Inschriftenkatalog: Landkreis Hildesheim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 88: Landkreis Hildesheim (2014)

Nr. 121 Harbarnsen, ev. Kirche St. Michael 1. V. 16. Jh., 1648

Beschreibung

Kelch. Silber, vergoldet. Über einer Sockelplatte erhebt sich ein Sechspassfuß mit einer abgetreppten, durch Kreuzornamentik verzierten Zarge. Der Fuß geht über in einen sechsgratigen Fußhals, darüber ein sechseckiger Schaft mit reich verziertem Nodus. Die Kuppa ist von einem flachen Kelchkorb umgeben. Auf dem Fuß in einem der sechs Pässe eine aufgenietete vollplastische Kreuzigungsgruppe mit den beiden Schächern, am Kreuz der gravierte Titulus A. Im gegenüberliegenden Pass ein großes, ebenfalls aufgenietetes, von einem gravierten Kranz umgebenes Medaillon, darin auf einer achteckigen Tafel zwei Vollwappen, darüber die erhaben gegossenen Initialen B, die gravierte Jahreszahl unterhalb des achteckigen Feldes. Unter dem Fuß die eingravierten Inschriften C in zwei gegenüberliegenden Pässen zwischen zwei feinen Linien.

Maße: H.: 17,1 cm; Dm.: 17,6 cm (Fuß), 10,5 cm (Kuppa); Bu.: 0,2 cm (A, B), 0,3 cm (C).

Schriftart(en): Minuskel (A), Kapitalis (B, C).

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Christine Wulf) [1/3]

  1. A

    i(esus) n(azarenus) r(ex) i(udaeorum)1)

  2. B

    H(ENRICVS) B(VRCHTORF)a) A(NNA)a) V(ON) S(TOLBERG) // 1648

  3. C

    HENRICVS BVRCHTORF // ANNA V(ON) STOLBERG

Wappen:
Burchtorf*, Stolberg2)

Kommentar

Fuß und Schaftstücke des Kelchs und damit auch die Inschrift A sind auf das 1. Viertel des 16. Jahrhunderts zu datieren,3) während der umgearbeitete reich verzierte Nodus und die Kuppa im Rahmen der in den Inschriften B und C bezeugten Stiftung wohl neugestaltet worden sind.

Das in Inschrift B genannte Stiftungsjahr 1648 fällt mit dem Neubau der Gutskirche in Harbarnsen (Nr. 427) zusammen. Das Gut Harbarnsen – seit 1459 Eigentum der Familie von Steinberg – gelangte 1608 als Pfand an die Amtmannsfamilie Burchtorf. Der erste Inhaber war der Lamspringer Propst Jonas Burchtorf (Nr. 273 u. 326). Ihm folgte der in den Inschriften B und C genannte Heinrich Burchtorf, der das Herrenhaus und die Gutskirche neu erbauen ließ.4) Heinrich Burchtorf war Pächter der Winzenburg und Kanoniker des Stifts St. Simon und Juda in Goslar. Anna von Stolberg (geb. 1586) stammte aus der Verbindung des Grafen Wolf-Ernst zu Stolberg-Wernigerode mit Katharina Lappe (gest. 1634 in Goslar). Sie heiratete am 12. November 1627 in zweiter Ehe Heinrich Burchtorf. Beide Eheleute starben im Jahr 1657 und wurden in Goslar begraben.5)

Textkritischer Apparat

  1. Helmzier des Wappens ragt in die Inschrift hinein.

Anmerkungen

  1. Io. 19,19.
  2. Wappen Stolberg (geteilt, oben wachsender Hirsch, unten Fisch, Helmzier: drei Pfauenfedern). Das Wappen der aus einer standesungleichen Verbindung stammenden Anna von Stolberg entspricht nicht dem vielteiligen Wappen der Grafen von Stolberg-Wernigerode, vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 2, Abt. 9, S. 1 u. Tafel 1.
  3. Datierung nach Kdm. Kreis Alfeld I, S. 159.
  4. Vgl. Reden-Dohna, Rittersitze, S. 169. Vgl. auch Kommentar zu Nr. 427.
  5. Vgl. Europäische Stammtafeln, Bd. 17: Hessen und das Stammesherzogtum Sachsen, bearb. von Wilhelm Karl zu Isenburg/Frank Freytag von Loringhoven/Detlev Schwennicke. Marburg 1998, Tafel 100.

Nachweise

  1. Mithoff, Kunstdenkmale Fürstenthum Hildesheim, S. 87 (B, C).
  2. Graff, Geschichte des Kreises Alfeld, S. 471.
  3. Kdm. Kreis Alfeld I, S. 159.

Zitierhinweis:
DI 88, Landkreis Hildesheim, Nr. 121 (Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di088g016k0012103.