Inschriftenkatalog: Landkreis Hildesheim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 88: Landkreis Hildesheim (2014)

Nr. 6† Nettlingen, ev. Kirche St. Marien 1302

Beschreibung

Glocke. Die Stundenschlag-Glocke hing außen am Turm1) und wurde beim Brand der Kirche am 11. März 1970 zerstört.2) Die Inschrift befand sich am oberen Rand.

Inschrift nach Spanuth.

  1. O Rex glorie Christe veni cum pace3)

Übersetzung:

O König der Ehre, Christus, komm mit Frieden.

Kommentar

Da die Glocke von Walter und Spanuth exakt auf das Jahr 1302 datiert wird,4) enthielt die Inschrift außer dem Glockengebet vermutlich auch das Entstehungsdatum.

Der Text O rex glorie veni cum pace – zunächst noch ohne das Wort Christe – ist bereits auf einer im Jahr 1200 gegossenen Glocke in St. Martin am Ybbsfeld (Niederösterreich) verwendet worden. Das Gebet leitet sich, wie Jörg Poettgen gezeigt hat, aus dem liturgischen Formular der Kirchweihe her, die der Glockensegnung nahe steht, da beide liturgische Handlungen dem Bischof vorbehalten waren. Rex glorie ist in Ps. 23 als Ehrentitel Gottes gebraucht und zusammen mit anderen Elementen dieses Psalms in eine Wechselrede zwischen Bischof und Diakon eingegangen, die beim Einzug des Bischofs während der Kirchweihe gesungen wurde.5) Diese Wechselrede endet mit dem bischöflichen Friedenswunsch nach Lc. 10,5 Pax huic domui ‚Friede sei diesem Haus‘. Das Gebet O rex gloriae leitet auch den mittelalterlichen Wettersegen gegen Blitze ein (Benedictio contra fulgura).6)

Anmerkungen

  1. Vgl. Walter, Glockenkunde, S. 165.
  2. Die Glocke fehlt in den Inventaren Mithoff, Kunstdenkmale Fürstenthum Hildesheim (1875), S. 205 und Kdm. Kreis Marienburg (1910). Die in den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts verfassten Beiträge zur Heimatgeschichte Nettlingens von Friedrich Spanuth und anderen erwähnen die Glocke gleichwohl und weisen darauf hin, dass sie aufgrund ihres geringen Materialwertes im Zweiten Weltkrieg nicht beschlagnahmt wurde, vgl. Hüpsel/Spanuth, Beiträge zur Heimatgeschichte von Nettlingen, Heft 2, „Die Glocken“ (ohne Seitenzählung). Zur Zerstörung der Glocke s. ebd., Bd. 2, Heft 17, S. 65.
  3. Zahlreiche Einzelnachweise für dieses Glockengebet bei Walter, Glockenkunde, S. 164, Anm. 6; s. a. DI 62 (Weißenfels), Nr. 9 und DI 64 (Querfurt), Nr. 7 jeweils mit weiterführender Literatur zur Herkunft des Textes.
  4. Vgl. Walter, Glockenkunde, S. 165; Friedrich Spanuth, Die besondere Stellung Nettlingens unter den Vorholzdörfern. In: Unser Hildesheimer Land, Bd. 1 (1973), S. 67–90, hier S. 76f.
  5. Zum Text vgl. Steffens, Kirchweihe u. Glockensegnung, S. 42–45 Attollite portas principes vestras, et elevamini portae aeternales et introibit rex gloriae / Quis est iste rex gloriae? Dominus virtutum ipse est rex gloriae [] Pax huic domui, es folgt die Antifon: Pax aeterna ab aeterno hui domui …; s. a. Jörg Poettgen, Zur Theologie früher Glockeninschriften am Beispiel deutscher Glocken des 12. und 13. Jahrhunderts. In: Jahrbuch für Glockenkunde 11/12 (1999/2000), S. 69–80, hier S. 75f.
  6. Vgl. Franz, Die kirchlichen Benediktionen, Bd. 2, S. 87.

Nachweise

  1. Friedrich Spanuth, Die besondere Stellung Nettlingens unter den Vorholzdörfern. In: Unser Hildesheimer Land, Bd. 1 (1973), S. 67–90, hier S. 76f.

Zitierhinweis:
DI 88, Landkreis Hildesheim, Nr. 6† (Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di088g016k0000601.