Inschriftenkatalog: Stadt Helmstedt
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 61: Stadt Helmstedt (2005)
Nr. 365 St. Stephani E. 17. Jh.
Beschreibung
Epitaph des Georg Calixt. Weißer, schwarzer und gesprenkelter Marmor, Ölgemälde. An der Südseite des nördlichen Choreckpfeilers. Vor Nische unter Flachbogen und gerahmt von zwei Pilastern vollplastische Engelsfigur, die Linke auf hochrechteckige Tafel aus schwarzem Marmor gestützt. Auf der Tafel in einem ovalen, plastischen Blätterkranz die Inschrift. Über dem Engel auf dem Flachbogen in gekrönter Blatteinfassung Brustbild des Verstorbenen zwischen zwei trauernden Putten, unter dem Engel konsolenartiger Abschluß, darin Wappenschild mit Mitra und gekreuzten Abtsstäben. Inschrift leicht eingetieft und farbig gefaßt, weiß auf schwarzem Grund.
Maße: H.: ca. 280 cm; B.: ca. 155 cm; Bu.: 2,5–4 cm.
Schriftart(en): Kapitalis, teilweise schrägliegend.
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THEOLOGUS / ENCOMIIS OMNIBUS / MAJOR / GEORGIUS / CALIXTUS / ABBAS REGIAE / LUTTERAE / ACAD(EMIAE) JULIAE PROFESSOR / PRIMARIUS / RESURRECTIONEM / HIC EXPECTAT / OBIIT / ANNO MDCLVI / MARTII DIE XIX / AETATIS LXX
Übersetzung:
Ein Theologe, größer als alle Lobreden preisen können, Georg Calixt, Abt von Königslutter, Professor primarius an der Academia Julia, erwartet hier die Auferstehung. Er starb im Jahre 1656 am 19. März im siebzigsten Lebensjahr.
Georg Calixt, Abt von Königslutter1) |
Anmerkungen
- Wappen Calixt, Abt von Königslutter: quadriert, 1. und 4. Schwert und Schlüssel, gekreuzt, 2. und 3. geharnischter Arm mit Schwert, das ein Herz, aus dessen Wunden Flügel wachsen, und eine Krone durchbohrt, nach l. Vgl. Siebmacher, Wappenbuch, Bd. 1, 5. Abt., 2. Reihe, ND Bd. 8, S. 24 und Bd. 5, 3. Abt., ND Bd. 9, S. 21.
- Unwidersprochen seit 1896 Meier, Kunstdenkmäler, S. 67f.
- Uffenbach, Reisen, S. 189.
- DI 33 (Stadt Jena), Nr. 244 Theologus omnibus encomiis bonorum omnium suffragio maior. Der Stein ist nicht mehr erhalten.
- M. Honecker, „Gerhard, Johann“. In: TRE 12, S. 448. Das Folgende ebenda.
- Zitatbeleg bei C. Böttigheimer, Zwischen Polemik und Irenik. Die Theologie der einen Kirche bei Georg Calixt, Münster 1996, S. 246. Zu den unterschiedlichen Grundpositionen beider Theologen vgl. J. Wallmann, Der Theologiebegriff bei Johann Gerhard und Georg Calixt, Tübingen 1961.
- Ob ENCOMIIS OMNIBUS MAJOR sich im Neulatein bis zur Abfassungszeit der beiden Inschriften zur Formel entwickelt hat, läßt sich mangels einschlägiger Lexika nicht überprüfen. Im klassischen und spätantiken Latein ist es jedenfalls nicht belegt, vgl. ThLL 5,2, Sp. 560, 3–7 zum ohnehin seltenen ENCOMIUM.
Nachweise
- Uffenbach, Reisen, S. 189.
- Böhmer, Inscriptiones, S. 2.
- Koch bei Meier, Monumenta Julia.
- Chrysander, Diptycha, S. 106.
- Querner 1, S. 13.
- Henze, Helmstedt, S. 35 (Abb.).
Zitierhinweis:
DI 61, Stadt Helmstedt, Nr. 365 (Ingrid Henze), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di061g011k0036502.
Kommentar
Zur Person des Verstorbenen vgl. Nr. 340.
Das qualitätvoll gearbeitete Epitaph gilt als Werk des beginnenden 18. Jahrhunderts2), wäre demnach also etwa fünfzig Jahre nach dem Tode Georg Calixts entstanden. Als erster bezeugt es Uffenbach, der es 1709 bei seinem Besuch in Helmstedt gesehen hat3). Die im übrigen konventionelle Inschrift greift mit der Formel THEOLOGUS ENCOMIIS OMNIBUS MAJOR eine Wendung auf, die ebenso auf dem Grabstein des Jenaer Theologen Johann Gerhard (1582–1637) in der Jenaer Stadtkirche St. Michaelis zu lesen war4). Johann Gerhard „gilt als der gelehrteste und bekannteste Vertreter der lutherischen Orthodoxie“5). Unter seinem Einfluß erfuhr die durch Martini (vgl. Nr. 141) und Georg Calixt bestimmte Helmstedter Theologie auf dem in Jena 1621 tagenden Konvent orthodoxer lutherischer Theologen eine kritische Zurückweisung. Unabhängig davon und ungewöhnlich für den oft polemischen Stil, in dem Lehrdifferenzen zu dieser Zeit ausgetragen wurden, hat Johann Gerhard seinen Kontrahenten Georg Calixt als herausragenden Theologen (Theologus eximius) anerkannt und bezeichnet6). Wenn der Verfasser der Helmstedter Inschrift die Formulierung aus der Grabschrift des berühmten orthodoxen Dogmatikers und Diskussionsgegners übernommen haben sollte – eine zufällige Übereinstimmung ist natürlich nicht auszuschließen7), – wäre sie als besonderer Beitrag innerhalb des sich auch nach Calixts Tod fortsetzenden Orthodoxiedisputs zu lesen. Als Verfasser der Inschrift kommt zuallererst Calixts gleichgesinnter Nachfolger in allen Ämtern und Verwalter seines literarischen Nachlasses, sein Sohn Friedrich Ulrich in Frage. Er dürfte auch das Porträt seines Vaters im Juleum 1696 (vgl. Nr. 340) in Auftrag gegeben haben. Da Friedrich Ulrich 1701 verstarb (vgl. Nr. 339), ist das Epitaph eher in die letzten Jahre des 17. Jahrhunderts als in das beginnende 18. Jahrhundert zu datieren.