche nach Michaelis gefeiert wurde.6) Im Jahr der Stiftung war Otto Mitglied des Domkapitels und Propst von St. Mauritius. Von 1319 bis 1331 war er Bischof von Hildesheim. Er starb am 3. August 1331.7)

Textkritischer Apparat

  1. S mit Querstrich, um 90o gedreht.
  2. Die Inschrift gehört wohl zu der fünften Figur von oben, die mit Stab und Muschel dargestellt ist.

Anmerkungen

  1. Inv. Nr.: DS 108a–c. Ausführliche Beschreibung und stilkritische Einordnung s. Kat. Kirchenkunst des Mittelalters, S. 30–36.
  2. Näheres zur Umarbeitung der Kasel im 18. Jahrhundert ebd.; s. a. Kratz, Dom 2, S. 259.
  3. Bei der ursprünglichen Kasel handelt es sich wahrscheinlich um die im Domschatzinventar von 1438 erwähnte rot syden casule, de is beneyet my golde vnde my der woldenbergeschen wapene (DBHi, HS 272d, fol. 10v). Das Domschatzinventar nennt aber noch eine zweite brun syden casule, de is vul der woldenbergeschen wapene (ebd.).
  4. Der zugehörige Kelch ist verloren.
  5. Wappen Wohldenberg: Schild (schräglinksgelegter roter Turnierkragen in Silber), Topfhelm mit Helmzier (Flug). Es handelt sich nicht – wie in Kat. Kirchenkunst des Mittelalters, S. 31 angegeben – um zwei verschiedene Wappen, sondern um die beiden Teile des Vollwappens Wohldenberg. Zum Wappen Wohldenberg vgl. Wappen 14 und 30 auf dem Quedlinburger Wappenkästchen in: Dietrich Kötzsche (Hg.): Der Quedlinburger Schatz wieder vereint. Berlin 1992, S. 82f. Dort allerdings der Wappenschild in umgekehrten Farben.
  6. Zu der Goldenen Messe vgl. Irmgard Haas: Goldene Messe und Goldenes Huhn. Zur Geschichte einer mittelalterlichen Stiftung am Hildesheimer Dom. In: Diözese 68 (2000), S. 119–182.
  7. UB Hochstift 3, Register, S. 866 und 876; UB Hochstift 4, Register, S. 890.

Nachweise

  1. Kat. Kirchenkunst des Mittelalters, S. 34 (L, M), Abb. S. 32 u. S. 34.
  2. Slg. Rieckenberg, S. 538–542, zwei Photos.

Zitierhinweis:
DI 58, Stadt Hildesheim, Nr. 82 (Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di058g010k0008209.