Inschriftenkatalog: Landkreis Hildesheim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 88: Landkreis Hildesheim (2014)

Nr. 42 Schwiegershausen (Lkr. Osterode), ev. Kirche St. Michaelis 1479 o. früher

Beschreibung

Kelch. Silber, vergoldet. Der Kelch wurde ursprünglich für das Kloster Lamspringe (Inschrift B) gestiftet und kam zu einem unbekannten Zeitpunkt vor 18731) nach Schwiegershausen. Der runde Fuß mit verzierter Zarge geht in einen sechsseitigen Schaft über. Die Rotuli am Nodus sind mit stilisierten Blüten ausgefüllt. Auf dem Fuß eine Kreuzigungsgruppe über einer Ranke. Inschrift A auf dem Schaftstück oberhalb des Nodus, das Schaftstück unterhalb des Nodus ist mit Blüten verziert; Inschrift B verläuft um den Fuß. Beide Inschriften sind glatt erhaben vor bearbeitetem Hintergrund ausgeführt.

Maße: H.: 16,2 cm; Dm.: 10,2–10,5 cm (Kuppa), 11,8 cm (Fuß); Bu.: 0,8 cm (A), 0,7 cm (B).

Schriftart(en): Gotische Minuskel (A) mit Versalien (B).

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Christine Wulf) [1/3]

  1. A

    ihesus

  2. B

    Jordans · Joh(ann)es · bi(n)dema(n) · f(rat)res · de derv(n)t · hv(n)c · calice(m) · at · altare · marie · i(n) la(m)mespri(n)ck ·

Übersetzung:

Die Brüder Jordan und Johannes Bindemann haben diesen Kelch für den Marienaltar in Lamspringe gestiftet. (B)

Kommentar

Die Schrift ist in einer ornamentalen Goldschmiedeminuskel ausgeführt. Der Querstrich des t ist durch den Schaft gezogen, der zu einem Strich reduzierte Balken des e endet wie auch die gegabelten Oberlängen in punktförmigen Verdickungen. Die Grundformen der Buchstaben und einzelne ornamentale Elemente entsprechen zwar der Inschrift auf einem jüngeren, von Johannes Bindemann allein im Jahr 1502 gestifteten Kelch (Nr. 83), es fehlen jedoch die dort zu beobachtenden vor die Schäfte gelegten Brechungen sowie die Schattenstrichelung und die Binnenschraffur.

Jordan Bindemann amtierte von spätestens 1470 bis 1478 als Vormund (Propst) in Lamspringe.2) Er hat sich 1443 an der Universität Erfurt als Jordanus Bindeman de Bodenwerder immatrikuliert3) und ist seit 1446 als Kanoniker im nahegelegenen Stift Gandersheim nachzuweisen. Im selben Jahr stiftete er eine Kommissie am Altar Beatae Mariae Virginis im Kloster Lamspringe. Spätestens am 15. Juli 1479 war er tot; denn an diesem Tag wurde eine Memorienstiftung für ihn eingerichtet. Sein Testamentar war der Mitstifter dieses Kelchs, Johann Bindemann, der vom 9. Februar 1488 bis zum 20. Januar 1499 als Priester und Vikar in Lamspringe und von 1501 bis 1515 als Kanoniker an St. Marien in Gandersheim bezeugt ist.4) Der vorliegende Kelch könnte im Zusammenhang mit der Stiftung des Marien-Altars in Lamspringe im Jahr 1446 angefertigt worden sein. Da einer der Stifter, Johann Bindemann, aber erst 1479 zum ersten Mal bezeugt und Goetting zufolge noch 1527 in Lamspringe nachzuweisen ist, liegt eine spätere Entstehung näher. Als spätestmögliches Herstellungsdatum wird daher das Todesjahr 1479 des Jordan Bindemann angenommen.

Anmerkungen

  1. Bereits Mithoff (Kunstdenkmale Fürstenthümer Göttingen und Grubenhagen, S. 159) verzeichnet den Kelch in Schwiegershausen.
  2. Zu Jordan Bindemann vgl. Goetting, Kanonissenstift Gandersheim, S. 421; s. a. Niedersächsisches Klosterbuch, Teil 2, S. 901–908, hier S. 908 (Dylong); Germania Benedictina XI, S. 341f. u. S. 373 (Römer).
  3. Matrikel Erfurt, Bd. 1, S. 194, Zeile 31 (Nachweis Goetting).
  4. Zu Johann Bindemann vgl. Goetting, Brunshausen, Gandersheim, Clus, S. 161f.

Nachweise

  1. Mithoff, Kunstdenkmale Fürstenthümer Göttingen und Grubenhagen, S. 189.

Zitierhinweis:
DI 88, Landkreis Hildesheim, Nr. 42 (Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di088g016k0004207.