Inschriftenkatalog: Landkreis Hildesheim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 88: Landkreis Hildesheim (2014)

Nr. 459 Rheden, ev. Cosmas- u. Damiankirche 17. Jh.

Beschreibung

Opferstock. Stein, farbig gefasst. Auf vierseitigem Sockel vierseitiger Opferkasten mit trichterförmigem Einwurf. Die Inschriften sind auf drei Sockelflächen und auf drei Flächen am Opferkasten angebracht. Die vierte Seite ist leer. Die Inschriften A1–A3 jeweils auf einer Sockelfläche in drei bis fünf Zeilen ausgeführt, Inschrift A2 auf der Vorderseite. Inschrift B am Opferkasten auf drei Flächen in der oberen Zeile, Inschrift C ebenfalls auf den drei Flächen in der Zeile darunter. Die Inschriften sind erhaben in vertiefter Zeile ausgeführt und farbig gefasst. In den Inschriften B und C alle u mit diakritischen Zeichen.

Maße: H.: 80,5 cm; B.: 27,7 cm (Opferkasten), 21,9 cm (Sockel); Bu.: 3,1 cm (A1–A3), 3,2 cm (B, C).

Schriftart(en): Kapitalis mit Minuskeln (A), Fraktur (B, C).

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Christine Wulf) [1/1]

  1. A1

    1 · COR : 16 · v · 21) · / PRov · 3 · v 272) / HEb · 13 · v · 163)

  2. A2

    DES ARMEN / HANDTa) / IST GOTTES / KASTEN4) / PRov: 19 · v · 17

  3. A3

    SIR: 14 · v : 165) / PSAL : 41 · v · 16) / PRov · 28 · v · 277) ·

  4. B

    Gebet // So wirdt Euch // Gegeben8)

  5. C

    Luc · 11: v · 419) // Luc: 6 · v · 3810) · // Matt: 5 · v · 711) ·

Kommentar

Die zeitliche Einordnung der Inschrift in das 17. Jahrhundert folgt von Poser.12) Die in der Inschrift verwendete Verszählung der Lutherbibel hatte sich erst gegen Ende des 16. Jahrhunderts durchgesetzt.13) Die genaue Nennung der biblischen Referenzstelle bindet die Pflicht zur Armenfürsorge an die normative Instanz des Neuen Testaments zurück, wie sie u. a. in der Braunschweigischen Kirchenordnung Johannes Bugenhagens formuliert wurde. Die früher geübte Praxis des Armenopfers, die in einem Tauschverhältnis von Almosen und Gebet für das Seelenheil des Spenders bestand, lehnte Bugenhagen mit den Worten ab: dar uns nichts van bevolen ist. Seine Kirchenordnung von 1528 empfiehlt ausdrücklich das Aufstellen von Opferstöcken in den Kirchen.14)

Textkritischer Apparat

  1. Danach die Darstellung einer Hand.

Anmerkungen

  1. 1. Ko. 16,2: Auff ja der Sabbather einen lege bey sich selbs ein jglicher vnter euch vnd samle was jn gut dünckt … ‚Am Sabbat lege jeder für sich zurecht und sammle, was ihm gut möglich ist …‘.
  2. Spr. 3,27: Wegere (‚weigere‘) dich nicht, dem Dürfftigen guts zu thun, so deine hand von Gott hat solchs zu thun.
  3. Heb. 13,16: Wol zu thun vnd mit zu teilen vergesset nicht, denn solche Opffer gefallen Gott wol.
  4. Der Text hat nur mittelbar mit der danach angegebenen Bibelstelle zu tun. Spr. 19,17: Wer sich des Armen erbarmt, der leihet dem Herrn.
  5. Sir. 14,16: Gib gern, so wirstu wider empfahen vnd heilige deine Seele.
  6. Ps. 41,1: Wol dem, der sich des Dürfftigen annimpt, den wird der Herr erretten zur bösen zeit.
  7. Spr. 28,27: Wer dem Armen gibt, dem wird nicht mangeln, wer aber seine augen ab wendet, der wird seer verderben.
  8. Lk. 6,38, vgl. die gleichlautende Inschrift auf den Opferstöcken in Burgstemmen Nr. 251 und Hoyershausen Nr. 253.
  9. Lk. 11,41: Doch gebt Almosen von dem das da ist, sihe, so ists euch alles rein.
  10. Bibelstellenangabe zu Inschrift B.
  11. Mt. 5,7: Selig sind die Barmhertzigen, denn sie werden barmhertzigkeit erlangen.
  12. Vgl. Ev. luth. Landeskirche Hannovers, Kunstreferat, Kunstgutkartei. In Kdm. Kreis Alfeld II (Gronau), S. 204 wird der Opferstock auf „um 1700“ datiert.
  13. Vgl. Die gantze Heilige Schrifft Deudsch. Wittenberg 1545, Bd. 1, hg. von Hans Volz unter Mitarbeit von Heinz Blanke. München 1972, Einleitung S. 58 mit Anm. 90a.
  14. Vgl. u. a. Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts, hg. von Emil Sehling. Bd. 6/1: Die Fürstentümer Wolfenbüttel und Lüneburg mit den Städten Braunschweig und Lüneburg. Tübingen 1955, S. 451; s. a. ‚Armenfürsorge, Reformationszeit‘ in Theologische Realenzyklopädie, Bd. 4, hg. von Horst Robert Balz u. a., Berlin/New York 1979, S. 32 (Robert Stupperich).

Nachweise

  1. Kdm. Kreis Alfeld II (Gronau), S. 204.

Zitierhinweis:
DI 88, Landkreis Hildesheim, Nr. 459 (Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di088g016k0045909.