Inschriftenkatalog: Stadt Helmstedt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 61: Stadt Helmstedt (2005)

Nr. 359† St. Stephani 1700

Beschreibung

Grabdenkmal des Samuel Sauvage. Es wird von Böhmer 1710 unter den Steinen im südlichen Teil des Friedhofes aufgeführt1).

Inschrift nach Böhmer.

  1. D(eo) o(ptimo) m(aximo) s(acrum) Sub hoc tumulo conquiescit SAMVEL SAWAGE e prouincia Cenomannorum in Galliis oriundus vir pietate doctrina candore vitaeque integritate praestans In ecclesia reformata natus et educatus medicis ac mathematicis studiis se dedit relicta patria et Italia peragrata in Germaniam se conferens tam in aula Guelphica quam in academia Iulia constitutus in hac Gallicae linguae Lector publicus Gallicam & Italicam linguam cum laude docuit Tandem d(ie) XX m(ensis) Maii a(nno) MDCC aet(atis) suae LI placidissime obdormiuit librorum supellectilem amicis huius loci pecuniam pauperibus per tabulas vltimae voluntatis suae relinquendo Quisquis haec legis leuem pie defuncto precare terram qui nemini in vita sua fuit grauis Academia Iulia bene merito viro m(onumentum) h(oc) p(oni) c(urauit) titulum amico veteri Iustus Christoph(orus) Böhmer polit(ices) P(rofessor) P(ublicus) l(ugens) m(aerens)q(ue) scripsit

Übersetzung:

Gott, dem Besten und Größten, geweiht. Unter diesem Hügel ruht Samuel Sauvage, aus dem Gebiet der Cenomannen in Frankreich gebürtig, ein Mann, der sich auszeichnete durch Frömmigkeit, Bildung, Lauterkeit und rechtschaffene Lebensführung. Als Glied der reformierten Kirche geboren und erzogen, widmete er sich dem Studium der Medizin und Mathematik. Er verließ sein Vaterland, durchwanderte Italien, begab sich nach Deutschland (und lebte) am welfischen Hof ebenso wie an der Academia Julia. An dieser wurde er als öffentlicher Lektor der französischen Sprache angestellt und lehrte unter allgemeiner Anerkennung Französisch und Italienisch. Endlich entschlief er ganz sanft am 20. Mai im Jahre 1700 im einundfünfzigsten Lebensjahr2). Seine Bibliothek hinterließ er nach der Niederschrift seines letzten Willens den Freunden an diesem Ort, sein Geld den Armen. Der du dies liest, bete um eine leichte Erde für den fromm Verstorbenen, der in seinem Leben niemandem beschwerlich gewesen ist. Die Academia Julia ließ dem wohlverdienten Mann dies Denkmal setzen. Die Inschrift für den alten Freund verfaßte Justus Christoph Böhmer, öffentlicher Professor der Politik, in Trauer und Schmerz.

Kommentar

Die Verlegenheit der Universität Helmstedt, Angaben zum Lebenslauf des zugewanderten Französischlektors zu machen, wird im Funeralprogramm offen ausgesprochen3). Justus Christoph Böhmer4), der im Auftrag der Universität die Inschrift formulierte, stützte sich in der Frage der Herkunft des Verstorbenen auf einen der wenigen greifbaren Aktenvermerke, den Matrikeleintrag vom 19. September 1686 ex provincia Coenomanorum in Gallia5). Gemeint ist damit das Gebiet um Le Mans6). Die weiteren Angaben gehen auf eigene Erzählungen Sauvages zurück. Sie entsprechen in Kurzfassung denen des Funeralprogramms, das zum Thema Nachlaß auch Teile des französisch abgefaßten Testamentes mit abgedruckt hat. Die Beziehung des sich wegen seines reformierten Bekenntnisses in Frankreich verfolgt fühlenden Sauvage zum Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel ging auf eine persönliche Bekanntschaft mit Herzog August Wilhelm zurück, die 1679 in Paris entstanden war7). Sauvage lehrte seit 1687 am welfischen Hof Französisch und bekam 1692 die frei gewordene Lektorstelle an der Universität Helmstedt übertragen.

Anmerkungen

  1. Böhmer, Inscriptiones, S. 112 LAPIDES SEPVLCHRALES in parte coemiterii posteriore mit S. 126f.
  2. Oder „im Alter von einundfünfzig Jahren“? Zur Übersetzung von aetatis vgl. S. 35f. der Einleitung.
  3. Programma in funere .. Samuelis Sauvage, Helmstedt o. J. (1700) Moris quidem est ut dum beate defunctorum funera indicimus simul etiam illorum majores educationem vitaeque a primo aetate fata recenseamus prolixe. Recedimus .. a laudabili ista consuetudine inviti quamlibet cum nihil vel parum eorum a Sauvagio annotatum inter schedas illius potuerit hactenus reperiri. (Es ist zwar Sitte, daß, wenn wir die Trauerfeier für selig Verstorbene anzeigen, wir auch zugleich ausführlich ihre Vorfahren, ihren Bildungsgang und ihre Lebensschicksale von frühster Jugend an vorstellen. Von dieser löblichen Gewohnheit weichen wir, wenn auch wider Willen, ab, da nichts oder nur wenige Notizen Sauvages dazu sich bis jetzt zwischen den Papieren seines Nachlasses finden ließen). – Kurzbiographie des Samuel Sauvage bei Ahrens, Lehrkräfte, S. 199f.
  4. Zu Böhmer vgl. S. 24ff. der Einleitung.
  5. Matrikel Helmstedt, Bd. 3, S. 6.
  6. Orbis Latinus, Lexikon lateinischer geographischer Namen des Mittelalters und der Neuzeit, bearb. und hg. von H. Pechl und anderen, Bd. 1, Braunschweig 1972, S. 482.
  7. Programma in funere, wie Anm. 3. Das Folgende ebenda.

Nachweise

  1. Böhmer, Inscriptiones, S. 126f.

Zitierhinweis:
DI 61, Stadt Helmstedt, Nr. 359† (Ingrid Henze), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di061g011k0035901.