Inschriftenkatalog: Stadt Hildesheim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 58: Stadt Hildesheim (2003)

Nr. 35† St. Godehard 1153

Beschreibung

Sarkophag für Bischof Bernhard. Stein. Das Grab befindet sich im Chor der Kirche. Bei der Öffnung im Jahr 1700 fand man im Sarkophag eine Steintafel mit Inschrift A, die als Unterlage für den Kopf des Verstorbenen diente, und Inschrift B auf dem Sarkophag-Deckel. Die Inschriften sind in einer nachzeichnenden Transkription in einem Notariatsinstrument überliefert, das die Öffnung des Grabes protokolliert.1) In diesem Notariatsinstrument sind auffallenderweise weder Inschrift C noch die ursprüngliche Fassung von D erwähnt. Der Text von C wird ohne Angabe des Inschriftenträgers zuerst in der im 15. Jahrhundert entstandenen ‚Vita Bernhardi ... auctore Johanne’, dann von Johann Georg Elbers († 1679) in der Handschrift DBHi, HS 101 als Epitaph Bischof Bernhards am Schluß der Vita überliefert. In den chronikalischen Handschriften des 18. Jahrhunderts heißt es, die Inschrift habe sich auf einem Stein im Inneren (des Grabes?) befunden.2) Die Verse sind übrigens in der Überlieferung vielfach – so auch von Kratz – nicht als Epitaph Bischof Bernhards, sondern als weitere Grabschrift für Bernward angesehen worden.3) Daher ist es zweifelhaft, ob das Epitaph C tatsächlich inschriftlich ausgeführt war. Die als Umschrift auf der abgeschrägten Kante der 1745 angefertigten, heute im Chor von St. Godehard liegenden Grabplatte eingehauene Inschrift4) entspricht nach Kratz derjenigen, die früher in „lateinischen Messinglettern ... um diesen Stein ... zu lesen“ war.5) Es ist jedoch fraglich, ob sie den genauen Wortlaut der ursprünglichen Grabschrift bewahrt, denn die obengenannte Bernhard-Vita überliefert eine Prosa-Grabschrift, die in Einzelheiten abweicht (D). Aus der Überlieferung geht aber nicht hervor, daß dieser Text inschriftlich ausgeführt war. Folglich muß auch für Inschrift D offenbleiben, ob sich der Text tatsächlich auf einer mittelalterlichen Grabplatte befand.

Inschrift A nach DBHi, HS 124b; B nach Zeichnung Bertram, Bischöfe; C und D nach DBHi, St. God. Nr. 7.

Schriftart(en): Romanische Majuskel (B).6)

  1. A †?

    + · ANNO · DOMINICE · INCARNATIONIS · / M · C · L · III · INDICT(IONE) · I · O(BIIT) · DOMNVS · / BERNHARDVS · BEATE · MEMORIE · HILDENESH(EMENSIS) · EP(ISCOPV)Sa) · XX(VS)7) · XIII · K(A)L(ENDAS) AVGVSTI8) · QVIb) SEDIT · ANNOS · XXIII · MENSES · II · DIES · X

  2. B †?

    + XIII · K(A)L(ENDAS) · AVG(VSTI)c)8) · O(BIIT) · DOMNVSd) · BERNHARD(VS) · EP(ISCOPV)Sa) · FVNDATORe) · LOCIf) · HVI(VS) ·

  3. C †

    Bernhardus presul celestis culminis exul Istic dum viveret ne christi luce careret Omnia cernenti studuit parere parenti Miraculis clarus iacet hic christog) bene carus Cui deus in celis rapto ductu michaelis dignum celicolis prestitit esse suis

  4. D †

    Bernhardus comes de walleshusen vicesi(m)(us)7) ep(iscop)us hildensemensis fundator hui(us) templi obyt terciodecimo kalendas augusti8) · et hic requiescith) ·

Übersetzung:

Im Jahr der Menschwerdung des Herrn 1153 in der ersten Indiktion starb Herr Bernhard seligen Angedenkens, 20. Bischof von Hildesheim, am 13. Tag vor den Kalenden des August. Er residierte 23 Jahre, zwei Monate und zehn Tage. (A)

Am 13. Tag vor den Kalenden des August starb Herr Bernhard, Bischof [und] Begründer dieses Ortes. (B)

Als Bischof Bernhard [noch außerhalb] des hohen Himmels hier [auf diese Erde] verbannt lebte, bemühte er sich, um das Licht Christi nicht entbehren zu müssen, dem Vater, der alles wahrnimmt, zu gehorchen. Jetzt liegt er hier, berühmt durch seine Wunder und Christus sehr teuer. Ihm, der diesem Leben entrissen und vom heiligen Michael in den Himmel geleitet wurde, gewährte Gott dort, seiner himmlischen Mitbewohner würdig zu sein. (C)

Bernhard, Graf von Walshausen, 20. Bischof von Hildesheim, Gründer dieser Kirche, starb am 13. Tag vor den Kalenden des August und ruht hier. (D)

Versmaß: Verse 1–5 zweisilbig gereimte leoninische Hexameter, Vers 6 ein Pentameter, einsilbig leoninisch gereimt (C).

Kommentar

Bischof Bernhard I. stand seinem Bistum von 1130 bis 1153 vor.9) Zu Beginn seiner Amtszeit erwirkte er die Heiligsprechung Godehards, dessen Translation am 4. Mai 1132 erfolgte (vgl. Kommentar zu Nr. 40). Ein Jahr später, am 16. Juni 1133, legte Bischof Bernhard im Süden der Domburg den Grundstein zum St. Godehardkloster (OSB), wo er am 20. Juli 1153 starb und, wie es einem Stifter gebührte, im Chor begraben wurde. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts verfaßte der Konventuale Johannes aus St. Godehard eine Vita mit dem Ziel, die Heiligsprechung des Stifters zu fördern.

Textkritischer Apparat

  1. EPC.
  2. XIII ... QVI] Fehlt HS 124b, ergänzt nach Kd., S. 243. Auch die deutsche Übersetzung des Notariatsinstruments (vgl. Anm. 1) enthält dieses Textstück, so daß von einer fehlerhaften Wiedergabe in der Handschrift auszugehen ist.
  3. AVG(VSTI)] V klein und hochgestellt.
  4. DOMNVS] DOMM(VS) HS 124b.
  5. FVNDATOR] O klein unter dem Balken des T.
  6. LOCI] O klein über dem Balken des L, I in C gestellt.
  7. xpisto.
  8. et hic requiescit] et hic miraculis clarus requiescit HS 114b, HS 116, et hic miraculis clarus iacet Lüntzel.

Anmerkungen

  1. DBHi, HS 124b ‚Vita sive Res gestae Beati Bernhardi ...‘ überliefert S. 161–170 eine Abschrift des Notariatsinstruments. Das Original war nicht aufzufinden. Eine Übersetzung ist veröffentlicht in: Beiträge zur Hildesheimischen Geschichte 1, S. 61–64. – Eine weitere Öffnung des Grabes fand am 15. 10. 1862 statt.
  2. DBHi, St. God. Nr. 7 ‚Vita Bernhardi ep. Hildeshemensis auctore Johanne‘, fol. 12v; DBHi, HS 101, S. 146; DBHi, HS 114b, fol. 67v: cujus Lapis Sepulchralis; DBHi, HS 116, S. 146: Cujus Lapis Sepulchralis inferior sequentem habet.
  3. DBHi, HS C 26b, S. 94 überliefert Kratz: BERNWARDVS PRESVL ...; vgl. auch Calvör, Saxonia, § 249 Bernwardus Praesul ... .
  4. B(EATVS) · BERNHARDVS · COMES · DE / WALLESHVSEN · EP(ISCO)PVS HILDESIENSIS · XXI · HVIVS / MONASTERII · FVNDATOR · OBIIT · / MCLIII · XX IVL(II) · MIRACVLIS CLARVS HIC QVIESCIT ‚Der selige Bernhard, Graf von Walshausen, 21. Bischof von Hildesheim, Gründer dieses Klosters, starb im Jahr 1153 am 20. Juli. Hier ruht er, durch Wunder berühmt.‘ Zum Wortlaut der Inschrift ist zu bemerken, daß Bernhard nicht aus dem Geschlecht der Grafen von Walshausen stammt. Der Irrtum beruht wahrscheinlich auf der Nachricht im Chronicon Hildesheimense (S. 855), daß er einen Teil seines Besitzes in Walshausen zur Aufbesserung der Domkapitelspfründen stiftete. Vgl. Goetting, Bistum Hildesheim, S. 340.
  5. DBHi, HS C 26a, S. 20.
  6. Schriftbestimmung nach Zeichnung Bertram, Bischöfe, S. 54.
  7. Das Chronicon Hildesheimense führt Bernhard als 20. (S. 855) in der Hildesheimer Bischofsliste, da Bruning (1114–1119) dort nicht gezählt wird, weil er die Bischofsweihe nicht erhalten hatte. Tatsächlich war Bernhard der 21. Hildesheimer Bischof.
  8. 20. Juli.
  9. Das Folgende nach Goetting, Bistum Hildesheim, S. 339–383.

Nachweise

  1. DBHi, HS 124b, S. 164, 165f. (A, B).
  2. Bertram, Bischöfe, S. 54 (A, B mit Zeichnung auf Tafel 3, C).
  3. DBHi, St. God. Nr. 7, fol. 12v (C, D).
  4. DBHi, HS 101, S. 146.
  5. DBHi, HS 114b, fol. 67v (C, D).
  6. DBHi, HS 116, S. 146 (C, D).
  7. DBHi, HS C 26a, S. 20f. (A, B, D).
  8. Lüntzel, Geschichte 1, S. 451, Anm. 3.
  9. Mithoff, Kunstdenkmale, S. 147 (C, D).
  10. Bertram, Bistum 1, S. 167f. (B mit Zeichnung, C).
  11. Kd. Hildesheim, Kirchen, S. 243 (A, B, C).
  12. Slg. Rieckenberg, S. 203–205, ein Photo.

Zitierhinweis:
DI 58, Stadt Hildesheim, Nr. 35† (Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di058g010k0003500.