Inschriftenkatalog: Landkreis Hildesheim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 88: Landkreis Hildesheim (2014)

Nr. 12 Einum, kath. Pfarrkirche Unbefleckte Empfängnis Mariä 4. V. 14. Jh.

Beschreibung

Grabplatte für den Pfarrer Ludolf von Lesse. Stein. Die hochrechteckige Platte mit flachbogigem oberen Abschluss war zunächst an der Ostwand der Turmhalle aufgestellt, seit 1988 ist sie innen an der südlichen Stirnwand des Kirchenschiffes angebracht. Aufgefunden wurde sie in zwei Teilen im Zuge des Abbruchs der alten Kirche im Jahr 18741) vor den Stufen des Altars.2) Die im unteren Teil quer durchgebrochene Platte zeigt unter einem mit ins Quadrat gestellten Kreuzblumen besetzten Kielbogen den Verstorbenen in Ritzzeichnung im Gewand eines Geistlichen mit Kelch und Hostie, die er mit der rechten Hand segnet. Die eingehauene, vierseitig zwischen zwei Linien umlaufende Inschrift beginnt in der Mitte der linken Langseite, die Lücken sind nicht durch Beschädigungen entstanden, sondern für den Nachtrag des Sterbedatums freigelassen worden. Die Worttrenner sind als Kreise ausgeführt, nach in achte, cui(us) und a(n)i(m)a jeweils eine Raute.

Maße: H.: 216 cm; B.: 73 cm; Bu.: 5,5 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Christine Wulf) [1/2]

  1. + an(n)o d(omi)ni m ccca) 〈- - -〉 / obiit d(omi)n(u)s ludolphus / · de · lesse · plebanus · in achte · 〈- - -〉 cui(us) · a(n)i(m)a · re/quiescat in pac[e / a]men

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 13[. .] starb Herr Ludolf von Lesse, Pfarrer in Achtum […]. Seine Seele ruhe in Frieden. Amen.

Kommentar

Die Ober- und Unterlängen der Buchstaben ragen kaum über das Mittelband hinaus; signifikant ist das p mit einer sehr kurzen nach rechts umgebogenen Unterlänge.

Die unvollständige Jahreszahl spricht für eine Entstehung der Platte im 14. Jahrhundert. Die Verwendung der ab 1350 in Inschriften üblichen gotischen Minuskel, die im vorliegenden Fall keine Merkmale der frühen Ausprägung dieser Schriftform zeigt, legt eine Datierung der Platte in das vierte Viertel des 14. Jahrhunderts nahe.

Einum stand hinsichtlich der Parochialzugehörigkeit in einem Filialverhältnis zu Achtum,3) sodass der verstorbene Ludolf in der Inschrift zurecht als Pfarrer in Achtum bezeichnet wird. Die Pfarrgemeinde Einum hatte zwar – wie das Fresesche Lehnsregister von 1370 bezeugt4) – ein eigenes Gotteshaus, blieb aber weiterhin der Mutterkirche in Achtum untergeordnet, wie noch aus dem Schiedsspruch des Hildesheimer Domkapitels von 1527 hervorgeht, auch wenn der Pfarrer vermutlich zeitweise nicht in Achtum, sondern in Einum gewohnt hat.5) Ob dies auch für Ludolf von Lesse zutraf, ist nicht zu belegen. Da die Sterbedaten auf der Grabplatte nicht nachgetragen worden sind, muss offenbleiben, ob der Stein tatsächlich die Grablege Ludolfs in der Einumer Kirche bedeckt hat.6) Sie kann durchaus aus Achtum oder einem anderen Ort in späterer Zeit nach Einum gekommen sein. Als Zeugnis dafür, dass Einum zwischen 1465 und 1527 Achtum „den Rang abgelaufen hatte“ und Ludolphus vielleicht deshalb in der Einumer Kirche bestattet worden war, weil er für die Erweiterung des Kirchenbaus Sorge getragen hatte,7) ist die Platte schon aus Gründen der eher auf das 14. Jahrhundert deutenden Jahreszahl nicht hinreichend.

Textkritischer Apparat

  1. m ccc ] MCCCXXXVI oder MCCCLXXV Ergänzung Strecker im Inventar 1889. Strecker nimmt ohne weitere Belege an, dass Ludolf die erste, seit 1370 bezeugte Kapelle in Einum bauen ließ und das neuerbaute Gotteshaus zu seiner Grablege erwählt hatte.

Anmerkungen

  1. Zum Abbruchdatum vgl. Hartmann, Einum, S. 167; s. a. Bertram, Bistum, Bd. 3, S. 299.
  2. Vgl. Franz Aue, Aus der Geschichte der Einumer Kirche. In: Aus der Heimat 1950, Nr. 5, S. 3638.
  3. Vgl. Bertram, Bistum, Bd. 2, S. 258f.; Handbuch Bistum Hildesheim, Region Hildesheim, S. 60.
  4. Vgl. Hartmann, Einum, S. 79.
  5. Vgl. Hartmann, Einum, S. 81.
  6. Ob die Grabplatte zum Zeitpunkt ihrer Auffindung noch ein Grab bedeckte, ist nicht bekannt, vgl. Hartmann, Einum, S. 83.
  7. Hartmann, Einum, S. 83f. bietet eine Zusammenfassung von Vermutungen der älteren Forschung.

Nachweise

  1. Kdm. Kreis Marienburg, S. 45f.

Zitierhinweis:
DI 88, Landkreis Hildesheim, Nr. 12 (Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di088g016k0001209.