Inschriftenkatalog: Landkreis Hildesheim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 88: Landkreis Hildesheim (2014)

Nr. 25 Marienrode, kath. Pfarr- u. Klosterkirche St. Michael 1437?

Beschreibung

Grabplatte für Alrad von Eldingen. Stein. Die Platte ist im südlichen Nebenchor in der Südwand in eine Nische wie eine Sitzbank eingemauert. Im Innenfeld der Grabplatte ist der Verstorbene in Ritzzeichnung kniend mit zum Gebet erhobenen Händen dargestellt. Er hält einen Rosenkranz. Unterhalb der Figur ein Wappenschild. Daneben ein kleinerer Wappenschild mit einem eingeritzten Buchstaben (A). Die eingehauene Inschrift B lief ursprünglich an vier Seiten um den Stein herum und wurde in zwei auf dem Kopf stehenden Zeilen im Innenfeld zu Ende geführt. Die Schmalseite über dem Kopf des Dargestellten ist komplett zerstört. Die Inschrift beginnt auf der vorderen bzw. rechten Langseite in Höhe des Wappens mit einer Kreuzblume. Die Buchstaben sind von außen zu lesen.

Inschrift B ergänzt nach Chronik Marienrode.

Maße: H.: 171 cm; B.: 64,5 cm; Bu.: 2 cm (A), 6 cm (B).

Schriftart(en): Kapitalis-Versal (A), gotische Minuskel mit Versalien (B).

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Christine Wulf) [1/3]

  1. A

    A

  2. B

    Alradi fossa su(n)t hac venerabilis ossa / [Qui Monachus factus] monachi vigilavit in act(us) · Annos p(ost) mille [duc] [x] [. .]a) / [tr]a(n)sijt ille · P(ost) hicb) / tra(n)slat(us) · // · v · ciluc) xxi tu/mulatusd)

Übersetzung:

In diesem Grab befinden sich die Gebeine des ehrwürdigen Alrad. Nachdem er Mönch geworden war, war er unermüdlich bestrebt, wie ein Mönch zu handeln. Nach 1000 und […] Jahren trat er in eine andere Welt ein. Danach wurde [sein Leichnam] nach seiner Überführung […] hier begraben. (B)

Versmaß: Vier Hexameter, zweisilbig leoninisch gereimt (B).

Wappen:
Eldingen1)

Kommentar

Die Inschrift ist in einer sorgfältig gehauenen, im Bereich der umlaufenden Inschrift schmalen gotischen Minuskel ausgeführt. v und u sind unterschieden, wobei u aus zwei unten nicht verbundenen Schäften besteht, von denen der rechte Schaft leicht geschwungen ist. i mit Punkten.

Ein Konverse Alrad von Riddagshausen (OCist) ist im Zusammenhang mit dem Ortsnamen Eldingen in einer Urkunde von 1231 genannt, die den Verkauf einer Hufe zu Schapen (heute Stadt Braunschweig) durch Propst Ludolf, Priorin Jutta und den Konvent von Katlenburg an die Kirche in Eldingen bezeugt.2) Wahrscheinlich gehörte der in der Urkunde genannte Aldag von Riddagshausen bzw. von Eldingen später dem im Jahr 1245 von Riddagshausen aus gegründeten Zisterzienserkloster Isenhagen (Lkr. Gifhorn) an,3) allerdings wohl weiterhin als Konverse; die Mönchsgelübde hat er – anders als die Grabinschrift vorgibt – eher nicht abgelegt. Bereits in Isenhagen zeichnete sich Alrad durch ein heiligmäßiges Leben aus.4) Sein Todestag ist der 11. November, das Todesjahr ist nicht bekannt. Da ihm bereits in Isenhagen bald nach seinem Tod Wunder nachgesagt wurden, dürfte Alrad um die Mitte der 50er Jahre des 13. Jahrhunderts, jedenfalls vor 1259, gestorben sein; denn in diesem Jahr verließen die Mönche Isenhagen nach einer Brandkatastrophe und begründeten in dem seit 1125 bestehenden Augustiner-Chorherrenstift Backenrode – seit 1439 „Marienrode“ genannt – auf Wunsch des Hildesheimer Bischofs Johann I. im Jahr 1259 ein Zisterzienserkloster. Der verehrte Leichnam Alrads wurde bei dieser Umsiedlung mitgeführt und in Backenrode/Marienrode in der Eingangshalle unter dem Turm begraben.5) Im Jahr 1437 wurde das Grab wohl im Zusammenhang mit dem Neubau der Kirche (vgl. Nr. 34) durch den Abt Heinrich von Bernten (1426–1452 u. 1454–1463)6) von dem zugemauerten Portal an einen würdigeren Ort vor den Eingang des ehemals im Süden befindlichen Kapitelsaals transferiert und mit einer neuen Grabinschrift versehen: videlicet ingredientibus capitulum ad dextram intra altare quod ibi posuit et ingressum.7) Ein brennendes Licht auf der Grabplatte Alrads konnte vom alten Kreuzgang und aus dem ehemaligen Kapitelsaal gesehen werden.8)

Textkritischer Apparat

  1. [duc] [x] [. .]] Lesung sehr unsicher, duc vielleicht ducentos ‚zweihundert‘.
  2. hic] c klein und hochgestellt.
  3. v · cilu] Der Sinn dieser Buchstabenfolge erschließt sich nicht.
  4. Annos … tu/mulatus] Fehlt Chronik, Letzner.

Anmerkungen

  1. Wappen Eldingen (zwei gegen einen Baum springende Löwen).
  2. STA Wolfenbüttel 24, Urk. 62 abgebildet auf der Internetseite der Schützengesellschaft Eldingen. http://eldingen1862.npage.de/eldingen-ist-aelter.html (letzter Zugriff am 15.08.2013).
  3. Zur Gründung und Filiation des Klosters Isenhagen vgl. Niedersächsisches Klosterbuch Teil 2, s. v. ‚Isenhagen‘, S. 855–862, hier S. 856 (Brandis).
  4. Vgl. Germania Benedictina XII, S. 393.
  5. UB Marienrode, Nr. 23; vgl. auch Sievert, Zisterzienser in Marienrode, S. 1–18; Johannes Köhler, Geschichte des Klosters Marienrode 1125–1806. In: Marienrode, S. 29–39, hier S. 30 (Umbenennung des Klosters in „Marienrode“).
  6. Amtszeiten des Abts Heinrich von Bernten nach Germania Benedictina XII, S. 430.
  7. ‚D. h. von den in den Kapitelsaal Eintretenden aus gesehen rechts zwischen dem Altar, den er dort errichtete, und dem Eingang‘. Vgl. Chronik Marienrode, Kap. 6, S. 437. An einer anderen Stelle in der Marienroder Chronik ist die Ortsangabe abweichend formuliert: (Chronik Marienrode, Kap. 12, S. 448): … Abbas Hinricus () effodit et transtulit ea de isto loco ad honestiorem et posuit ea inter januam et altare ante capitulum anno incarnationis Domini 1437, in die Sancti Guilhelmi episcopi et confessoris cum huiusmodi epitaphio brevi ‚Abt Heinrich grub sie (die Gebeine) aus und überführte sie von hier an einen würdigeren Ort und setzte sie zwischen der Tür und dem Altar vor dem Kapitelsaal im Jahr der Menschwerdung des Herrn 1437 am Tag des heiligen Bischofs und Bekenners Wilhelm bei mit dieser kurzen Grabschrift‘. Diese Ortsangabe könnte noch dem heutigen Anbringungsort entsprechen. Vgl. zu diesem Vorgang auch Germania Benedictina XII, S. 393. – Abweichend von der Überlieferung in der Chronik setzt Karl Bernhard Kruse die Verlegung des Grabes von Westen in den südlichen Nebenchor in das Jahr 1462, vgl. Karl Bernhard Kruse, Neue Erkenntnisse zur Baugeschichte des Klosters Marienrode. In: Marienrode, S. 53–56, hier S. 55.
  8. Vgl. Karl Bernhard Kruse, Die Baugeschichte des Klosters Marienrode. In: Heimatkalender 1989, S. 43–48, hier S. 47.

Nachweise

  1. Chronik Marienrode, S. 448.
  2. Letzner, SUB Göttingen Cod. Ms. Hist. 248, S. 896; Cod. Ms. Hist. 249, fol. 1005r.

Zitierhinweis:
DI 88, Landkreis Hildesheim, Nr. 25 (Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di088g016k0002506.