Inschriftenkatalog: Landkreis Hildesheim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 88: Landkreis Hildesheim (2014)

Nr. 449 Oedelum, ev. Kirche vor 1650?

Beschreibung

Figur des Moses. Holz, farbig gefasst. Zum Zeitpunkt der Aufnahme im Jahr 2004 am Kanzelsockel angebracht. Ursprünglich war die relativ kleine Skulptur jedoch nicht als Kanzelträger in Funktion, sondern, wie noch das Kunstdenkmälerinventar von 1910 bezeugt, zusammen mit den vier Evangelisten Teil des figürlichen Schmucks am Kanzelkorb.1) Dargestellt ist der gehörnte Moses mit den Gesetzestafeln, auf denen die Zehn Gebote in hebräischen Buchstaben gold auf hellem Grund gemalt sind. Der Anfang des Dekalogs (Gebote 1–3) ist auf der rechten Tafel aufgemalt, die Fortsetzung auf der linken (Gebote 4–10).2) Auf der linken Tafel unterhalb der hellen Farbschicht direkt auf dem Holz sind ab Zeile 6 der hebräischen Inschrift überwiegend links am Rand zwischen den Zeilen einzelne Kapitalis-Buchstaben in schwarzer Farbe zu erkennen. An diesen Stellen ist der hebräische Text verloren.

Maße: H.: 42 cm (mit Sockel); Bu.: 0,6 cm.

Schriftart(en): Hebräische Buchstaben.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Christine Wulf) [1/1]

  1. יְהוָׄה / אֶת־שֵׁם / לֹא תִשָּׂא / אֲחֵרׅים׃ / לְךָ אֱלֺהׅים / לֺאיׅהְיֶה / עֲשֶׂרֶת / לְקַרְּשׁוֹ׃ / יׄום הַשּׁבָּת / זָכוׄר אֶת / לַשָּׁוְא׃ / אֱלֺהֶיךָ //לֹא תּׅננׄ[ב׃] / לֹא תּׅנ[אָף׃] / לֹא תּׅרְ[צָח׃] / אׅמֶּךָ׃ / אָבׅיךָ וְאֶת / כַּבַּד אֶת /לֹאתַחְמֹ[ד] / בֵּית רֵעֶ[ךָ] / לֹא תַחְמֹ[ד] / שָׁקֶ[ד׃] / בְרֵעֲךָ עֵ[ד] / לֹא־תַעֲנ[הֶ] /אֲשֶׁר לְרֵעֶ[ךָ׃] / וַחֲמֹרוֺ וְכֹ[ל] / מָתוֺ וְשׁ[וֺרוֺ] / וְעַבְדּוֺ וַא / אֵשֶׁת רֵעֶךָ

Übersetzung:

[Die] zehn [Worte:]3) / Nicht sein sollen / Dir Götter / andere.a) / Nicht sollst Du aussprechen / den Namen / des Herrn / Deines Gottes / frevelhaft. / Gedenke desb) / Sabbattages, / ihn zu heiligen. //

Ehre / Deinen Vater und / Deine Mutter. / Nicht sollst Du töten. / Nicht sollst Du ehebrechen. / Nicht sollst Du stehlen. / Nicht sollst Du aussagen / gegen Deinen Nächsten als Zeuge /[, als] falscher. / Nicht sollst Du begehren / Deines Nächsten Haus. / Nicht sollst Du begehren / Deines Nächsten Frau, / noch seinen Knecht, noch / seine Magd, noch sein Rind, / noch seinen Esel, noch alles, / was Deinem Nächsten gehört.

Kommentar

Die Kanzel ist nach der Datierung des Kunstdenkmälerinventars im Jahr 1550 entstanden.4) Die Mosesfigur könnte ebenfalls aus dieser Zeit stammen. Ob die Inschrift noch vor 1650 entstanden ist, lässt sich nicht entscheiden.

Vorlage für den Text auf den Tafeln war die Fassung des Dekalogs, wie sie im Buch Exodus überliefert ist,5) nicht die Version des Deuteronomium (vgl. Anm. b und weitere Belege).6)

Textkritischer Apparat

  1. An dieser Stelle fehlt im hebräischen Text עַל־פָּנָי ‚neben mir‘ (Ex. 20,3).
  2. זָכוֺר אֶת ] So in Ex. 20,8 ‚gedenke des‘; שָׁמֹוראֶת ‚halte den‘ (Dt. 5,12).

Anmerkungen

  1. Kdm. Kreis Marienburg, S. 153. – Zum figürlichen Schmuck an Kanzeln vgl. Peter Poscharsky, Die Kanzel. Erscheinungsformen im Protestantismus bis zum Ende des Barocks. Gütersloh 1963.
  2. Für die Edition, Übersetzung und Kommentierung danke ich Herrn Dr. Christian Schäfer, Septuaginta-Institut der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen.
  3. Zur Bezeichnung ‚Die zehn Worte‘ vgl. Ex. 34,28; Dt. 4,13.
  4. Kdm. Kreis Marienburg, S. 153.
  5. Ex. 20,3, 7a, 8, 12a, 13–17.
  6. Textvergleich durch Schäfer (wie Anm. 2).

Zitierhinweis:
DI 88, Landkreis Hildesheim, Nr. 449 (Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di088g016k0044903.