Inschriftenkatalog: Landkreis Hildesheim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 88: Landkreis Hildesheim (2014)

Nr. 112 Barfelde, ev. Kirche St. Johannes 1523

Beschreibung

Glocke. Bronze. Die erhaben gegossene Inschrift verläuft unterhalb der Glockenschulter zwischen zwei Riemenstegpaaren, zwei Perl- und zwei Kreuzblumenfriesen. Als Worttrenner Quadrangeln, als Satzzeichen Doppelpunkte.

Maße: H.: 73 cm; Dm.: 95 cm; Bu.: 2,7 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Christine Wulf) [1/2]

  1. + jhesus · maria · joannes : gherhardus · de · wou · me · fecit · : · anno · domini · m · ccccca) · ende1) · xxiii · laus · deo ·

Übersetzung:

Jesus. Maria. Johannes. Gerhard de Wou hat mich gemacht im Jahr des Herrn 1500 und 23. Lob sei Gott.

Kommentar

Kennzeichen der ästhetisch anspruchsvollen Inschrift sind zahlreiche Zierelemente, u. a. kleine Zierhäkchen am unteren Ende des gebrochenen Bogens von h oder kleine Nodi an beiden Enden des zum Zierstrich reduzierten Balkens von e. Der rechte Schaft des u ist im Unterschied zu n nicht gebrochen, sondern abgeschrägt. Der linke Schaft des u und die beiden linken Schäfte des w sind verlängert und knicken schräg nach links ab.

Gerhard de Wou2) gilt als der bedeutendste Glocken- und Stückgießer des späten Mittelalters. Von ihm sind 129 signierte Glocken bekannt, dazu gehören u. a. die 1497 für den Erfurter Dom gegossene „Gloriosa“ mit einem Durchmesser von 256 cm, die verlorenen Geläute aus der Hamburger St. Petri-Kirche und aus dem dortigen Dom sowie vier in den Jahren 1485/86 für Kirchen in Osnabrück gegossene Glocken.3) Seine älteste, für Kranenburg im Kreis Kleve gegossene Glocke stammt aus dem Jahr 1474; als seine jüngste Arbeit gilt diese Barfelder Glocke. Folglich wäre er 49 Jahre als Gießer tätig gewesen.

Textkritischer Apparat

  1. ccccc] Entgegen der Bemerkung Drömanns, ein c fehle, sind auf der Glocke tatsächlich fünf c sichtbar.

Anmerkungen

  1. ende ist nicht wie in der Übersetzung Drömanns im Sinne von „Ende 1523“ zu verstehen, sondern die im Niederrheinischen übliche Kopula anstelle des ostfälischen unde. Die im Hildesheimer Raum unübliche Kopula verweist auf die niederländische Herkunft des Gießers und vielleicht auch der Glocke.
  2. Zu Gerhard de Wou vgl. C. N. Fehrmann, De Kamper klokgieters, hun naaste verwanten en leerlingen. Kampen 1967; Claus Peter, Die Glocken des Meisters Gherardus de Wou, musikalische Vorbilder des Frankfurter Domgeläutes. In: Frankfurter Glockenbuch, hg. von Konrad Bund. Frankfurt/Main 1986, S. 355–405; Walter, Glockenkunde, S. 912–917.
  3. Vgl. DI 26 (Stadt Osnabrück), Nr. 60, 61, 62 u. 64 jeweils mit detaillierten Kommentaren zur Gießertätigkeit Gerhard de Wous.

Nachweise

  1. Mithoff, Kunstdenkmale Fürstenthum Hildesheim, S. 19.
  2. Kdm. Kreis Alfeld II (Gronau), S. 13.
  3. Drömann, Glocken, S. 67.

Zitierhinweis:
DI 88, Landkreis Hildesheim, Nr. 112 (Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di088g016k0011204.