Inschriftenkatalog: Stadt Hildesheim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 58: Stadt Hildesheim (2003)

Nr. 18† Braunschweig, St. Martini 993–1022

Beschreibung

Patene. Die Patene, die zu einem „großen Kelch“ mit Darstellungen aus der Passion Christi gehörte,1) stammt wahrscheinlich aus dem Kirchenschatz von St. Michaelis und wurde in späterer Zeit nach St. Martini in Braunschweig verpfändet. Die Inschrift war als Umschrift ausgeführt.

Inschrift nach DBHi, HS 123b.

  1. Bernwardus p(re)sul me fecit

Übersetzung:

Bischof Bernward hat mich gemacht.

Kommentar

Die Vita Bernwardi nennt (Kapitel 8) drei von Bernward stammende Kelche: calices nichilominus plures, et unum ex onichino, alterum vero cristallinum mira industria composuit. Adhuc unum aureum, valentem libras viginti publici ponderis, ex purissimo auro in usum ministerii conflavit. Über die zugehörigen Patenen ist in der Vita nichts gesagt. Die spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Überlieferung hat vielfach kostbare Vasa sacra mit bernwardinischen Arbeiten in Verbindung gebracht, so daß gerade bei den Kelchen und Patenen kaum sichere Aussagen über die Authentizität der Inschriftenüberlieferung gemacht werden können (Berges in B/R, S. 71).

In der um 1419 in Hildesheim verfaßten niederdeutschen Lebensbeschreibung Bernwards werden bereits insgesamt sechs Kelche erwähnt. Über den einen heißt es: den makede he mit belden unde figuren des lidenden Cristi und midden in der patenen, midden in dem cirkel, steyth gescreven: Bernwardus het meck gemaket.2) Die in St. Michaelis um 1500 entstandene Handschrift München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 27045, zählt sogar zehn bernwardinische Kelche auf. Einer davon sei an den Kirchenschatz von St. Martini in Braunschweig verpfändet worden.3) Nähere Angaben zu diesem Kelch werden nicht gemacht, eine Patene ist nicht erwähnt. Die ‚Gründliche Nachricht von dem Leben und Tode des heiligen Bernward’ nennt als vierten einen Kelch aus Silber, auf dessen Patene die Inschrift Bernwardus me fecit angebracht war.4) Neben den kopialen Überlieferungen von Inschriften auf bernwardinischen Patenen gehört in diesen Zusammenhang auch die im Original erhaltene Bernwardpatene des Welfenschatzes. Sie ist wahrscheinlich um 1180 in Hildesheim entstanden. Im Jahr 1482 läßt sie sich als Reliquienbesitz des Doms St. Blasii in Braunschweig nachweisen. Vor dieser Zeit wurde sie in ein Ostensorium gefaßt und in Braunschweig als Reliquie Bernwards verehrt. Auf ihren vermeintlich bernwardinischen Ursprung verweist eine Aufschrift, die auf einem über der Mittellinie der Patene angebrachten Pergamentstreifen zu lesen ist: Istam patenam fecit Sanctus Bernwardus.5)

Vergleicht man diese Überlieferungen mit den Angaben in der Handschrift HS 123b, dann fallen einzelne Übereinstimmungen, aber auch Unstimmigkeiten auf, die es nahezu unmöglich machen zu entscheiden, auf welchen Kelch und auf welche Patene jeweils Bezug genommen wird. Michael Brandt setzt sowohl den Kelch der niederdeutschen Bernward-Vita als auch den im Münchener Codex erwähnten mit einem heute verlorenen Prunkkelch in eins, der zur Bernwardpatene des Welfenschatzes gehört hat.6) Unter dieser Voraussetzung wären sämtliche im Zusammenhang dieses Kelchs gemachten Angaben über die zugehörige Patene – also die Inschrift Bernwardus het meck gemaket wie auch die dokumentierte Verpfändung nach St. Martini in Braunschweig – auf die Welfenschatz-Patene zu beziehen. Dies scheint problematisch, denn sowohl der Wortlaut der Inschrift in der niederdeutschen Bernward-Vita als auch die im Clm 27045 genannte Verpfändung an St. Martini scheinen eher zu der Patene zu passen, die in HS 123b beschrieben ist, als zur Welfenschatz-Patene. Demnach dürfte die Welfenschatz-Patene nicht mit der in HS 123b überlieferten identisch sein,7) zumal sich die Welfenschatz-Patene zu keiner Zeit als Bestandteil des Kirchenschatzes von St. Martini in Braunschweig nachweisen läßt. Angesichts der aufgezeigten Diskrepanzen zwischen den einzelnen Überlieferungen muß insgesamt zweifelhaft bleiben, ob die Handschrift HS 123b wirklich die authentische Überlieferung einer bernwardinischen Patene und ihrer Inschrift bietet.

Anmerkungen

  1. DBHi, HS 123b, fol. 9r: Item in patena quadam magni calicis ad sanctum martinum in bruneswich inpignorata inscripta sunt in circumferencia hec verba ... Sic et calix eiusdem patene est magni decoris cum figuris dominice passionis [...].
  2. Berges in B/R, S. 71 mit ausführlichem Textzitat nach Kratz, Dom 2, S. 38. Die entsprechende Stelle der niederdeutschen Vita Bernwardi lautet in der Handschrift Dombibliothek HS 123, S. 23: den dridden makede he mit belden und figuren des helen lewendeß Christi vnnd midden in der patenen midden in dem Cirkell steidt geschrewen: Barwardus hefft meck gemaket.
  3. München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 27045, fol. 3v [sc. calices] inpignorati svnt vnvs ad sanctum martinum in brvnswik pro dvcentis marcis argenti; vgl. Kat. Bernward 2, S. 629f., Abb. Bei dieser Handschrift handelt es sich um den antiquissimus libellus, den Hieronymus Emser für die Vita Bennonis benutzt hat. Näheres dazu siehe im Kommentar zu Nr. 19 (Epitaph Bernwards).
  4. Gründliche Nachricht, S. 56: Den Vierten kelch machte Bernward aus Silber, und bildete auf selbigem das Leben Christi ab. Die Paten desselben enthielt auf der Mitte in einem Zirkel diese Worte: Bernwardus me fecit. Berges (B/R, S. 78) vermutet, daß in der Gründliche(n) Nachricht der entsprechende Text der niederdeutschen Lebensbeschreibung Bernwards ins Lateinische zurückübersetzt wurde. In einer Anmerkung der Gründliche(n) Nachricht heißt es, daß unser Abbt benedictus Freesen eine aehnliche Paten zu Braunschweig ad S. Blasium gesehen habe. Deren Inschriften, die im Wortlaut zitiert werden, zeigen, daß es sich dabei um die Welfenschatz-Patene handelt.
  5. Zitiert nach DI 35 (Stadt Braunschweig I), Nr. 20. Merkwürdig ist, daß dieses Reliquienverzeichnis Bischof Godehard als Urheber der Patene nennt, vgl. Andrea Boockmann: Die verlorenen Teile des ‚Welfenschatzes’. Eine Übersicht anhand des Reliquienverzeichnisses von 1482 der Stiftskirche St. Blasius in Braunschweig. Göttingen 1997 (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Phil.-Hist. Klasse III, 226), S. 143, Nr. 80.
  6. Brandt in: Kat. Bernward 2, S. 632.
  7. Auch die oben (Anm. 4) zitierte Anmerkung aus der Gründliche(n) Nachricht läßt erkennen, daß die Welfenschatz-Patene und die Patene mit der Inschrift Bernwardus presul me fecit nicht identisch sind.

Nachweise

  1. DBHi, HS 123b, fol. 9r.

Zitierhinweis:
DI 58, Stadt Hildesheim, Nr. 18† (Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di058g010k0001809.