Inschriftenkatalog: Landkreis Hildesheim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 88: Landkreis Hildesheim (2014)

Nr. 76† Nettlingen, ev. Kirche St. Marien 15. Jh.

Beschreibung

Decken- und Wandmalerei.1) Die mittelalterlichen Malereien wurden 1615 bei einer Neuausmalung der Kirche (vgl. Nr. 329) überdeckt, aber 1907 freigelegt und von dem Kirchenmaler Adolf Quensen (1851–1911) neu gefasst.2) Dabei wurden auch die Inschriften erneuert. Die erneuerten Inschriften haben wahrscheinlich den mittelalterlichen Wortlaut einigermaßen getreu bewahrt, Schriftformen, Grafie, Kürzel, Ligaturen und ähnliches entsprachen aber nicht mehr dem Original.3) Bei einem Brand im Jahr 1970 wurden die erneuerten Malereien wiederum zerstört, lediglich an der Südwand des Kirchenschiffs haben sich Teile eines mittelalterlichen Bildzyklus der Passion Christi erhalten (ohne Inschriften). 2007 wurden die Malereien des Apsisgewölbes und des Chorgewölbes auf der Grundlage der Fassung von 1907 mit den zugehörigen Inschriften wieder angebracht.

Oberhalb des Passionszyklus waren an der Südwand Bilder der fünf törichten und der fünf klugen Jungfrauen angebracht, an der Nordwand lebensgroße Apostelfiguren. Die Apostel trugen jeweils ein Spruchband mit einem Artikel des Apostolischen Glaubensbekenntnisses und einzelne später angebrachte Namentituli (A1). Fotografisch überliefert sind von diesem Apostelcredo die Inschriften A2–C.4) Die Malereien im Apsisgewölbe zeigten im Mittelfeld (Ostkappe) die Krönung Marias durch die Engel sowie in den umgebenden Feldern weitere Engel mit Musikinstrumenten und Spruchbändern mit den Inschriften D, die ebenfalls 1907 neu gefasst wurden. Im Chorgewölbe deutschsprachige Inschriften, die keine mittelalterlichen Vorbilder haben.5) In den Fensterlaibungen des Chors aufgemalte Wappen, zu denen eine Beischrift E überliefert ist.

Inschriften A–D nach Hannover, NLD, Bildarchiv, Fotos der Aquarelle von 1907; Inschrift E nach Kdm. Kreis Marienburg.

  1. A1

    S · MATHIAS.

  2. A2

    Et i(n) (ihesum) (christum)a) Filium eius Vni(genitum) dominum [nostrum]

  3. B

    ascendit ad celos sedet ad dextera(m) dei patris o(mni)potentis

  4. C

    Jnde ve(n)turus [est iudicare]6)

  5. D1

    Gloria · i(n) · excelsis · deo ·

  6. D2

    Et · i(n) · terra · pax · hominibus // bonae · voluntatis

  7. D3

    Laudamus · te ·// Benedicimus · te ·

  8. D4

    Adoramus · te ·// Glorificamus · te ·

  9. D5

    Gratias · agimus · tibi · propt(er) · magn(am) · glor(iam) · tu(am) // d(omi)ne · Deus

  10. D6

    Deus pater · omnipotens · d(o)m(in)e · fili · unigenite · Jesu · Christe // d(o)m(in)e · Deus · agnus · dei · filius patris

  11. D7

    Qui · tollis · peccata · mundi ·// Miserere · nobis ·

  12. D8

    Qui · tollis · peccata · mundi // Suscipe · deprecation(em) · nostr(am)

  13. D9

    Qui · sedes · ad · de(x)t(eram)b) // Miserere · nobis //

  14. D10

    Quoniam · tu solus sanctus // Tu · solus · dom(inus) · deus

  15. D11

    Tu · solus · altissim(us) · Jesu Chri(ste) // Cum · sancto · spiritu · in · gloria · dei · patris ·7)

  16. E

    Gherboldesem

Übersetzung:

[…] und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, [unseren] Herrn, (A2)

[…] aufgefahren in den Himmel. Er sitzt zur Rechten Gottes, des Allmächtigen Vaters, (B)

und wird kommen [zu richten]. (C)

Ehre sei Gott in der Höhe und auf Erden Frieden den Menschen guten Willens. Wir loben dich, wir preisen dich, wir beten dich an, wir verehren dich. Wir danken dir Herr Gott, denn groß ist deine Herrlichkeit. Gott, allmächtiger Vater, Herr, eingeborener Sohn, Jesus Christus, Herr Gott, Lamm Gottes, Sohn des Vaters, der du hinwegnimmst die Sünden der Welt, erbarme dich unser. Der du hinwegnimmst die Sünden der Welt, nimm unser Gebet an. Der du sitzt zur Rechten [des Vaters], erbarme dich über uns. Denn du allein bist heilig, du allein bist Herr [und] Gott. Du allein bist der Höchste, Jesus Christus, mit dem Heiligen Geist in der Ehre Gottes des Vaters. (D)

Wappen:
Nettlingen, Garbolzum, Reden, Sampleben, Kissleben

Kommentar

Da der Schriftbefund durch die Neufassung im Jahr 1907 vollständig verändert wurde, lässt sich keine Datierung der Wandmalereien anhand der Schrift vornehmen. Der zeitliche Ansatz folgt dem Kunstdenkmälerinventar.8)

Textkritischer Apparat

  1. Befund: ihm xpm.
  2. de(x)t(eram)] Danach fehlt patris.

Anmerkungen

  1. Grundlegend für die Nettlinger Wandmalerei-Inschriften: Hüpsel/Spanuth, Beiträge zur Heimatgeschichte von Nettlingen, Heft 2, o. S.; Anton, Wand- und Deckenmalerei, S. 221f.
  2. Zur Aufdeckung der Malereien im Jahr 1907 vgl. Hüpsel/Spanuth (wie Anm. 1) und den chronologischen Bericht des Superintendenten Busse über die Instandsetzung der Kirche in Nettlingen 1907 in Hannover, NLD, Akte 032-5407-001-01.
  3. Hannover, NLD, Wissenschaftliche Sammlung, Akte der Restaurierung von 1907 (ohne Signatur).
  4. Die westlichen Apostelfiguren wurden bereits bei einer Reparatur der Mauer im Jahr 1845 zerstört, vgl. Hüpsel/Spanuth (wie Anm. 1).
  5. Die im Jahr 1907 angebrachten deutschsprachigen Inschriften lauteten (vgl. ebd.): Rechts und links neben der Christusfigur: Er · hat · sich · selbst · gegeben // Für · alle · zur · Erlösung; im südlichen Doppelfeld: Er · hat · sich · selbst · gesetzt · zur · Rechten · der · Majestaet · in · der · Hoehe ·// Es · sollen · ihne · alle · Engel · Gottes · anbeten; im nördlichen Doppelfeld: Siehe · es · hat · überwunden · der · Loewe · aus · Juda ·// Der · Tod · ist · verschlungen · in · den · Sieg ·; im westlichen Doppelfeld: Dieser · Jesus · wird · wiederkommen // Wie · ihr · ihn · gesehen · habt · gen · Himmel · fahren ·. Vgl. Hannover, NLD, Bildarchiv, IFDN KB 198/35, KB 198/47; s. a. Fotografie der Wandmalerei in der ev. Pfarrkirche St. Maria in Nettlingen von 1969. Online auf der Seite: Bildindex der Kunst und Architektur, Pfad ‚Nettlingen Wandmalerei‘. http://www.bildindex.de/obj20777988.html#|1 (letzter Zugriff am 01.11.2013). Diese Inschriften wurden im Rahmen der Neufassung im Jahr 2007 wieder angebracht.
  6. Artikel des Apostolischen Glaubensbekenntnisses (Credo).
  7. Lobpreis Gottes „Gloria in excelsis“, hier in Form der Großen Doxologie.
  8. Kdm. Kreis Marienburg, S. 148.

Nachweise

  1. Hannover, NLD, Bildarchiv, IFDN KB 60/D41, KB 60/B23, KB 60/C35, Repros (1960) der Zeichnungen von 1907; s. a. Fotografie der Wandmalerei in der ev. Pfarrkirche St. Maria in Nettlingen von 1969 Online auf der Seite: Bildindex der Kunst und Architektur, Pfad ‚Nettlingen Wandmalerei‘. http://www.bildindex.de/obj20777988.html#|1 (letzter Zugriff am 01.11.2013).
  2. Hüpsel/Spanuth, Beiträge zur Heimatgeschichte von Nettlingen, Heft 2, o. S.
  3. Kdm. Kreis Marienburg, S. 148.

Zitierhinweis:
DI 88, Landkreis Hildesheim, Nr. 76† (Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di088g016k0007603.