Inschriftenkatalog: Stadt Hildesheim
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 58: Stadt Hildesheim (2003)
Nr. 28 Dom-Museum 11. Jh.
Beschreibung
Krümme des sogenannten Godehard-Stabs.1) Elfenbein mit vergoldeten Kupferzierbändern. Nach Kratz befand sich der Stab ursprünglich im Godehardkloster.2) Im Jahr 1825 gelangte er aus dem Nachlaß des Geistlichen Rats Hieronymus Tegethof in den Hildesheimer Domschatz.3) Die schlichte Krümme läuft nach zwei Windungen in einen Gazellenkopf aus, in dessen Maul sich eine Kreuzblume befindet. Die Krümme wurde nachträglich mit einem oberhalb des Knaufs angebrachten Zwischenstück verbunden. An diesem Zwischenstück ist auf zwei Metallringen die Inschrift eingraviert. Der obere Ring ist mit Palmettenornamenten in Halbkreisen besetzt. Der untere Metallring mit dem zweiten Teil der Inschrift befindet sich über einem schmalen Wulstring oberhalb des Knaufs. Die Inschriften sind nielliert. Als Worttrenner dienen hochgestellte Punkte, ein kleines, auf der Spitze stehendes Dreieck über einem Hochpunkt und am Beginn der zweiten Zeile ein Doppelpunkt.
Maße: Gesamtlänge: 164 cm; Höhe der Krümme ab Knauf: 20,3 cm; Bu.: 0,3–0,4 cm.
Schriftart(en): Romanische Majuskel.
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+ STERNE · RESISTENTES · STAN//TESa) · REGE · TOLLE · IACENTES
Übersetzung:
Wirf diejenigen, die Widerstand leisten, nieder, leite die aufrecht Stehenden, heb die Gefallenen auf.
Versmaß: Hexameter, zweisilbig leoninisch gereimt.
Textkritischer Apparat
- STAN//·TES] N kleiner und hochgestellt.
Anmerkungen
- Inv. Nr.: DS 74.
- Kratz, Dom 2, S. 88f., Dom 3, S. 83.
- Kat. Schatz von St. Godehard, S. 86 (Brandt) nach der Akte Hildesheim, Bistumsarchiv, D 26 XXI, fol. 16.
- Kat. Schatz von St. Godehard, S. 86.
- Ebd.
- Vereinzelt findet man auch im 12. Jahrhundert noch Inschriften in einer reinen Kapitalis, vgl. z. B. die um 1160 datierte Emailplatte aus Aachen, DI 31 (Aachen Dom), Nr. 23, Abb. 14.
- Dagegen Brandt (Kat. Schatz von St. Godehard, S. 86): „Die Buchstabenform (sc. der Stabinschrift) findet man auch am Godehardschrein im Hildesheimer Dom“.
- Kat. Bernward 2, S. 516f.
Nachweise
- Kratz, Dom 2, S. 89.
- Mithoff, Kunstdenkmale, S. 146.
- Elbern/Reuther, Domschatz, S. 70, Abb. 38.
- Berges in B/R, S. 108.
- Rieckenberg in B/R, S. 181, Abb. Tafel 19, Nr. 1 u. 2.
- Kat. Schatz von St. Godehard, S. 86, Abb. S. 87.
- Kat. Abglanz des Himmels, S. 183, Abb. S. 151.
Zitierhinweis:
DI 58, Stadt Hildesheim, Nr. 28 (Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di058g010k0002805.
Kommentar
Die Buchstabenformen der Inschrift entsprechen mit Ausnahme des eingerollten G dem Kapitalis-Alphabet. Auffällig sind die ausgeprägten keilförmigen Verbreiterungen an Hasten- und Balkenenden, die sich besonders bei E und S in ausladenden, teilweise asymmetrischen Dreiecksporen fortsetzen. Einzelne E (in RESISTENTES) sind auf diese Weise rechts nahezu abgeschlossen. Das eingerollte G ist mit leicht gegabeltem oberen Bogenende ausgeführt, die Cauda des R trägt eine Innenschwellung. Berges hat die Inschrift in die Zeit Godehards († 1038) datiert (B/R, S. 109). Aufgrund stilkritischer Erwägungen setzt Brandt in Übereinstimmung mit der bisherigen kunstgeschichtlichen Forschung die Krümme jedoch in das zweite Viertel des 12. Jahrhunderts, genauer in die Zeit der Gründung des Godehardklosters um 1133 und sieht den gesamten Stab als Bestandteil der Amtsinsignien des Gründungsabtes Friedrichs I.4) Für die Datierung der Inschriften kann die stilistische Einordnung der Krümme aber nur bedingt als Anhaltspunkt dienen, da die inschriftentragenden Metallbänder zum Zweck der Einfügung des Zwischenstücks erst nachträglich mit der Krümme verbunden worden sind.5) Die Schriftbänder können also durchaus von einem älteren Stab des 11. Jahrhunderts stammen. Da weder die Inschrift noch die übrige Überlieferung eine Verbindung mit Bischof Godehard nahelegen und auch die Schriftcharakteristika wie z. B. die ausgeprägten Hastenverbreiterungen und die großen, den Buchstaben fast abschließenden Sporen keine nähere Eingrenzung erlauben, läßt sich die Datierung nicht auf die Amtszeit Godehards beschränken, sondern kann nur allgemein auf das 11. Jahrhundert festgelegt werden.6) Die Buchstabenformen der Inschriften des im 2. oder 3. Viertel des 12. Jahrhunderts entstandenen Godehardschreins (Nr. 40) weisen mit ihren zahlreichen runden Buchstaben (E, M, T, U, A) eine deutlich andere Gestaltung auf und machen eine gleichzeitige Entstehung beider Inschriften wenig wahrscheinlich.7)
Fraglich bleibt, aus welchen Gründen dieser Stab Bischof Godehard zugeschrieben worden ist. Ein zweiter Godehardstab, an dem der Name Godehards angebracht ist, wird heute im Kloster Niederalteich aufbewahrt.8)