Inschriftenkatalog: Landkreis Hildesheim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 88: Landkreis Hildesheim (2014)

Nr. 343 Adensen, ev. Kirche St. Dionysius 1621, vor 1650?

Beschreibung

Altarretabel und -predella. Öl auf Holz. Es ist nicht sicher, ob die heute aus ihrem ursprünglichen Funktionszusammenhang als Altaraufbau isolierten Gemälde tatsächlich zu ein und demselben Altar gehört haben und ob beide Teile aus Adensen stammen. Das ehemalige Retabel zeigt eine Darstellung des Letzten Abendmahls. Auf der Rückseite die hell vor dunklem Hintergrund in unterschiedlich langen Zeilen aufgemalte Inschrift A.1) Die Predella zeigt in einem querovalen, von einem Blattwulst umgebenen Innenfeld das Bild einer Abendmahlsausteilung im Chor einer Kirche: Auf dem Altar befinden sich ein Kelch mit großer Kuppa, zwei Leuchter und ein aufgeschlagenes Buch. Das Altarretabel innerhalb des Bildes zeigt eine Kreuzigungsgruppe mit dunkel auf hellem Grund gemaltem Kreuztitulus B. Rechts und links des Altars im Chorgestühl zwölf Stiftsdamen(?)2) und zwei Männer. Vor dem Altar reicht der Pastor einem Kommunikanten die Oblate, sieben weitere männliche Kommunikanten stehen um den Altar herum, eine Stiftsdame geht zurück an ihren Platz. Auf der Rückseite der Predella, also ohne Bezug zum Bild der Abendmahlsausteilung, die kaum noch lesbare gemalte Inschrift C. Sie wurde möglicherweise absichtlich getilgt, Reste einer ursprünglich roten Farbfassung sind erkennbar.

Inschrift A ergänzt nach Kdm.

Maße: Retabel: H.: 107,7 cm; B.: 72 cm; Bu.: 2,6 cm (A). Predella: H.: 32,5 cm; B.: 84,5 cm; Bu.: 0,37 cm (B), 2 cm (C).

Schriftart(en): Fraktur und Kapitalis (A), Kapitalis (B, C).

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Christine Wulf) [1/3]

  1. A

    Jm Jahr / Nach Christi unsers Seligmachers / geburtt 16[2]1 / [ist dieser Altar new gema]cht und ge-/setzet / Da a[llhier gewesen / M(agister). Hinricus Dreveler] PASTOR / H[I]NRICVS [Homeier] gogräffe / [Dietric]h Kro[men] / unnd / Jac[ob] berchholt [A]ltarleut[e] / [ – – – ]o[ – – – ] / [M(agister)] HENRICVS D[r]e[v]el[e]r P(ASTOR) / 40 tala) / HENRICVS [Ho]meieR gogräffe. 60 tal / Di[etrich] Kromen. 60. tal / Wa[. . .]andt Kromen 50. tal. / [ – – – ] 30. gul. / [. .]t[.]r[. . . .]b) 18 gul / [. . .]d[. .] tun[. .]. 20 gu[l]

  2. B

    I(ESVS) N(AZARENVS) R(EX) I(VDAEORVM)3)

  3. C

    [ – – – ] / [ – – – ] SECVLV[M] MILLESI[M]O V[ – – – ] / [A]BSTINEANT FANO HOC QVI TEMPLA ARASQ(VE) PROFANANT / [ARAM HANC] PRO VER[O] DOGMATEc) SVBSTITVO / [ – – – ]d) VIOL[ENT]A [MA]NVS MANVS IS[TA - - -]VMe) / [- - - DEV]ASTANTf) TECTA SAC[R]ISQ(VE) NOCENT / [- - - FLAMMAE]g) ET [MIN]ANTIA QVAEQ(VE) RVINAM / HVIC [A]RAE NECNON AEDIBVS HISCE TVIS / VT MEMORARE TVVM HA[C] POSSIMVS NOM[EN IN AEDE] / POSSIT IDEM VT DEBET PLVRIM[A . . . . .]ITASh)

Übersetzung:

[…] Jahrhundert […] im tausendsten […]. Von diesem Heiligtum sollen sich

jene fernhalten, die Kirchen und Altäre entweihen. Für die wahre Lehre ersetze ich diesen

Altar. [Ihn zerstörte] die gewalttätige Horde, diese Horde [von Banditen], [die deine]

Gebäude verwüsten und die heiligen Gegenstände beschädigen. Feuer und alles, was mit

Zerstörung droht, möge [von nun an] diesen Altar und diese deine Kirche [verschonen], damit

wir in dieser Kirche deinen Namen in Ehren halten können, und damit eine zahlreiche

[Nachwelt] dasselbe tun kann, so wie sie es schuldig ist. (C)

Versmaß: Elegische Distichen (C).

Kommentar

Der in Adensen als Sohn eines Bauern geborene Heinrich Dreveler war von 1614 bis 1619 Pastor in Mariental (Lkr. Helmstedt). Danach übernahm er nach dem Tod seines Schwiegervaters Walter Lange (vgl. Nr. 324) dessen Pfarrstelle in seiner Heimatgemeinde. 1626 starb er an der Pest.4) Das in Verbindung mit dem Namen Heinrich Homeier überlieferte Amt des Gogrefen gehört zu den unterhalb des Amtmanns angesiedelten lokalen Ämtern. In den nordwestdeutschen Territorien hatte der Gogrefe richterliche Aufgaben am Gogericht und wurde im Zuge der Umwandlung des genossenschaftlichen Landgerichts zu einem landesherrlichen Bediensteten.5) Heinrich Homeier amtierte von 1616 bis 1636 als Gogrefe in Adensen.6) Da der Anfang von Inschrift C, der vermutlich ein Datum enthielt, fehlt, lässt sich nicht entscheiden, in welchem historischen Zusammenhang die in der Inschrift angesprochene Verwüstung der Kirche und die Zerstörung eines Vorgänger-Altars erfolgt sein könnten. Das Retabel mit der Stiftungsinschrift A stammt von 1621, folglich scheidet eine Zerstörung des Vorgänger-Altars im Dreißigjährigen Krieg aus, denn das Kriegsgeschehen berührte die Region erst später. Auch eine Zerstörung im weiteren Kriegsverlauf und eine spätere Anbringung der Inschrift ist zweifelhaft, da das Retabel-Bild mit dem Letzten Abendmahl diese ja überlebt hat, vorausgesetzt Retabel und ehemaliges Predellenbild stammen tatsächlich von ein- und demselben Altar und aus Adensen.

Textkritischer Apparat

  1. tal] ‚Taler‘.
  2. [. .]t[.]r[. . . .]] [Lütkerding] Kdm. Die Ergänzung lässt sich nicht mit dem Befund übereinbringen.
  3. DOGMATE] doc[trin?]a Kdm.
  4. Möglich wäre: DIRVIT HANC VIOL[ENT]A [MA]NVS.In der Übersetzung stehen die vorgeschlagenen Konjekturen in Klammern
  5. Möglich wäre: [LATRON]VM.
  6. Möglich wäre z. B.: [QVI TVA DEV]ASTANT.
  7. Möglich wäre: HINC PARCANT FLAMMAE.
  8. Vermutlich: [POSTER]ITAS.

Anmerkungen

  1. Ein heute in der St. Petri-Kirche in Halle (Lkr. Holzminden) aufgehängtes, 1620 entstandenes Gemälde mit der Darstellung des Letzten Abendmahls, das auch als Rest eines Altarretabels zu identifizieren ist, trägt auf der Rückseite eine ähnliche Stifterliste, vgl. DI 83 (Lkr. Holzminden), Nr. 212; s. a. die Stifterliste auf der Rückseite des Altarretabels in Lübbrechtsen Nr. 336.
  2. Vgl. Kdm. Kreis Springe, S. 3: „Wülfinghäuser Klosterdamen“. Das wenige Kilometer südwestlich von Adensen gelegene Kloster Wülfinghausen (Augustiner-Chorfrauen) erhielt 1386 den Patronat über die Kirche in Adensen. Der Wülfinghäuser Klosterbesitz wurde 1593 säkularisiert. Danach bestand der Konvent fort als evangelisches Damenstift. Vgl. Niedersächsisches Klosterbuch, Teil 3, S. 1567–1576 (Hager).
  3. Io. 19,19.
  4. Vgl. Meyer, Pastoren, Bd. 1, S. 4; Gercke, Sankt-Dionysius-Kirche, S. 20 u. S. 134. Zu der in der mündlichen Überlieferung mit dem Pastor Heinrich Dreveler in Verbindung gebrachten Inschrift über dem Gurtbogen der Adensener Kirche Ein Dingk kimpt seltzen s. Einleitung, Kap. 9.
  5. Zum Amt des Gogrefen vgl. Klingebiel, Lokale Amtsträger, S. 57 u. S. 59.
  6. Vgl. Gercke, Adensen und Hallerburg, S. 27 u. S. 145.

Nachweise

  1. Kdm. Kreis Springe, S. 4 (Inschrift A dort ergänzt nach einer älteren Abschrift des Kantors Röhrs).

Zitierhinweis:
DI 88, Landkreis Hildesheim, Nr. 343 (Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di088g016k0034309.