Die Inschriften des Landkreises Hildesheim

3. Die Standorte der Inschriften

Die Inschriftenstandorte des Landkreises Hildesheim verteilen sich auf sechs kleinere Landstädte, fünf geistliche Institutionen und insgesamt 118 Dörfer. Sonderbestände mit nur wenigen Inschriften bieten die Burgen Wohldenberg, Steinbrück und Steuerwald, das Gut Wispenstein und die Schlösser Henneckenrode und Brüggen.

3.1 Die Städte

Auf die Städte entfallen nur insgesamt 92 (knapp 20%) der überlieferten Inschriften.14) Ein wesentlicher Grund für diese verhältnismäßig schmale städtische Überlieferung liegt in den zahlreichen Bränden, die in den Städten die komplette Substanz an den zumeist in Fachwerkbauweise errichteten Häusern zerstört haben, lange bevor das historische Interesse an der Bewahrung ihrer Inschriften einsetzte.15) Ein weiterer Grund liegt in den verheerenden Zerstörungen durch den Dreißigjährigen Krieg, der diesen Landstrich besonders stark betroffen hat.16)

Innerhalb der sechs Landstädte entfällt der größte Anteil der Inschriftenüberlieferung mit 48 Objekten auf Alfeld, das im Jahr 1258 zum ersten Mal als civitas urkundlich erwähnt wird.17) Die dem heiligen Nikolaus geweihte Pfarrkirche lässt sich allerdings baugeschichtlich erst im frühen 15. Jahrhundert fassen. Die 1423 am Türsturz der Steinbergkapelle (Nr. 15) angebrachte Inschrift ist folglich zu den frühen Baunachrichten zu rechnen. Sie verweist mit der Nennung einer capella nobilium de steynberg darauf, dass die Kirche bereits im Mittelalter eine wichtige Funktion als Ort der Memoria für die in Alfeld und der Umgebung begüterten Adelsfamilien hatte, zu denen neben der Familie von Steinberg (Nr. 180, 192, 290, 305) auch die Familie von Wrisberg (Nr. 197, 297) gehörte. Die wenigen überlieferten Beispiele für Grabinschriften des Adels stammen jedoch sämtlich erst aus der frühen Neuzeit, als auch Angehörige der bürgerlichen Oberschicht (Nr. 270, 271, 286) und die Pastorenfamilie Breuning (Nr. 354) sowie der Oberamtmann Heinrich Heinemeier (Nr. 178) Grabdenkmäler in St. Nicolai errichten ließen. Mit wenigen Ausnahmen (Nr.  178, 180, 192) wurden in den Jahren 1888/89 die Grabdenkmäler aus der St. Nicolai-Kirche entfernt und an den Außenwänden der Kirche angebracht oder auf dem Kirchhof aufgestellt (u. a. Nr. 197, 354). Sicherlich sind in diesem Zusammenhang viele weitere Grabplatten verloren gegangen.

Von der mittelalterlichen Ausstattung sind lediglich ein Leuchterpaar (Nr. 55), eine Glocke (Nr. 36) und ein Kelch (Nr. 82) inschriftlich bezeugt. Ein spätestens 1502 entstandenes Altarretabel des in Hildesheim und Braunschweig tätigen Schnitzers Konrad Borgentrik (Nr. 84) wurde 1882 nach Köln verkauft, ein weiteres Retabel aus der Zeit um 1525–1530 wird heute in der Landesgalerie [Druckseite 15] Hannover aufbewahrt (Nr. 137).18) Im Jahr 1542 wurde in Alfeld die Reformation eingeführt, die neue Lehre konnte sich aber erst 1568 unter Herzog Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel nachhaltig etablieren. Aus der Zeit danach sind nur wenige Leuchterstiftungen (Nr. 281, 335, 344) und der Guss einer neuen Glocke (Nr. 353) inschriftlich dokumentiert.

Der Bestand an überlieferten Hausinschriften aus Alfeld ist für eine Fachwerkstadt unerwartet schmal. Den überwiegenden Anteil liefert die in den Jahren 1610 bis 1612 errichtete Lateinschule (Nr. 311). Mit ihren allegorisch illustrierten Brüstungstafeln steht sie in der Tradition des Hildesheimer Fachwerkbaus und seiner durch reichen Figurenschmuck gekennzeichneten Fassadengestaltung. Kriegszerstörungen, Brände, vor allem aber stadtplanerische Vorstellungen des 19. Jahrhunderts haben die Pracht dieses Baustils, den in Hildesheim um 1600 etwa 40 Häuser repräsentierten, nahezu völlig ausgelöscht.19) In Alfeld gehören neben der Lateinschule nur noch das ehemalige Kalandhaus (Nr. 330) und ein privates Wohnhaus (Nr. 318) in diese Tradition.

Der Standort Gronau ist mit 15 Inschriften vertreten. Die bei Renovierungsarbeiten in der dem heiligen Matthäus geweihten Pfarrkirche zufällig gefundene mittelalterliche Grabplatte für Florinus von Dahlum (Nr. 11) aus dem dritten Viertel des 14. Jahrhunderts ist das einzige Beispiel für ein mittelalterliches Rittergrabdenkmal im gesamten Bestand. Wenn sie tatsächlich aus Gronau stammt, ist sie einem Vorgängerbau der 1457 begonnenen St. Matthäi-Kirche zuzuordnen (Nr. 31). Im Übrigen ist die Gronauer Inschriftenüberlieferung geprägt von den repräsentativen Burgmannshöfen der Familien von Dötzum (Nr. 165), Bock von Wülfingen (Nr. 212, 321) und Bock von Northolz (Nr. 230).

In Bockenem ist die Inschriftenüberlieferung durch vier Brände in den Jahren 1831 bis 1834 und vor allem durch den Brand des Jahres 1847, dem mehr als drei Viertel der Stadt zum Opfer gefallen sind, nahezu vollkommen zerstört worden.20) Nach diesem Brand wurde die 1403 geweihte St. Pankratius-Kirche zwar weitgehend originalgetreu wiederhergestellt, doch sämtliche Grabplatten, Glocken oder Altarretabel, mit deren Bewahrung man eigentlich hätte rechnen können, sind verloren gegangen, jedenfalls werden sie in keiner der historischen Darstellungen erwähnt. Lediglich einzelne kleinere Ausstattungsobjekte wie eine Hostienbüchse (Nr. 402), zwei Kelche (Nr. 387, 448) und ein im Jahr 1603 von dem Bürgermeister Johannes Barchmann (Nr. 285) für das St. Spiritus-Hospital gestifteter Leuchter haben sich erhalten.

In Sarstedt konzentriert sich die ebenfalls geringe Überlieferung (neun Inschriften) – mit Ausnahme einer Mühleninschrift (A1, Nr. 51) – auf die Pfarrkirche St. Nicolai, die seit dem 14. Jahrhundert als Archidiakonatskirche bezeugt ist.21) 1457 wurde zur gleichen Zeit wie in Gronau (Nr. 31) der Chor dieser Kirche unter Benutzung älterer Bausubstanz errichtet (Nr. 30). Zwei Grabdenkmäler (Nr. 252, 266) unsicherer Provenienz – das eine verweist auf eine Hannoveraner Familie (Nr. 266) – sind heute in der Kirche angebracht. Die in der Zeit des Dreißigjährigen Kriegs erneuerten Glocken (Nr. 367, 422), Altarleuchter (Nr. 382) und das große Altarretabel von 1640 (Nr. 394) sind Beispiele dafür, dass in der Region fast überall am Ende des Dreißigjährigen Kriegs große Teile der Kirchenausstattung ergänzt bzw. neu angefertigt werden mussten.

Auch in Elze ist die Inschriftenüberlieferung spätestens durch den Brand im Jahr 1824 so stark dezimiert worden,22) dass bis auf einen Stein vom Rathaus (Nr. 150) keine Zeugnisse städtischer oder bürgerlicher Selbstrepräsentation vorhanden sind. Überliefert sind die Inschriften von zwei städtischen Adelshöfen der Familie Bock von Wülfingen (Nr. 166, 198) und drei Kelchen (Nr. 78, 127, 438), von denen allerdings nur der letzte sicher aus Elze stammt. [Druckseite 16]

In Bad Salzdetfurth verweist ein Datum auf dem Soltmännekenstein (A1, Nr. 25), der ursprünglich am Bürgermeisterhaus angebracht war, auf die Bedeutung der nahegelegenen Salzquellen für die Stadt.23)

3.2 Die Klöster und Stifte

Moritzberg, Stift St. Mauritius:24) Der Hildesheimer Bischof Godehard (1022–1038) errichtete 1025 auf dem westlich der Stadt Hildesheim gelegenen Zierenberg ein monasterium und weihte es 1028 dem Heiligen Mauritius. Bischof Hezilo (1054–1079) besetzte es zunächst mit Kanonissen, wandelte es aber wenig später um in ein Kollegiatstift mit Propstei, Dechanei, Scholasterei, Küsterei, Archidiakonat und 16 Kanonikerstellen. Bischof Otto I. erweiterte diese Dignitäten im Jahr 1273 um die Kantorei. Die Propstei erhielt bis zum Ende des 16. Jahrhunderts ein adliger Angehöriger des Domkapitels, im Jahr 1594 ging das Amt des Propstes auf den Fürstbischof über (Nr. 269). Von der mittelalterlichen Ausstattung haben sich bis auf einen prunkvollen Kelch, den sogenannten Hezilo-Kelch aus dem ersten Viertel des 12. Jahrhunderts (Nr. 1), nur ein Kreuzreliquiar aus dem 15. Jahrhundert und die Figur einer weiblichen Heiligen (Nr. 116) erhalten. Grund für diese schmale mittelalterliche Überlieferung des nach dem Domstift angesehensten Hildesheimer Stifts sind u. a. Zerstörungen in den Jahren 1437 durch Hildesheimer Bürger und die Plünderung durch braunschweigische Soldaten während der Hildesheimer Stiftsfehde im Jahr 1522. St. Mauritius blieb bis zu seiner Aufhebung im Jahr 1810 katholisch und dient bis heute als katholische Pfarrkirche.

Den Schwerpunkt der Inschriftenüberlieferung bildet eine Reihe von zwölf heute im Kreuzgang angebrachten Grabplatten für Kanoniker aus den Jahren 1507 bis 1631, deren Inschriften in einigen Fällen die enge Ämterverflechtung von St. Mauritius mit dem Domstift und dem Stift Heilig Kreuz in Hildesheim deutlich werden lassen (Nr. 334, 340, 351).

Kloster Lamspringe:25) Um 847 gründeten ein Graf Ricdag und seine Gemahlin Imhild in Lamspringe eine geistliche Frauengemeinschaft (Nr. 35). Erste urkundliche Bezeugungen stammen aus den Jahren 872/873. Sowohl bei der Gründungsgeschichte als auch bei den beiden Urkunden handelt es sich jedoch um Fälschungen von Notaren der bischöflichen Kanzlei in Hildesheim aus dem 12. Jahrhundert. Zu Beginn des 12. Jahrhunderts reformierte Bischof Berthold I. von Hildesheim (1119–1130) den Konvent nach der Regel des heiligen Benedikt; 1455 erfolgte der Anschluss des Klosters an die Bursfelder Kongregation. Seit 1195 hatte Lamspringe den Status eines „Hausklosters“ der Familie von Steinberg, die das Kloster immer wieder mit umfangreichen Stiftungen bedachte und bis zur Reformation dort eine ihrer Grablegen hatte (Nr. 151, 153).26) Während der Hildesheimer Stiftsfehde wurde das Kloster im Jahr 1522 von Söldnern Herzog Heinrichs d. J. von Braunschweig-Wolfenbüttel in Brand gesteckt. Im Quedlinburger Rezess, der die Stiftsfehde beendete, fiel Lamspringe an das Fürstentum Wolfenbüttel. 1568 wurde durch Herzog Julius die Reformation eingeführt. In dieser Zeit endete auch die Funktion des Klosters als Grablege der Familie von Steinberg, die seit 1570 ihre Verstorbenen in der evangelischen Kirche in Alfeld und ab 1576 auch in den Kirchen ihres Familiensitzes Bodenburg beisetzen ließ. 1573 wurde der Klosterschatz eingezogen, von dessen Inschriften nur noch ein Stiftervermerk auf einem Kelch aus der Zeit um [Druckseite 17] 1479 Zeugnis gibt (Nr. 42).27) Bis zur endgültigen Restitution des Großen Stifts im Jahr 1643 blieb das Kloster evangelisch (Nr. 326), danach wurde es von englischen Benediktinern neu besiedelt und 1803 aufgehoben.

Augustiner-Chorherrenstift Wittenburg:28) Das in der Nähe von Elze im Herzogtum Calenberg gelegene Stift Wittenburg erhielt im Jahr 1328 seine Ordnung als Augustiner-Chorherrenstift, nachdem es bis dahin als Klause mit sechs Mönchen bestanden hatte. Bereits 1423 schloss es sich als erstes Stift in Niedersachsen der Windesheimer Reform-Kongregation an und wurde zum Mittelpunkt der Klosterreform in Sachsen. Aus dieser Zeit stammt die dichteste Inschriftenüberlieferung: zunächst das Epitaph des 1434 verstorbenen gelehrten Historikers und Theologen Dietrich Engelhus, eines Wittenburger Donatpriesters (Nr. 23), sowie die Bauinschriften, welche die Fertigstellung und Einwölbung der Laienkirche in den Jahren 1496 und 1498 bezeugen (Nr. 56, 59). Die Baumaßnahmen wurden im Priorat Gottfried von Teylas (1437–1451) begonnen und in der Amtszeit des 1525 verstorbenen Priors Stephanus Scaep de Molenbeke (Nr. 113) vollendet. Stephanus kam, wie sein Namenszusatz deutlich macht, aus dem Augustiner-Chorherrenstift Möllenbeck (Lkr. Schaumburg). Von dort hat er neben dem ordensspezifischen Bautyp offenbar auch ordenseigene Normen zur Gestaltung der Bauzier mitgebracht, wie sich an den 1498 gesetzten Gewölbeschlusssteinen der Laienkirche ablesen lässt (Nr. 59). Im Jahr 1543 unterzogen sich die Wittenburger Chorherren der evangelischen Visitation. Am Beginn der Regierungszeit von Herzog Heinrich Julius (reg. 1589–1613) wurde das Stift säkularisiert und als Amt Wittenburg in die Großvogtei Calenberg integriert. Aus dieser Zeit ist eine vom Landesherrn 1590 gestiftete Taufe (Nr. 231) sowie die Grabplatte des Cord von Mengersen (gest. 1613, Nr. 323) überliefert, der in Wittenburg das Drostenamt innehatte. Eine verlorene Glockeninschrift von 1642 nennt einen Wittenburger Amtmann Daniel Ludwig (Nr. 401). Die Kirche lässt bis heute die Trennung in eine im Osten gelegene Brüderkirche (ursprünglich der Chor, heute Gemeindekirche) und eine im Westen befindliche Laienkirche erkennen. Kreuzgang und Konventsgebäude sind vollständig zerstört.

Kloster Marienrode:29) Am Ort des heutigen Klosters Marienrode – damals „Backenrode“ genannt – stiftete der Hildesheimer Bischof Berthold (1119–1130) ein Augustiner-Chorherrenstift. Dieses Stift wurde um die Mitte des 13. Jahrhunderts aufgelöst und im Jahr 1259 mit Zisterziensermönchen aus Isenhagen, deren Kloster einem Brand zum Opfer gefallen war, neu besiedelt. 1439 erfolgte die Umbenennung des Klosters in „Marienrode“. Die schmale, diskontinuierliche Inschriftenüberlieferung konzentriert sich auf die Zeit der Klosterreform unter Abt Heinrich von Bernten (1426–1452 u. 1454–1463), die in Baumaßnahmen (Nr. 34) sichtbaren Ausdruck fand. Aus dem Reformgedanken heraus entstand vermutlich auch die Grabplatte für Alrad von Eldingen (Nr. 25), mit der das Gedenken an den bereits in Isenhagen verstorbenen und als Heiligen verehrten Konversen in Marienrode erneuert wurde. Im Jahr 1538 stellte sich Marienrode unter den Schutz des Calenberger Herzogs. 1584 gelangte es dann unter die Landeshoheit des Fürstentums Braunschweig-Wolfenbüttel. Aus dieser Zeit sind lediglich zwei Kelche bezeugt, von denen einer wahrscheinlich nicht ursprünglich aus Marienrode stammt (Nr. 215, 216). Auch nach Wiederherstellung des Großen Stifts im Jahr 1629 blieb Marienrode als einziges katholisches Kloster unter braunschweigischer, ab 1635 calenbergischer Landesherrschaft. Kirchenrechtlich war Marienrode seit 1260 exemt bis zur Aufhebung des Klosters 1806. Im Jahr 1988 wurde Marienrode mit Benediktinerinnen neu besiedelt.

Kloster Derneburg:30) 1143 wurde in Derneburg unweit der heutigen Gemeinde Holle die Einrichtung eines Augustiner-Chorherrenstifts geplant. Die Stiftung kam nicht zustande, erst 1213 wurde [Druckseite 18] ein Chorfrauenkonvent aus Holle in Derneburg angesiedelt. Als Stifter traten überwiegend Angehörige des niederen Adels auf (Nr. 109), die Stiftsangehörigen kamen aus adeligen und bürgerlichen Familien in Hildesheim und Braunschweig. Bereits 1542/43 galt Derneburg als der neuen Konfession zugehörig, 1588 wurde es in ein evangelisches Damenstift umgewandelt (Nr. 264). Mit dem Restitutionsedikt von 1629 fiel es aber zunächst vorläufig und 1643 endgültig wieder an den Bischof von Hildesheim. Bis zur Säkularisation im Jahr 1803 bestand Derneburg als Zisterzienserkloster.

3.3 Die Dörfer31)

Gut drei Viertel der Inschriften des Bearbeitungsgebiets entfallen auf 118 Standorte mit dörflicher Struktur.32) Zentrum der Dörfer und auch der Inschriftenüberlieferung waren die Pfarrkirchen und Kapellen. Inschriften an Häusern und an den Wohnbauten des Adels sind dagegen nur sehr vereinzelt überliefert. Zu den ältesten und größten Pfarrkirchen in den Dörfern des Hildesheimer Lands gehört die Archidiakonatskirche in Lühnde, die als dreischiffige Pfeilerbasilika mit Querhaus und drei Apsiden aus dem 12. Jahrhundert zu rekonstruieren ist.33) Von der romanischen oder gotischen Bausubstanz der übrigen, zumeist deutlich kleineren Kirchen hat sich kaum etwas erhalten. Vielfach verweisen nur noch vereinzelte Stücke der Kirchenausstattung, insbesondere die frühen Glocken, auf die Existenz älterer Vorgängerbauten. Aus romanischer Zeit sind oft noch die Türme stehen geblieben,34) von den gotischen Kirchenbauten35) sind meistens nur noch Reste zu finden, die in einzelnen Fällen auch inschriftlich datiert sind.36) Dem heutigen Besucher vermitteln die meisten Kirchen des Bearbeitungsgebiets ein Bild, das von der Bautätigkeit des späten 17. und des 18. Jahrhunderts geprägt ist; denn auch in der zweiten Hälfte des 16. und der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts waren nur wenige neue Kirchen entstanden. Bemerkenswert ist daher der Neubau von zwei kleineren Schlosskapellen in Brüggen (1567) durch Cord von Steinberg (Nr. 193) und in Henneckenrode im Jahr 1597 durch Burchard von Saldern (Nr. 259). Weitere Neu- und Umbauten aus dieser Zeit sind u. a. in Evensen (Nr. 273), in Rott (A1, Nr. 21), in Sehlem (A1, Nr. 23), in Burgstemmen (A1, Nr. 36) und in Rheden (Nr. 313, Erneuerung der Apsis 1610/1611) bezeugt; hinzu kommt der Neubau einer Hofkapelle in Harbarnsen (Nr. 427), die auch als Gemeindekirche fungierte. Den wohl bedeutendsten, auch inschriftlich gut belegten Neubau stellt die Martinskirche in Wrisbergholzen dar, deren Kirchenschiff im Jahr 1621 errichtet wurde (Nr. 301, 345, 347, A1, Nr. 41).37) Bereits im Jahr 1607 war das Kircheninnere u. a. durch den Bau einer Gruft umgestaltet worden, in die man die bis dahin im Chor aufgestellten Grabdenkmäler der Patronatsfamilie von Wrisberg transferierte (Nr. 302).

Von etwa 20 der dörflichen Pfarrkirchen sind ab dem ersten Viertel des 16. Jahrhunderts Inschriften überliefert, in denen der landsässige Adel repräsentativ in Erscheinung tritt.38) Das gilt zu [Druckseite 19] allererst für die St. Johannis-Kirche in Bodenburg mit der Grablege und den Stiftungen der Familie von Steinberg39) sowie für die Martinskirche in Wrisbergholzen mit den entsprechenden Inschriften der Familie von Wrisberg. Spuren adeliger Stiftungen und Grablegen finden sich auch in den Pfarrkirchen von Wülfingen (Familie Bock von Wülfingen: Nr. 238, 256), Almstedt (von der Asseburg: Nr. 158), Wehrstedt (von Steinberg: Nr. 174, seit 1570 von Stopler: Nr. 325, 458), Brunkensen (von Wrisberg: Nr. 364), Banteln mit der Feldberger Kapelle (von Dötzum, von Bennigsen: Nr. 203, 234, 378), Rheden (von Reden: Nr. 185), Volkersheim (von Cramm: Nr. 209), Listringen (von Wallmoden: Nr. 224, 407), Irmenseul (von Stöckheim: Nr. 236, 249, 245, 250, 282) und Sellenstedt (von Rauschenplatt: Nr. 322, 327); hinsichtlich der Zahl und der Bedeutung ihrer Inschriften reichen sie freilich an Bodenburg und Wrisbergholzen nicht heran. Die Inschriften anderer Pfarrkirchen lassen Zusammenhänge mit einem Amtssitz erkennen, wie z. B. Hoheneggelsen (Amt Steinbrück: Nr. 235), Holle (Amt Wohldenberg: Nr. 317, 355, 396, 404) Eberholzen (Amt Gronau: Nr. 315), Adenstedt (Amt Winzenburg: Nr. 338) und nach 1589 auch Wittenburg (Nr. 323). Schließlich sind auch die evangelischen Geistlichen und die wohlhabenden Angehörigen der Bauerschaften in den frühneuzeitlichen Inschriften der Dörfer im Landkreis Hildesheim stark repräsentiert.

Zitationshinweis:

DI 88, Landkreis Hildesheim, Einleitung, 3. Die Standorte der Inschriften (Christine Wulf), in: inschriften.net,  urn:nbn:de:0238-di088g016e008.

  1. Allein die Inschriften der Stadt Duderstadt machen etwa ein Sechstel des in seiner Größenordnung dem Inschriftenbestand des Landkreises Hildesheim vergleichbaren Landkreises Göttingen aus, vgl. DI 66 (Lkr. Göttingen), S. 15. Für die Stadt Einbeck (DI 42 Stadt Einbeck) ließen sich – zieht man die Inschriften der eingemeindeten Orte ab – 154 Inschriften nachweisen. »
  2. Im Jahr 1846 fiel etwa die Hälfte der Stadt Alfeld einem Brand zum Opfer. »
  3. Die Ereignisse des Dreißigjährigen Kriegs in der Region schildert u. a. der Bockenemer Arzt Dr. Conrad Jordan, Acta bellorum Hildesiensium. Tagebuch des Dr. Conrad Jordan von 1614 bis 1659, bearbeitet von Hans Schlotter. Hildesheim 1985. Zum Dreißigjährigen Krieg in der Region vgl. auch Manfred Klaube, Bockenem im Ambergau. Eine Neufassung und Aktualisierung der Geschichte der Stadt. Bockenem 2010, S. 59–63. »
  4. Vgl. UB Hochstift Hildesheim, Bd. 2, Nr. 1090. »
  5. Die übrige gotische Ausstattung ging bei der Erneuerung der St. Nicolai-Kirche in den Jahren 1888/89 verloren, vgl. Graff, Geschichte des Kreises Alfeld, S. 610. »
  6. Ein weiteres Beispiel für figürlichen Fassadenschmuck in der Tradition des Hildesheimer Fachwerkbaus ist das Eickesche Haus in Einbeck, vgl. DI 42 (Stadt Einbeck), Nr. 133»
  7. Vgl. Kdm. Kreis Marienburg, S. 18–31. »
  8. Vgl. Kdm. Kreis Hildesheim, S. 176–189. »
  9. Vgl. Kdm. Kreis Alfeld II (Gronau), S. 65–77. »
  10. Näheres zur Stadtgeschichte Bad Salzdetfurths s. Kdm. Kreis Marienburg, S. 157–162. »
  11. Grundlage des Folgenden ist: Niedersächsisches Klosterbuch, Teil 2, S. 698–705 (Aschoff). »
  12. Zum Folgenden vgl. Niedersächsisches Klosterbuch, Teil 2, S. 901–908 (Dylong) und Hedwig Röckelein, Schreibende Klosterfrauen – allgemeine Praxis oder Sonderfall? In: Die gelehrten Bräute Christi. Geistesleben und Bräuche der Nonnen im Mittelalter, hg. von Christa Bertelsmeier-Kierst u. a. (Wolfenbütteler Hefte 22) Wiesbaden 2008, S. 15–38, hier S. 17f. »
  13. Vgl. Reden-Dohna, Rittersitze, S. 154 u. 189. – Nach Behrens, Herren von Steinberg, waren u. a. Conrad von Steinberg (gest. 1523) und seine Ehefrau in Lamspringe bestattet (S. 25). Behrens bezeugt auch zahlreiche Stiftungen dieser Familie zugunsten des Klosters. Als Priorinnen amtierten zweimal Angehörige der Familie: Ilsabe von Steinberg (1390–1391) und Gisela von Steinberg (1542–1553), vgl. Niedersächsisches Klosterbuch, Teil 2, S. 907 (Dylong). »
  14. Zur Verlustgeschichte des Lamspringer Kirchenschatzes vgl. Renate Oldermann-Meier, Der Kirchenschatz des ehemaligen Benediktinerinnenklosters Lamspringe: Zusammensetzung und Einziehung zur Zeit der lutherischen Reformation. In: Diözese 66 (1998), S. 33–59. »
  15. Zum Folgenden vgl. Köhler, Klosterkirche Wittenburg, passim; s. a. Niedersächsisches Klosterbuch, Teil 3, S. 1551–1555 (Sosnitza). »
  16. Zum Folgenden vgl. Niedersächsisches Klosterbuch, Teil 2, S. 1006–1015 (Knapp). »
  17. Zum Folgenden vgl. Niedersächsisches Klosterbuch, Teil 1, S. 322–329 (Pischke). »
  18. Zur wirtschaftlichen Struktur der Dörfer vgl. Renate Dürr, Dörfer des Kleinen Stifts. Einwohnerzahlen und Besitzverhältnisse in der Frühen Neuzeit. In: Jahrbuch Bistum Hildesheim 73 (2005), S. 11–34. »
  19. Eine Übersicht gibt die Karte des Bearbeitungsgebiets unter der Registerkarte Materialien. Ausführliche historische Einführungen zu jedem Inschriftenstandort geben die Bände der Kunstdenkmälerinventare. »
  20. Vgl. Kdm. Kreis Hildesheim, S. 148f. »
  21. Vgl. Kdm. Kreis Marienburg, S. 5; Kdm. Kreis Hildesheim, S. V; Türme aus romanischer Zeit sind z. B. in Adenstedt, Bledeln, Eberholzen, Heersum, Holle, Hönnersum, Hoheneggelsen (Oberkirche), Petze und Wrisbergholzen erhalten. »
  22. Die Kapelle St. Magdalenen in der Burg Steuerwald (Nr. 89) von 1507 bietet ein Zeugnis für den gotischen Kirchenbau, kann aber im engeren Sinne nicht als dörfliche Pfarrkirche gelten. »
  23. Vgl. u. a. Adensen (Nr. 53f., A1, Nr. 6, 11), Bültum (A1, Nr. 10), Grafelde (A1, Nr. 12, 13), Heinum (Nr. 85, 1503), Sehlem (Nr. 52, Bau des Westturms 1494), Woltershausen (Nr. 90 Spolien eines älteren Baus von 1509). »
  24. Vgl. Kdm. Kreis Alfeld I, S. 308. »
  25. Zum Folgenden vgl. Reden-Dohna, Rittersitze, S. 202f. (Almstedt), S. 199–201 (Wehrstedt), S. 58 (Brunkensen), S. 76–83 (Banteln), S. 71–75 (Rheden), S. 271–278 (Heinde), S. 167–168 (Irmenseul), S. 164–166 (Sellenstedt). »
  26. Die älteste Inschrift der Familie von Steinberg in Bodenburg stammt aus dem Jahr 1596 (Stiftung eines Kelchs), 18 weitere Inschriften mit Bezug zu dieser Familie sind in Bodenburg überliefert. Im gesamten Bestand weisen 31 Inschriften einen Zusammenhang mit Angehörigen dieser Familie auf. Die Familie von Wrisberg ist mit 21 Inschriften vertreten. »