Inschriftenkatalog: Stadt Helmstedt
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 61: Stadt Helmstedt (2005)
Nr. 71 Kreis- und Universitätsmuseum 1575
Beschreibung
Astronomisches Instrument. Holz, Funktionsbereich Gußeisen. Nach einem unter Herzog Karl I. aufgestellten Inventar gehörte das Gerät zum Altbestand der Universitätsbibliothek1). Drehbare Scheibe auf rundem Sockel. Im Mittelpunkt der Scheibe Zeiger, der den gesamten Funktionsbereich bestreicht. Dieser besteht aus einer inneren Scheibe, besetzt mit ursprünglich elf kleinen Scheiben, und einem sie umgebenden Kranz von ursprünglich elf größeren drehbaren Scheiben, eingelegt in eine ornamentierte, große Eisenscheibe. Auf der inneren Scheibe elfzackiger Zierring, darauf innen elf Halbmonde, von Sternen umgeben, eingefaßt von schmalem ringförmigen Randstreifen mit zweimal zwölf römischen Zahlzeichen. Zwischen den elf Zacken die ursprünglich elf kleinen Scheiben. Davon fünf erhalten, jeweils mit Stern und Randteilungen in 16, 6 (?), 12, 5, und 16 Teile. Auf dem die innere Scheibe nach außen abschließenden Randstreifen Inschriften A–C. Von den elf Scheiben des äußeren Kranzes sind nur drei z. T. in Fragmenten erhalten. Sie tragen Randteilungen in 36 (?), 24 und 96 Teile. Auf der einzigen fast vollständig erhaltenen Scheibe (Randteilung 24) links Inschrift D, daneben Mann mit Buch, in Mantel und mit Hut, vor Stadtsilhouette links und Turm rechts. Inschrift E auf dem Sockel zwischen vorgeritzten geraden Linien. Inschriften A–C gemalt, schwarz auf goldenem Grund, E geritzt und farbig gefaßt, hellgelb auf dunkelbraunem Grund, D erhaben gegossen. Das Gerät ist 1994 restauriert worden.
Ergänzungen in A–C nach Zinner.
Maße: Dm.: 61,5 cm (Scheibe), 48 cm (Sockel); Bu.: 0,3 cm (A–C), 0,5 cm (D), 0,8 cm (E).
Schriftart(en): Kapitalis.
- A
[MI]T[NAC]H[T]
- B
V[FGA]NG
- C
MIT[AG]
- D
N° Ia)
- E
D(EI) · G(RATIA) · P(RINCEPS)b) · IVLIVS · D[V]X · BRVNS(VICENSIS) · / ET · LVN(EBVRGENSIS) · ME [· F]IERIc) · FEC[I]T / HEINRICOPOL[I] · ANNO · / 1575d)
Übersetzung:
Von Gottes Gnaden Fürst Julius Herzog zu Braunschweig und Lüneburg ließ mich herstellen. Heinrichstadt im Jahre 1575. (E)
Textkritischer Apparat
- N° I] I verkleinert. Die Buchstabenfolge kann nicht erklärt werden.
- P(RINCEPS)] Nicht in Ms. Wolfenbüttel. Die hier gegebene Auflösung ist ein Vorschlag.
- ME [· F]IERI] Nicht bei Zinner.
- 1575] 1579 (1577?) Zinner, 1597 Ms. Wolfenbüttel, hier offensichtlich Schreibfehler durch Verdoppelung des Datums des ebenfalls beschriebenen astronomischen Geräts Nr. 105.
Anmerkungen
- NStA Wolfenbüttel 37 Alt Nr. 1075, Bl. 82r.
- Zinner, Instrumente, S. 399. Dort eine Kurzbeschreibung des Helmstedter Instrumentes.
- Zinner, Instrumente, S. 150.
- Ahrens, Kat. Academia Julia, S. 96, bezeichnet das Gerät als „Kalenderscheibe“, ohne seine Arbeitsweise im einzelnen zu erklären.
- Zinner, Instrumente, S. 399, konnte den mittleren Teil von Inschrift E nicht entziffern, vgl. Anm. c. Dem daraus entstandenen Mißverständnis verdankt Herzog Julius die Aufnahme in die Liste der Erbauer von astronomischen Geräten bei Zinner, S. 398f.
- Zur Namensgebung vgl. F. Thöne, Wolfenbüttel in der Spätrenaissance. Forschungen aus dem Stadt- und Kreisheimatmuseum Wolfenbüttel II. Sonderdruck aus Braunschweigisches Jb. 35, 1954, S. 41.
Nachweise
- NStA Wolfenbüttel 37 Alt Nr. 1075, Bl. 82r (E).
- Zinner, Instrumente, S. 399 (A–C, E).
- Kat. Academia Julia, S. 96 und Titelblatt (nur Abb.).
Zitierhinweis:
DI 61, Stadt Helmstedt, Nr. 71 (Ingrid Henze), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di061g011k0007105.
Kommentar
Die Funktion des Gerätes ist ungeklärt. Zinner bezeichnet es, ohne näher auf den Mechanismus der Einzelteile einzugehen, als Astrologische Scheibe2). Astrologische Scheiben werden den Astrolabien zugeordnet. Von deren vielfältigen Einsatzmöglichkeiten – u. a. Zeit-, Feld- und Höhenmessung, Ortsbestimmung der Gestirne und Horoskoperstellung – übernahmen sie, vereinfacht ausgeführt, die Sterndeutung3). Die Bestimmung durch Zinner geht in die gleiche Richtung wie die Beschreibung, die der Verfasser des o. g. Inventars aus der Mitte des 18. Jahrhunderts von diesem und dem gleichartigen Gerät Nr. 105 gibt jedes hat eine bewegliche runde Scheibe warauf die 12 him(mels)Zeichen vorhanden, davon 3 abgefallen an jedem ein Messingen Zeiger. Der Beschreiber übersieht dabei, daß das Gerät nicht auf zwölf, sondern auf elf Scheiben angelegt ist, es sich also nicht um die Tierkreiszeichen handeln kann. Der auf der einzigen erhaltenen Scheibe dargestellte Mann läßt sich ebenso kaum einem der Tierkreiszeichen zuweisen. Das Instrument war also auch in besser erhaltenem Zustand dem Betrachter des 18. Jahrhunderts nicht ohne weiteres verständlich4). Wie aus Inschrift E hervorgeht, ist das Gerät von Herzog Julius in Auftrag gegeben worden5) und entstand in der seit 1570 „Heinrichstadt“ genannten Wolfenbütteler Neustadt6).