Inschriftenkatalog: Stadt Hildesheim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 58: Stadt Hildesheim (2003)

Nr. 20† St. Michaelis 1023 o. später

Beschreibung

Epitaph für Bischof Benno von Oldenburg. Nach Auskunft der Handschrift DBHi, HS 123b befand sich sein Grab in der nördlichen Apsis vor dem Altar des heiligen Benedikt.1) Aus der Überlieferung lassen sich keine Hinweise zur Ausführung des Epitaphs gewinnen. Es ist fraglich, ob der Verfasser der Handschrift HS 123b den Text nach Autopsie wiedergegeben hat.

Inschrift nach DBHi, HS 123b.

  1. Hoc no(n)du(m) culto p(re)sul iacet ecce sepulchro Benno nome(n) habe(n)s vir bo(n)itate valens Hospit(is) hic mo(r)e q(ui)a) magno vixit honore Ha(n)c ara(m) vero dedicat atq(ue) deo Que(m) iu(n)xit celis festu(m) s(an)cti michaelis2) Fecit (con)fugiu(m) cui(us) ad hospiciu(m) Qui p(re)ss(us) g(ra)vit(er)b) pe(n)sat(ur) laude p(er)he(n)nic) Virtute ingenii ve(n)it in astra sui

Übersetzung:

Sieh, in diesem noch nicht geschmückten Grab liegt der Bischof, der den Namen Benno trug, ein Mann von hohem moralischen Wert. Er lebte hier nach Art eines Gastes in großer Ehre und weihte diesen Altar dem wahren Gott. Mit dem Himmel vereinigte ihn das Fest des heiligen Michael, zu dessen Herberge er seine Zuflucht nahm. Nachdem er schwere Bedrängnis erduldet hatte, wird er jetzt durch ewigen Ruhm entschädigt. Durch die Tugend seines Geistes kam er in den Himmel.

Versmaß: Elegische Distichen, mit Ausnahme von Vers 7 teils einsilbig, teils zweisilbig leoninisch gereimt.

Kommentar

Benno von Oldenburg (in Wagrien, heute Oldenburg in Holstein) war von den Slawen aus seinem Bischofssitz vertrieben worden und fand im Jahr 1018 Aufnahme in Hildesheim. Er assistierte neben dem ebenfalls vertriebenen Bischof Ekkehard von Schleswig (vgl. Einleitung, S. 70f.) und Erzbischof Unwan von Hamburg-Bremen bei der durch Bernward vorgenommenen Weihe der Michaeliskirche am 29. September 1022.3) Nach den Cronica Slavorum Helmolds von Bosau kam ihm dabei die Weihe des linken Kirchenschiffs zu,4) in dem er später auch bestattet wurde. Sein Todesjahr geben die Hildesheimer Annalen mit 1023 an,5) der Todestag ist nach den übereinstimmenden Angaben der Inschrift und des Nekrologiums von St. Michaelis der 29. September.6) Offensichtlich aus einem Mißverständnis des 7. Verses der Inschrift (qui pressus graviter) entstand die in Helmolds Chronik enthaltene fabulöse Überlieferung, Benno sei bei der Weihe von St. Michaelis von den Volksmassen erdrückt worden und nach wenigen Tagen gestorben (Berges in B/R, S. 106).7) Tatsächlich bezeichnet pressus graviter die Bedrängnis, die zu Bennos Flucht nach Hildesheim geführt hat.

Die Datierung orientiert sich am Todesdatum Bischof Bennos, eine spätere Entstehung des Epitaphs läßt sich wie beim Bernward-Epitaph (Nr. 19) allerdings nicht ausschließen.

Textkritischer Apparat

  1. q(ui)] So Rieckenberg in B/R; in DBHi, HS C 26, Lüntzel, Berges in B/R, MGH Poetae.
  2. Qui p(re)ss(us) g(ra)vit(er)] In StaHi, Bestand 52, Nr. 369 von der Hand des Schreibers korrigiert.
  3. Qui ... p(er)he(n)ni] Fehlt Trier, Bistumsarchiv, Abt. 95, Cod. 17. Für die Autopsie der Handschrift danke ich Herrn Dr. Rüdiger Fuchs, Inschriftenkommission Mainz.

Anmerkungen

  1. DBHi, HS 123b, fol. 126r: in aquilonari absida eiusde(m) ecclesie an(te) altare s(an)c(t)i b(e)n(e)d(ic)ti honesta(m) obtinuit sepultura(m).
  2. 29. September.
  3. Vita Bernwardi, Kapitel 49; Goetting, Bistum Hildesheim, S. 217; Series Episcoporum Ecclesiae catholicae occidentalis, Series V (Germania), Tom. 2 (Archiepiscopatus Hammaburgensis sive Bremensis), coadiuvantibus Helmut Kluger, Edgar Pack, Rolf Grosse, curaverunt Stefan Weinfurter et Odilo Engels. Stuttgart 1984, S. 60f.
  4. Helmold von Bosau, Cronica Slavorum. 3. Auflage bearbeitet von Bernhard Schmeidler. Hannover 1937 (MGH SS rerum germanicarum in usum scholarum), S. 39: ubi cum sinistrum ecclesiae latus noster episcopus Benno dedicaret a populo compressus ... vita defunctus est.
  5. Annales Hildesheimenses, S. 34: Bernhardus Haldenburgensis antistes abstollitur.
  6. Nekrologium von St. Michaelis, hg. Mooyer, S. 49. – Die Angaben zum Todestag differieren: Im Lüneburger Nekrologium ist Benno unter dem 13. August eingetragen, vgl. Apparat zur Ausgabe der Cronica Slavorum (wie Anm. 4), S. 39.
  7. Cronica Slavorum (wie Anm. 4), S. 39 a populo compressus et attritus [sc. noster episcopus Benno] post paucos dies morbo ingravescente vita defunctus est.

Nachweise

  1. DBHi, HS 123b, fol. 126r.
  2. StaHi, Bestand 52, Nr. 369, fol. 175r.
  3. Dresden, Landesbibliothek, A. 72, fol. 146r.
  4. Trier, Bistumsarchiv, Abt. 95, Cod. 17, fol. 42v.
  5. DBHi, HS C 26, S. 43a.
  6. Lüntzel, Geschichte 1, S. 181, Anm. 3.
  7. MGH Poetae 5, S. 457.
  8. Berges in B/R, S. 105f.
  9. Rieckenberg in B/R, S. 181.

Zitierhinweis:
DI 58, Stadt Hildesheim, Nr. 20† (Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di058g010k0002009.