Inschriftenkatalog: Stadt Helmstedt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 61: Stadt Helmstedt (2005)

Nr. 334 St. Stephani 1695

Beschreibung

Grabplatte des Franz Cuno und seiner Ehefrau Anna Köter. Sandstein. An der südlichen Choraußenmauer zwischen Nr. 195 und Nr. 385. Eingerahmt von diesen Steinen hing das Grabdenkmal nach der Inschriftenfolge bei Böhmer auch 1710 an der Außenmauer der Kirche1). Hochrechteckige Platte mit von Ranke gerahmtem, ovalem Schriftfeld. Die Inschrift ist in zwei Kolumnen, links für Franz Cuno, rechts für Anna Köter, angeordnet. Die Kolumnen sind am Anfang und am Ende verbunden durch Aussagen, die für beide Verstorbenen gelten. Die zwei letzten Zeilen der Kolumne des Ehemannes hat der Steinmetz über beide Spalten gesetzt. Außerhalb des Schriftfeldes reicher, hochplastisch gearbeiteter Schmuck, neben vegetabilen Ornamenten in den Ecken oben je ein Engel, ein Vollwappen haltend, unten je ein weinender Engel und in der Mitte Totenkopf über Knochen. Inschrift erhaben ausgehauen.

Ergänzungen nach Böhmer.

Maße: H.: 222 cm; B.: 140 cm; Bu.: 3–5 cm.

Schriftart(en): Schrägliegende Kapitalis.

Sabine Wehking [1/1]

  1. HEUS VIATOR /

    QVOT DAMNA / UNICO EX SAEVAE FALCIS / ICTU / XXX IULIIa) MDCXCV / INFLICTO / FRANCISCO CUNONI / HALDENSLEB(II) XV / DEC(EMBRIS) MDCXXXI NATO?b) / ORBANTUR ORDINES DUCAT[U]S / PRUDENTISSIMO COLLEGA / TEMPLA PERPETUO INSTAURATORE2) / URBS AEQVISSIMO CONSULE / SCABINATUS INTEGERRIMO PRAESIDE / PAUPERES MUNIFICO BENEFACTORE / FILIUS DENIQVE DUAEQVE GNATAE / ET EX TERTIA BEATA / RELICTA NEPOS / AMANTISSIMO PATRE AVOQVE / [T]ANTAE TAMQVE MULTIS DILECTAE / ANIMAE DOMUM HAEREDES / [H]IC REPOSUER[E ET] L[U]CTUS SUI INDIC[EM] / [H]OC [SAXUM MO]ERE[NTES P(OSUERE)] //

    EXUVIAS / INTE(GE)RRIMAE MATRONAE / ANNAE KÖTERIAE / HELMST(ADII) XXII SEPT(EMBRIS) / MDCXXIII NATAE / ANNOQVE MDCXL NUPTAE / CHRISTIANO SCHOFIO / EX HOC VIII LIBERORUM MATRIS / EX QVIBUS SUPERSTITES / FILIUS TRESQVE FILIAE / MARITO HOC MDCLVIII VIDUATAE / [SOC]IATAEQVE DENUO / MDC[L]X [T]ORO / FRANCISCI CUNONIS / QVEM FILIO ET IV FILIABUS / BEARAT / AD MELIORA FATA XVIII APRIL(IS) / M[DC]XCIV EVOCATAE / EX ULT[IM]O CONIUGIO RELICTI / LIBE[R]I / CALI[D]IS[S]IMIS PROS[EQVE]NTUR / [L]ACRYMI[S] /

    SPOLIA QVAE [M]ORTIS HIC SITA NOSTI / PARI[A E]X[SP]ECTANS ABI

Übersetzung:

Wanderer, hör zu!

Wie viele Lücken riß ein einziger Streich der grausamen Todessichel, den Franz Cuno, geboren am 15. Dezember 1631 in Haldensleben, am 30. Juli 1695 erlitt? Beraubt werden die Stände des Herzogtums eines höchst weisen Kollegen, die Kirchengebäude eines unermüdlichen Erneuerers, die Stadt eines unparteiischen Bürgermeisters, das Schöffengericht eines außerordentlich rechtschaffenen Vorsitzenden, die Armen eines freigebigen Wohltäters, der Sohn schließlich, die zwei Töchter und die von der dritten, selig verstorbenen Tochter hinterlassene Enkelin des innigstgeliebten Vaters und Großvaters. Die Wohnstatt einer so großen und so vielen Menschen teuren Seele beerdigten die Erben hier und setzten voll Schmerz diesen Stein als Künder ihrer Trauer.

Den sterblichen Überresten der höchst rechtschaffenen Frau Anna Köter, geboren in Helmstedt am 22. September 1623 und im Jahre 1640 verheiratet mit Christian Schoof, von dem sie Mutter von acht Kindern wurde – ein Sohn und drei Töchter leben noch –, dieses Ehemannes 1658 beraubt, 1660 aufs neue verheiratet und zwar mit Franz Cuno, den sie mit einem Sohn und vier Töchtern beschenkt hatte, abberufen in ein besseres Leben am 18. April 1694, deren sterblichen Überresten werden die aus ihrer letzten Ehe hinterbliebenen Kinder die allerheißesten Tränen nachweinen.

Du kennst nun die Beute des Todes, die hier liegt. Geh von hinnen in Erwartung des Gleichen!

Wappen:
Cuno3), Köter4)

Kommentar

Die Biographie des Franz Cuno bietet ein Beispiel dafür, daß die Stadt Helmstedt dank der Universität auch über den engeren Kreis der Universitätsangehörigen hinaus Neubürger anzog. Geboren am 15. Dezember 16315) als Sohn eines Kaufmanns in Haldensleben, mußte sich Franz Cuno wegen der Kriegsumstände a Musis ad Mercurium wenden, d. h. seine Schulausbildung in Braunschweig abbrechen und als Kaufmann einen Broterwerb suchen. 1646 zog er deswegen nach Helmstedt. Die Möglichkeit, sich mit Hilfe von Kollegmitschriften befreundeter Studenten juristische Grundkenntnisse anzueignen, hielt ihn hier ebenso fest wie die Förderung, die er von seinem Lehrherrn, dem kinderlosen Christoph Roier (vgl. Nr. 191) erfuhr. 1660 heiratete er Anna Köter und erwarb gleichzeitig das Bürgerrecht. Ihm wurde, worauf die Inschrift anspielt, die Verwaltung des Armenkastens an St. Stephani und die Leitung der Kirchenbauhütte übertragen. Seit 1669 war er Ratsmitglied, seit 1683 Bürgermeister und Mitglied des Ständekollegiums des Fürstentums. Er verstarb am 30. Juni6) 1695 und wurde am 14. Juli mit akademischen Ehren beigesetzt.

Zusammen mit seiner Frau stiftete er 1679 den Altar in St. Walpurgis (vgl. Nr. 265). Sein Name ist ferner verzeichnet auf einer Bleitafel im Turmknauf von St. Stephani (Nr. 285), einer Zinktafel im Knauf des sog. Hausmannsturms (Nr. 299) und einer Glocke von St. Walpurgis (Nr. 332).

Seine Ehefrau Anna Köter, älteste der beiden überlebenden Töchter des Bürgermeisters Jakob Köter (vgl. Nr. 234), war in erster Ehe verheiratet mit dem Kaufmann und Kirchenvorsteher an St. Stephani, Christian Schoof. Sein Name befand sich an der dortigen Chorprieche (vgl. Nr. 173). Er verstarb nach der Inschrift 16587). Seine Witwe, Mutter von vier lebenden Kindern, heiratete im Alter von siebenunddreißig Jahren den um acht Jahre jüngeren Franz Cuno. Sie war um diese Zeit Eigentümerin des Hauses Markt 13/148). Die älteste Tochter aus dieser Ehe wurde später Ehefrau des Bürgermeisters Richard Seiden (vgl. Nr. 397), die zweitälteste Domina des Klosters St. Marienberg (vgl. Nr. 453). Bei der inschriftlich erwähnten NEPOS handelt es sich um die in der Grabschrift der zweitjüngsten Tochter (Nr. 337) genannte Enkeltochter.

Die Inschrift, die von den Erben, darunter dem einzigen Sohn, einem Arzt, gesetzt wurde, verzichtet gänzlich auf den Gebrauch christlichen Vokabulars.

Textkritischer Apparat

  1. IULII] Für IUNII – vgl. dazu Kommentar.
  2. Hinter NATO ein fragezeichenähnliches Zeichen. Schon von Böhmer als Fragezeichen wiedergegeben.

Anmerkungen

  1. Böhmer, Inscriptiones, S. 30 MONVMENTA LAPIDESQVE parietibus templi externis adfixi mit S. 42f.
  2. instaurator aus der Titulatur römischer Grabinschriften übernommen, vgl. ThLL 7,1, Sp. 1975, Z. 23ff.
  3. Wappen Cuno: gepanzerter Arm mit Schwert nach l. Vgl. Siebmacher, Wappenbuch, Bd. 5, 5. Abt., ND Bd. 10, S. 10.
  4. Wappen Köter: Justitia mit Schwert in der Rechten und Waage in der Linken.
  5. Lebensdaten nach Programma in funere .. Francisci Cunonis, Helmstedt o. J. (1695).
  6. Vgl. den Eintrag in das Kirchenbuch von St. Stephani NStA Wolfenbüttel 1 Kb 584, S. 662. So auch das Programma in funere, wie Anm. 5.
  7. 1657 nach Programma in funere, wie Anm. 5.
  8. Schaper, Häuserbuch, 1,2. S. 212f.

Nachweise

  1. Böhmer, Inscriptiones, S. 42f.

Zitierhinweis:
DI 61, Stadt Helmstedt, Nr. 334 (Ingrid Henze), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di061g011k0033407.