Inschriftenkatalog: Stadt Hildesheim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 58: Stadt Hildesheim (2003)

Nr. 72 Dom-Museum 2. H. 13. Jh.

Beschreibung

Enkolpion.1) „Jerusalemer Kreuz“.2) Silber, vergoldet. Bei dem in Form eines Vierpasses mit eingestelltem Quadrat ausgeführten, in zwei Teile auseinanderzuklappenden Reliquiar handelt es sich wahrscheinlich um das im Reliquienverzeichnis von 1438 erwähnte vergoldete Silberkreuz mit einer seidene corde, dar auff ist eingegraben ein Crucifix, daß man dem Priester an den Hals hanget, wan man mit den Heiligen gehet.3) Auch wenn diese Beschreibung von einem Seidenband und nicht von einer Kette spricht, also keine sichere Identifizierung mit dem Enkolpion in seiner heutigen Form möglich ist, spricht doch einiges dafür, daß das Kreuz bereits vor 1650 zum Hildesheimer Domschatz gehört hat; denn 1680 ist es neu mit Reliquien bestückt worden, und es wird in diesem Zusammenhang als antiquissima crux bezeichnet.4) Auf welchem Weg das wahrscheinlich in Novgorod entstandene Kreuz nach Hildesheim gelangte, ist unklar. Die auf dem Reliquiar angebrachten Darstellungen sind mit Beischriften versehen, außerdem sind die ursprünglich in ihm enthaltenen Reliquien inschriftlich bezeichnet. Die Außenkanten beider Teile tragen eine Stifterinschrift und ein Gebet. Die Inschriften sind teils geritzt, teils graviert und nielliert. Auf eine Wiedergabe der Texte kann hier verzichtet werden, da Werner Lehfeldt sämtliche auf dem Enkolpion angebrachten Texte ediert und den paläographischen Befund diskutiert hat.5)

Maße: B.: 10 cm; L.: 11 cm; Bu.: 0,15–0,4 cm.

Schriftart(en): Kyrillische und griechische Buchstaben.

Kommentar

Die zeitliche Einordnung der Inschriften folgt Lehfeldt.6)

Anmerkungen

  1. Inv. Nr.: DS 3.
  2. Die Bezeichnung „Jerusalemer Kreuz“ beruht auf der lokalen Tradition, derzufolge der Jerusalemer Patriarch Johann V. dieses Reliquiar Karl dem Großen geschenkt habe, dessen Sohn Ludwig der Fromme es dem Hildesheimer Dom zugeeignet haben soll, vgl. Kratz, Dom 2, S. 16.
  3. Hannover, HSTA, Hild. Br. 2E, Nr. 1731, S. 2 wan man mit den Heiligen gehet meint eine Prozession, bei der man Reliquien mitführt.
  4. Der beigefügte Pergamentzettel nennt folgende Reliquien (zitiert nach Herbert Ludat: Das Jerusalemer Kreuz. Ein russisches Reliquiar im Hildesheimer Domschatz. In: Archiv für Kulturgeschichte 38 [1956], S. 63–91, hier S. 67): Anno 1680 28. Maii sunt inclusae sequentes Reliquiae antiquissimae Cruci quam Sacerdos in Processionibus e collo gestare solet. Grisogorii (Kratz [Dom 2, S. 16] liest Chrysogoni) Martyr(is) S(anctorum) Cosmae et Damiani S(ancti) Berwardi, Particulum de Ligno Christi Dom(ini) S(ancti) Epiphanii S(ancti) Godehardi S(anctae) Mariae Magdalenae S(ancti) Oswaldi Regis et Mart(yris) S(ancti) Pauli Apostoli S(anctae) Speciosae S(anctorum) Tiburtii et Valeriani. Das Inventar von 1680 (Hannover, HSTA, Hild. Br. 2 E, Nr. 1731, o. S.) erwähnt unter den Kreuzen aus Gold und Silber als Nr. 8 ein klein alt silbernes Creutz mitt einer silbernen Kette mitt alter ohnleßbarer schrifft so der Priester in den processionen anhanget.
  5. Werner Lehfeldt: Die altrussischen Inschriften des Hildesheimer Enkolpions. In: Nachrichten der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, I. Phil.-Hist. Klasse Jg. 1999, Nr. 1.
  6. Ebd., S. 30.

Nachweise

  1. Kratz, Dom 2, S. 13–15.
  2. A. M. Ammann SJ: Ein wenig bekanntes byzantinoslawisches Enkolpion aus dem Domschatz in Hildesheim. In: ΕΛΛΗΝΙΚΑ 9 (1955), S. 126–133, hier S. 127–130 (wiederabgedruckt unter dem Titel: ‚Das sogenannte Jerusalemer Kreuz im Hildesheimer Domschatz‘. In: Diözese 24 (1955), S. 93–98, Inschriften S. 94–96).
  3. Herbert Ludat: Das Jerusalemer Kreuz. Ein russisches Reliquiar im Hildesheimer Domschatz. In: Archiv für Kulturgeschichte 38 (1956), S. 63-91, Inschriften S. 69–75, Abb. 1–8.
  4. Werner Lehfeldt: Die altrussischen Inschriften des Hildesheimer Enkolpions. In: Nachrichten der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, I. Phil.-Hist. Klasse Jg. 1999, Nr. 1, S. 6–18 mit Abb. 1–15.
  5. Slg. Rieckenberg, S. 222–260 (teils Berges), mehrere Photos.

Zitierhinweis:
DI 58, Stadt Hildesheim, Nr. 72 (Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di058g010k0007203.