Inschriftenkatalog: Stadt Helmstedt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 61: Stadt Helmstedt (2005)

Nr. 355 St. Stephani 1700

Beschreibung

Grabplatte Heinrich Meiboms d. J. Sandstein. An der nördlichen Außenwand der Kirche, rechts vom Ostportal. Ihr ursprünglicher Platz wohl im Westteil des Chores ist bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts bezeugt1). Meier sah den Stein 1896 bereits an der nördlichen Kirchenaußenwand2). Auf der hochrechteckigen Platte in den Ecken oben zwei Vollwappen mit Beischriften A und B, unten zwei Vollwappen mit Beischriften C und D. Dazwischen verläuft Inschrift E zeilenweise über die Platte. Unten in der Mitte Totenkopf über gekreuzten Knochen. Inschriften eingehauen.

Maße: H.: 223 cm; B.: 126 cm; Bu.: 3 cm (A–D), 4–10 cm (E).

Schriftart(en): Versalschrift.

Sabine Wehking [1/1]

  1. A

    MEJBAUM

  2. B

    OBERBERG

  3. C

    SOPHJA [BOE]KELS

  4. D

    WOBBE GEU[E]KOTEN

  5. E

    D(EO) . O(PTJMO) . M(AXJMO) . S(ACRUM) / EXUVJAE . HJC . SJTAE . SUNT / HENRJCJ . MEJBOMJJ . / LUBECENSJS . DOCTORJS . IN . ACADEMJA / JULJA . ET . PROFESSORJS . MEDJCJ(NAE) . HJSTORJ/ARUM . AC . POESEOS . ET . ARCHJATRJ . GUELPHJCJ / JNGENJO . DOCTRJNA . ATQVE . USU . EXCELLEN/TJS . JNFJMJS . AEQVE . AC . PRJNCJPJBUS . VJRJS / GRATJSSJMJ . MAXJMO . SUORUM . MOERORE / AC . PUBLJCO . OMNJUM . LUCTU . PJE . UT . VJXJT / DEFUNCTJ . ANNO . MDCCa) . VII . CAL(ENDAS) . APRJLJS3) / CUM . VJXJSSET . AN(NOS) . LXI . MENSES . VIII . DJ-/ES . XIV . VALETUDJNJS . PRJNCJPUM . CU-/RAE . ET . PROFESSJONJ . MEDJCAE / ANNOS . XXXVI . HJSTORJARUM / ET . POESEOS . XXII . PRAEFUJSSET / ANNA . SOPHJA . DAETRJA / ET . IV . LJBERJ . SUPERSTJTES . MARJ-/TO . DESJDERATJSSJMO . AC . PA-/RENTJ . OPTJMO . CUM . LA-/CRYMJS . POSUERUNT

Übersetzung:

Gott, dem Besten und Größten, geweiht. Hier liegen die sterblichen Überreste Heinrich Meiboms aus Lübeck, Doktor und Professor der Medizin, Geschichte und Dichtkunst an der Academia Julia und welfischer Leibarzt. Herausragend begabt, gelehrt und erfahren, war er bei Volk und Vornehmen gleichermaßen beliebt. Zum größten Schmerz seiner Angehörigen und unter allgemeiner öffentlicher Anteilnahme starb er fromm, wie er lebte, im Jahre 1700 am 7. Tag vor den Kalenden des April, nachdem er einundsechzig Jahre, acht Monate und vierzehn Tage gelebt hatte. Sechsunddreißig Jahre war er fürstlicher Leibarzt und Professor der Medizin, zweiundzwanzig Jahre hatte er die Professur für Geschichte und Poesie inne. Anna Sophia Daetrius und vier hinterbliebene Kinder setzten dem schmerzlichst vermißten Gatten und besten Vater unter Tränen (dieses Denkmal). (E)

Wappen:
Meibom4)Oberberg5)
Böckel6)Gevekot7)

Kommentar

Der Verstorbene gehört zu den bekanntesten Gelehrten der Universität Helmstedt. Zu seinen bleibenden wissenschaftlichen Verdiensten zählen u. a. die Entdeckung der Augenliderdrüsen und landesgeschichtlich bedeutende Quelleneditionen8).

Seine am überlieferten Formular orientierte Grabschrift hat ihren Schwerpunkt in der Wiedergabe der beruflichen Daten. Die Berechnung der Dienstzeit als Professor der Medizin – sechsunddreißig Jahre – geht vom Dienstantritt als außerordentlicher Professor im Jahre 1664 aus; ordentlicher Professor wurde Meibom 1665. Den Lehrstuhl für Geschichte und Dichtung erhielt er 1678 übertragen. Als welfischer Leibarzt diente er seit 1664 den Herzögen August dem Jüngeren, Rudolph August und Anton Ulrich. Die Berechnung seiner Lebenszeit auf dem Stein und im Funeralprogramm gibt mit einundsechzig Jahren, acht Monaten und vierzehn Tagen zehn Tage weniger als die Leichenpredigt an. Heinrich Meibom wurde am 29. Juni 1638 geboren und starb am 26. März9) 1700. Die Abweichung dürfte darauf zurückzuführen sein, daß die Quellen den 1700 im Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel eingeführten Gregorianischen Kalender zu unterschiedlichen Zeitpunkten in Gebrauch nahmen. Mit der das Grabdenkmal setzenden Anna Sophie, Tochter des Oberhofpredigers und Konsistorialdirektors Brandanus Daetrius, war Meibom seit dem 30. August 1664 verheiratet. Von den zehn Kindern des Ehepaares waren beim Tode Heinrich Meiboms sechs bereits verstorben. Bekannt sind die Grabschriften zweier Söhne und zweier Töchter (vgl. Nrr. 228, 235 und 255). Drei der inschriftlich genannten vier hinterbliebenen Kinder lehrten später als Professoren an der Universität Helmstedt10). Die Inschrift enthält sich eines Hinweises auf die Vorfahren des Verstorbenen, seinen berühmten Großvater Heinrich Meibom d. Ä. (vgl. Nr. 86) und seinen Vater Johann Heinrich, Professor der Medizin in Helmstedt von 1619 bis 162911), danach Stadtphysikus in Lübeck, wo Heinrich geboren wurde. Nicht der Erwähnung für wert befunden wurden auch die langjährigen Bildungs- und Studienreisen Meiboms, auf deren einer er in Angers am 31. Januar 1663 zum Doktor der Medizin promoviert worden ist.

Der Stein trägt Wappen u. a. der Familie der Mutter Elisabeth Oberberg, Tochter des Syndikus in Minden und späteren mecklenburgischen Rates Johannes Oberberg, und – in ungewöhnlicher Weise mit den weiblichen Vornamen versehen – die Wappen der Großmutter väterlicherseits, der Tochter Sophia des Wolfenbütteler Leibarztes David Böckel, und der Großmutter mütterlicherseits, der Tochter Wöbbe des Mindener Patriziers Daniel Gevekot.

Von Meiboms Tätigkeit in Ämtern der akademischen Selbstverwaltung – er war u. a. siebenmal Vizerektor und zwölfmal Dekan – legen die Inschriften Nrr. 77 und 346 Zeugnis ab, von seiner privaten Bautätigkeit Nrr. 249 und 218.

Textkritischer Apparat

  1. Neulateinische Zahlzeichen.

Anmerkungen

  1. Böhmer, Inscriptiones, S. 1 IN CHORO mit S. 6, Uffenbach, Reisen, S. 190 Bey dem kleinen Altar linker Hand, bey dem Küster=Stuhle, Querner 1, S. 19 neben dem Custosstuhle.
  2. Meier, Kunstdenkmäler, S. 71.
  3. 26. März.
  4. Wappen Meibom: quadriert, 1. und 4. Schwan nach l., 2. und 3. Baum. Vgl. Zimmermann, Album, S. 428.
  5. Wappen Oberberg: geteilt, oben zwei Lilien?, unten Baum.
  6. Wappen Böckel: Balken, von drei Löwenköpfen begleitet. Vgl. Zimmermann, Album, S. 408.
  7. Wappen Gevekot: Balken, von drei Rosen? begleitet.
  8. Zu ihm NDB 16, S. 631. Das Folgende auch nach F. Weise, Gedächtnis=predigt .. am tage der beerdigung Des .. Heinrich Meibaums, Helmstedt o. J. (1700) und Programma in funere .. Henrici Meibomii, o. O. und J. (Helmstedt 1700). Vgl. auch Triebs, Medizinische Fakultät, S. 59 und Ahrens, Lehrkräfte, S. 154f.
  9. Nach Leichenpredigt und Funeralprogramm, wie Anm. 8, starb er am 26. März gegen ein Uhr nachts. In NDB 16, S. 631 wird daraus 25. März.
  10. Zu ihnen NDB 16, S. 631 mit weiterweisender Literatur.
  11. Zu ihm Zimmermann, Album, S. 417.

Nachweise

  1. Böhmer, Inscriptiones, S. 6f.
  2. Koch bei Meier, Monumenta Julia.
  3. Uffenbach, Reisen, S. 190.
  4. Querner 1, S. 19.
  5. Henze, Helmstedt, S. 48f.

Zitierhinweis:
DI 61, Stadt Helmstedt, Nr. 355 (Ingrid Henze), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di061g011k0035506.