Inschriftenkatalog: Stadt Helmstedt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 61: Stadt Helmstedt (2005)

Nr. 54† St. Ludgeri 1556, 1592

Beschreibung

Wandinschriften im Kirchenneubau von 1556. Der genaue Anbringungsort ist nicht bekannt. Gregor Overham, Propst in Helmstedt von 1671 bis 1687 (vgl. Nr. 304), überliefert die Inschriften A und B mit der Bemerkung, sie seien an eine Wand der Kirche geschrieben gewesen, bis die Kirchenwände im Jahre 1677 übergeweißt worden seien1). Inschrift B findet sich auch im Anhang des Werdener Konventualen Stephan Kampmann († 1644) zur „Historia monasterii Werthinensis“ des Heinrich Duden2). Kampmann bietet darüber hinaus zum Jahre 1592 den Text von Inschrift C3). Da Kampmann auch im Falle von Inschrift B nicht ausdrücklich erklärt, daß er einen inschriftlich ausgeführten Text mitteilt, dies aber durch Overham zweifelsfrei belegt ist, darf man auch bei Text C davon ausgehen, daß es sich um eine Inschrift handelt, zumal der Wortlaut von C und der Zusammenhang bei Kampmann (s. u.) diese Annahme stützen.

Inschrift A nach Overham, B und C nach Kampmann.

  1. A

    Carolus indomitos premeret cum Saxones armis ad veram adducens ethnica corda fidem condidit hic sacram Ludgerus episcopus aedem gentibus ut pietas his quoque nota foret

  2. B

    Pace vigent delubra dei bella impia templis damna creant illud hic quoque cernere erat Vicinas Mavorte feroa) grassante per urbes moenia sunt huius diruta coenobii Indoluit tantis Hermannus cladibus abbas Gerhardusque gerens munera praepositi Auspiciis horum post tres non amplius annos omnia quob) cernis sunt reparata modo

  3. C

    Secla bis octo ierant a partu virginis alme si modo sex annos dempseris atque duo cum pia praepositi Tilkeni cura sacratam ornavit cultu versicolore domum

Übersetzung:

Als Karl die ungezähmten Sachsen mit Waffengewalt unterwarf und ihre heidnischen Herzen zum wahren Glauben führte, da gründete Bischof Ludger hier ein Gotteshaus, damit die Frömmigkeit auch diesen Heiden bekannt würde. (A)

Im Frieden blühen die Heiligtümer Gottes, gottlose Kriege fügen den Kirchen Schaden zu. Das war auch hier zu erkennen. Als der wilde Mars durch die benachbarten Städte wütete, sind die Mauern dieses Klosters zerstört worden. Abt Hermann empfand Schmerz über so großen Schaden und auch Gerhard, der das Amt des Propstes bekleidete. Unter ihrer Leitung ist nach nicht mehr als drei Jahren alles so wiederhergestellt worden, wie du es siehst. (B)

Zweimal achthundert Jahre waren vergangen seit der Niederkunft der segenspendenden Jungfrau, wenn man nur sechs und zwei Jahre abzieht, als die fromme Sorge des Propstes Tilken das geheiligte Haus mit vielfarbigem Schmuck ausstattete. (C)

Versmaß: Elegische Distichen.

Kommentar

Inschrift A erinnert in einer Zeit des tiefsten Niedergangs nach der Zerstörung des Klosters 1553 (vgl. Nr. 53) an die Gründungsgeschichte und die großen Patrone Karl und Ludger. Als Verfasser der Verse galt nach Overham4) der im Kloster Werden lebende Weltkleriker Johannes Kruyshaer alias Cincinnius5). Cincinnius hatte 1547 Abt Hermann von Holte (vgl. Nr. 53) auf seiner Reise nach Helmstedt begleitet, bei der die beiden mit Karl und Ludger in Verbindung gebrachten Klosteraltertümer Kelch (Nr. 1) und Kreuz (Nr. 39) nach Werden mitgenommen wurden. Da Cincinnius wohl schon 1552, spätestens 1555, also vor dem Wiederaufbau der Kirche 1556, verstarb6), läßt sich seine Urheberschaft an Inschrift A nur halten, wenn man annimmt, daß er die Verse bereits frühzeitig, vielleicht während seines Helmstedter Aufenthaltes 1547 gedichtet hat und sie dann im Neubau von 1556 Verwendung fanden.

Inschrift B spricht von der Zerstörung des Klosters 1553 und seinem Wiederaufbau drei Jahre später durch Abt Hermann von Holte. Bei dem genannten Propst handelt es sich um Gerhard Rating aus Werden, der im selben Jahr 1556 in dem von Werden-Helmstedt aus um diese Zeit personell teilweise mitbetreuten Benediktinerkloster Königslutter, Landkreis Helmstedt, verstarb und beigesetzt wurde7).

Inschrift C datiert sich selbst auf 1592. Für dieses Jahr berichtet der Überlieferer Kampmann von einer Restaurierung und farbigen Ausgestaltung der Ludgerikirche in Helmstedt8). Der erwähnte Propst Jodocus Tilken aus Borken in Westfalen amtierte seit 1587 bis zu seinem Tode 1597 in Helmstedt (vgl. zu Nrr. 89 und 107).

Textkritischer Apparat

  1. fero] Meier, feras Kampmann, Overham.
  2. quo] Overham, Meier, que Kampmann.

Anmerkungen

  1. G. Overham, Annalen. In: Werdener Geschichtsquellen 2,3, S. 139f. versus parieti templi inscripti antequam anno 1677 parietes dealbarentur.
  2. S. Kampmann, Anhang zu H. Duden, Historia monasterii Werthinensis. In: Werdener Geschichtsquellen 1,1, S. 39.
  3. Kampmann, wie Anm. 2, S. 40.
  4. Overham, wie Anm. 1, S. 140.
  5. Zu ihm A. Freitäger, „Klosterhumanismus“: Johannes Cincinnius und die Bildung im Kloster Werden 1505–1555. In: Kat. Jahrtausend, S. 248ff.
  6. Zum Todesjahr des Cincinnius vgl. U. Strauß, Stiftung und Herrschaft. Kloster St. Marienberg bei Helmstedt und die Äbte von Werden. In: Kat. Jahrtausend, S. 127ff., hier S. 131.
  7. Werdener Geschichtsquellen 1,1, S. 39, Anm. 1 des Herausgebers Schantz.
  8. Kampmann, wie Anm. 2, S. 40 Anno domini 1592 renovatum et diversis coloribus exornatum est templum sancti Ludgeri prope Helmstedt in Saxonia. Darauf folgt der Text von Inschrift C.

Nachweise

  1. G. Overham, Annalen. In: Werdener Geschichtsquellen 2,3, S. 140 (A, B).
  2. S. Kampmann, Anhang zu H. Duden, Historia monasterii Werthinensis. In: Werdener Geschichtsquellen 1,1, S. 39 (B), S. 40 (C).
  3. Meier, Kunstdenkmäler, S. 28 (A, B).

Zitierhinweis:
DI 61, Stadt Helmstedt, Nr. 54† (Ingrid Henze), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di061g011k0005404.