Inschriftenkatalog: Landkreis Hildesheim
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 88: Landkreis Hildesheim (2014)
Nr. 23† Wittenburg, ev. Kirche St. Willehadi ? 1434
Beschreibung
Epitaph für Dietrich Engelhus. Inschriftliche Ausführung unsicher. Stoffregen zufolge war der „Leichenstein“ mit einer „lobenden dichterischen Inschrift […] geschmückt“.1) In den 1678 erschienenen Antiquitates Brunsvicenses des J. J. Mader, die den Erstdruck des Epitaphs bieten, fehlt jeder Hinweis auf eine inschriftliche Ausführung. Dort heißt es in der den Versen voranstehenden Einleitung: et obiit (sc. Engelhus) eodem anno post Godehardi sepultus. Hic vir Saxoniae lumen. Epitaphium ejus.2) G. W. Leibniz erweitert den Text nach sepultus um die Angabe des Sterbeorts Wittenborch, der bei Mader auffälligerweise fehlt.3) Sofern das Epitaph tatsächlich inschriftlich ausgeführt war, dürfte es sich in der Kirche des ehemaligen Augustiner-Chorherrenstifts Wittenburg befunden haben.
Inschrift nach Mader.
Mortales cuncti moveat vos tumba sepulti4)Saxonis eximii vermibus expositiAnno milleno quadringenteno triceno Et quarto Domini post festum mox Godehardi5)5Cuia) quondam nomen Tidericus contulit omenEx Einbeck natus Engelhus cognominatusQui clarus ingenio moribus ore styloDivinum cultum dilexitb) crescere multumScriptis magnificus qui fuit atque pius10Terra sed ossa tegitc) animam qui tartara fregitLucis perpetuae collocet in requie
Übersetzung:
Ihr Sterblichen alle, euch soll dieses Grab eines hervorragenden Sachsen bewegen, der im Jahr des Herrn 1434 bald nach dem Fest des heiligen Godehard [hier] bestattet und den Würmern preisgegeben wurde. Ihm fiel einst der Name Tidericus zu, er stammte aus Einbeck und hieß Engelhus mit Nachnamen. Er war hochangesehen wegen seines schöpferischen Verstandes, seines Charakters, seiner Redegabe und seines Schreibstils. Ihm lag am Herzen, dass der Gottesdienst sich stark entfaltete, er hat mit seinen schriftlichen Werken Großes vollbracht und war ein frommer Mann. Nun deckt die Erde seine Gebeine, seine Seele aber möge der, der die Hölle gesprengt hat [Christus], in die Ruhe des ewigen Lichts aufnehmen.
Versmaß: Elegische Distichen, leoninisch gereimt, teilweise zweisilbig; Verse 3, 4 u. 5 allein stehende leoninische Hexameter.
Textkritischer Apparat
- Cui] Qui Leibniz, Stoffregen, Honemann. Maders Lesart cui ist vorzuziehen, da der Dativ zu omen contulit gut passt.
- dilexit mit AcI ist sehr ungewöhnlich, wohl im Sinne von „gerne sehen“, „sich freuen“ zu verstehen.
- tegit] Honemann; tegat Mader, Leibniz, Stoffregen; tegit statt tegat ist durch den leoninischen Reim (mit fregit) gesichert. Die zweite Silbe von tegit ist lang gemessen.
Anmerkungen
- Stoffregen, Wülfinghausen und Wittenburg, S. 64.
- J. J. Mader, Antiquitates Brunsvicenses […]. Helmstedt 1678, fol. 3r/v (Vorrede). Maders Edition beruht auf einer Handschrift aus dem Augustiner-Chorherrenstift zur Sülte in Hildesheim, das wie Wittenburg der Windesheimer Kongregation angehörte. Näheres zur Überlieferungsgeschichte des Epitaphs s. Volker Honemann, Dietrich Engelhus: Lebenszeugnisse. In: Dietrich Engelhus. Beiträge zu Leben und Werk., hg. von Volker Honemann (Mitteldeutsche Forschungen 104). Köln/Weimar/Wien 1991, S. 1–9, hier S. 7f.
- Vgl. Leibniz, Scriptores, Bd. 2, S. 489. Das Epitaph steht im Textzusammenhang von Leibniz’ Edition des ‚Liber de reformatione monasteriorum‘ des Johannes Busch. Die von K. Grube edierte Fassung des ‚Liber de reformatione‘ enthält das Epitaph nicht, vgl. Liber de reformatione monasteriorum, hg. von K. Grube. Halle 1887.
- Der erste Vers scheint formelhaft als Initium von Grabschriften verwendet worden zu sein, so beginnt z. B. das Epitaph für den 1383 verstorbenen Rektor der Universität Wien, Heinrich von Langenstein, mit denselben Worten; vgl. Nachweis Honemann (wie Anm. 2), S. 9. – S. a. Walther, Initia Carminum, Nr. 11283; Walther, Proverbia, Bd. 2, Nr. 15222a.
- 5. Mai (Godehardstag).
- Biografische Daten des Dietrich Engelhus nach Helge Steenweg, Zur Biographie des Dietrich Engelhus. In: Honemann (wie Anm. 2), S. 11–29.
- Vgl. Honemann (wie Anm. 2), S. 9. – Die Erstedition der Schriften Hermann Ryds durch Bertram Lesser ist in Vorbereitung.
Nachweise
- J. J. Mader, Antiquitates Brunsvicenses […]. Helmstedt 1678, fol. 3v (Vorrede).
- Leibniz, Scriptores, Bd. 2, S. 489.
- Stoffregen, Wülfinghausen und Wittenburg, S. 64.
- Volker Honemann, Dietrich Engelhus: Lebenszeugnisse. In: Dietrich Engelhus. Beiträge zu Leben und Werk, hg. von Volker Honemann (Mitteldeutsche Forschungen 104). Köln/Weimar/Wien 1991, S. 1–9, hier S. 7f.
Zitierhinweis:
DI 88, Landkreis Hildesheim, Nr. 23† (Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di088g016k0002302.
Kommentar
Dietrich Engelhus stammte aus einer Einbecker Ratsfamilie und wurde um 1360 geboren. Nach Studien in Prag, die er 1389 mit dem Magister artium abschloss, und in Erfurt wurde er um 1409/1410 Rektor der Lateinschule in Göttingen, 1414 ist er dort als städtischer Notar im Amt. Im Jahr 1422 ist er als Priester belegt, 1434 trat er als Donatpriester in das Kloster Wittenburg ein. Zu seinen Schriften, auf die der 9. Vers des Epitaphs Bezug nimmt, gehören u. a. eine Weltchronik, eine Laienregel, eine Biblia metrica, ein enzyklopädisches Sachlexikon – der Promptus – eine deutschsprachige Ars moriendi und ein Psalmenkommentar. Die Schriften des gelehrten Historikers und Theologen Engelhus sind durch eine lebenspraktische Orientierung gekennzeichnet und stammen überwiegend aus dem Schulzusammenhang.6) Mit Ausnahme der Laienregel und der Ars moriendi sind sie in lateinischer Sprache geschrieben.
Das für Engelhus verfasste Versepitaph ist stark dem zeitüblichen Formular verpflichtet. Als Verfasser vermutete Leibniz den Wittenburger Chorherrn Hermann Ryd.7)