Inschriftenkatalog: Stadt Helmstedt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 61: Stadt Helmstedt (2005)

Nr. 79 Großer Kirchhof 6 1580

Beschreibung

Ehemaliges Beginenhaus, 1896 abgerissen und unter Verwendung von Teilen der alten Fassade wiedererrichtet1). Der freistehende, giebelständige Fachwerkbau mit sechzehn Gefachen an der Längs- und neun an der Giebelseite ist zweigeschossig und hat ein ausgebautes Dachgeschoß. Die Inschriften befinden sich auf den neun Brüstungsplatten des vorkragenden Obergeschosses an der Giebelseite. Auf der ersten Platte von links im linken Plattenteil fünfzeilige Inschrift A über Blattornamentstreifen, rechts daneben auf Schild der hl. Stephanus mit Nimbus, Steinen und Palmzweig, links und rechts der Figur Inschrift B. Die Inschriften C–I und K auf den folgenden acht Platten in eingetieften Wappenfeldern als Beischriften von acht Vollwappen, jeweils über der Helmzier bzw. zwischen Teilen derselben. Inschrift J zusätzlich auf der zweiten Brüstungsplatte von rechts, beiderseits des Wappenfeldes. Inschriften erhaben geschnitzt und farbig gefaßt. Als Worttrenner erscheinen in Inschrift A neben Punkt auf der Zeilenmitte Doppelpunkt und liegende Raute. 1996 restauriert.

Maße: Bu.: ca. 8–12 cm.

Schriftart(en): Kapitalis mit Elementen der frühhumanistischen Kapitalis.

Sabine Wehking [1/1]

  1. A

    WER VF GODT / VERTRAWET · / DER HAT WOL: / GEBAWET2) · / A(NN)O 1580

  2. B

    S(ANCTVS) S(TEPHANVS)

  3. C

    Ba) L(VDDECKE) B(RANDES)

  4. D

    D(ES) R(ATES) W(APPEN) / M(E) F(IERI) F(ECIT)b)

  5. E

    Kc) H(EINRICH) K(RIST)

  6. F

    Kc) H(EISE) P(ENNISACK)

  7. G

    Ba) A(NDREAS) D(AMMANN)

  8. H

    Ba) H(EINRICH) B(VRING)

  9. I

    L(VDDECKE) B(RANDES) Ad)

  10. J

    H // S

  11. K

    Ba) I(OACHIM) H(OPSTAVEL)

Übersetzung:

(Der Rat) hat mich erbauen lassen. (D)

Wappen:
Brandes3), Stadt Helmstedt4), Christ5), Pennisack6), Dammann7), Büring8), Brandes3), Hopstavel9)

Kommentar

Die unregelmäßig gearbeitete Schrift verwendet unziales D und leicht eingerolltes, in einem Fall auch oben geschlossenes G. Der Schaft des I weist eine Ausbuchtung nach rechts auf. A trägt einen über dem linken Schrägschaft nach oben überstehenden Mittelbalken.

Die Reihenfolge der acht Wappenplatten ist seit dem Wiederaufbau 1896 stark verändert. Ein Photo von vor 189610) zeigt die Wappen – wie zu erwarten und am vergleichbaren Wappenfries des „Rohrschen Hauses“ (Nr. 61) zu beobachten – in hierarchischer Anordnung. An erster Stelle stand das Ratswappen. Es folgten die vier Bürgermeister Andreas Dammann, Joachim Hopstavel, Heinrich Büring, Lüddecke Brandes, darauf die beiden Kämmerer. Am Ende befand sich die Tafel des ämterlosen, aber vermutlich als Stifter beteiligten Lüddecke Brandes d. Ä. und das Monogramm des Zimmermeisters.

Über Zeitpunkt und nähere Umstände der Gründung der Beginengemeinschaft in Helmstedt ist nichts bekannt11). Eine Erwähnung der Beguinenstraße in Henning Hagens Stadtchronik zum Jahre 1366 zeigt, daß sich die Niederlassung der Beginen eben an dem jetzt noch nach ihnen benannten Ort befunden hat. Ihr Haus und das von ihnen betreute Hospital waren auch vor der Reformation dem Rat der Stadt unterstellt. Der Neubau von 1580 gab bis in die Neuzeit alleinstehenden Frauen die Möglichkeit, in christlicher Gemeinschaft miteinander zu leben.

Das genaue Verwandtschaftverhältnis zwischen den beiden Lüddecke Brandes ließ sich nicht ermitteln. Lüddecke Brandes d. Ä. hat sich als Buchhändler um die neugegründete Universität große Verdienste erworben. Er starb am 28. November 1590 im 90. Lebensjahr12). Zu Heinrich Christ vgl. Nr. 70. Zu Heise Pennisack und Andreas Dammann vgl. Nr. 61. Heinrich Büring, Helmstedter Bürger seit 1565, verstarb 1594 als Bürgermeister13). Joachim Hopstavel amtierte seit 1575 als Bürgermeister und verstarb 158614). Die Initialen H S sind nicht eindeutig auflösbar.

Textkritischer Apparat

  1. B] Steht für „Bürgermeister“.
  2. M(E) F(IERI) F(ECIT)] auf Band unter D(ES) R(ATES) W(APPEN).
  3. K] Steht für „Kämmerer“.
  4. A] Steht für „(Der) Ältere“.

Anmerkungen

  1. Meier, Kunstdenkmäler, S. 375.
  2. Wander, Sprichwörterlexikon, Bd. 2, Sp. 90, Nr. 2200.
  3. Wappen Brandes: gekreuzte Fackeln, bewinkelt von Flammenbündeln.
  4. Wappen Stadt Helmstedt: gekreuzte Abtsstäbe. Vgl. Siebmacher, Wappenbuch, Bd. 1, 4. Abt., ND Bd. 6, S. 146.
  5. Wappen Christ: Lilie, begleitet von zwei achteckigen Sternen. So auch in Nr. 70. Die Beischrift dort bietet die verbreitetere Namensform Christ.
  6. Wappen Pennisack: Löwe, überdeckt von Gitter. Vgl. Siebmacher, Wappenbuch, Bd. 5, 4. Abt., ND Bd. 10, S. 64.
  7. Wappen Dammann: geteilt, oben und unten Rose.
  8. Wappen Büring: auf Balken zwei wachsende Hunde?
  9. Wappen Hopstavel: geteilt, oben sich nach beiden Seiten teilender Blütenstengel, unten Spitze eines Nesselblattes?
  10. Meier, Kunstdenkmäler, Tafel XVI.
  11. Vgl. Mutke, Helmstedt, S. 134. Das Folgende ebenda.
  12. Vgl. J. Mebesius, Bey der Begrebnis des .. Ludigke Brandes, Helmstedt 1591, mit wenigen Personalia im Titelblatt. Zur Familie Brandes in Helmstedt vgl. Schaper, Bürgerbuch 1, S. 123ff.
  13. Schaper, Bürgerbuch 1, S. 151.
  14. Schaper, Bürgerbuch 2, S. 468.

Nachweise

  1. Meier, Kunstdenkmäler, S. 105 (A, B, D, J).
  2. Hägele, Hausinschriften, Nr. 16.

Zitierhinweis:
DI 61, Stadt Helmstedt, Nr. 79 (Ingrid Henze), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di061g011k0007908.