Inschriftenkatalog: Stadt Helmstedt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 61: Stadt Helmstedt (2005)

Nr. 439 Bötticherstr. 3 1712

Beschreibung

Fragment der Grabplatte der Barbara Margarete Crauel. Sandstein. Im Erdgeschoß des wohl 1679 (vgl. Nr. 267) erbauten Hauses in einer Wand eingemauert. Die Platte stammt aus dem Bereich St. Stephani und gehört zu einer größeren Zahl von Grabplatten, von denen sich die Gemeinde bei der Planierung des Friedhofes im 19. Jahrhundert trennte, indem sie sie als Baumaterial freigab. Das Grabplattenfragment hat bis etwa 1984 als Fußbodenabdeckplatte seitlich vor dem Kellereingang im Hause gedient. Seit etwa 1986 am heutigen Platz1). Da der Stein mit der Rückseite nach oben verlegt war, ist die Schrift gut erhalten. Schriftfeld an beiden Längsseiten von schmaler, vertiefter Linie begrenzt. Inschrift eingehauen.

Maße: H.: 61 cm; B.: 109 cm; Bu.: 4,5 cm.

Schriftart(en): Kapitalis mit Versalien und Versalschrift.

  1. [ – – – ] / [ME]D(ICINAE)a) ET PHYS(ICES) P(ROFESSORIS) P(UBLICI) O(RDINARII) ARCHIATRI GVELPH(ICI) / RELICTA VIDUA / MATRONA HONESTJSSJMA / RELJGJOSAE PIETATJS STVDJO / ET VERA DEJ VENERATJONE / MARJTJ ET GEMINAE SOBOL[.]S AMOR[E] / [ – – – ]

Übersetzung:

[... Margarete Crauel], die zurückgelassene Witwe des [... Friedrich Schrader], öffentlichen ordentlichen Professors der Medizin und der Physik und welfischen Leibarztes, eine höchst ehrenhafte Frau, [die sich auszeichnete] durch ihr Bemühen um gottesfürchtige Frömmigkeit und durch wahrhaftige Gottesverehrung, Liebe zum Gatten und zu ihrer zweifachen Nachkommenschaft [...].

Kommentar

In dieser Mischschrift kommen A, D, E, I und P in Kapitalis und in Versalform vor. T und V erscheinen nur in Versalschrift. Beide Wiedergaben des I-Lautes, kapitales I bzw. J der Versalschrift, tragen einen Punkt. U und V werden nebeneinander für vokalisches U gebraucht.

Die Zuweisung der Platte an Barbara Margarete Crauel stützt sich auf die Titulatur des Ehemannes. Die Ämter Professor der Physik und Medizin und welfischer Leibarzt verbanden sich nur einmal in der Universitätsgeschichte in einer Person, nämlich in Friedrich Schrader (vgl. Nr. 397). Schrader war zweimal verheiratet. Die Grabplatte seiner ersten Ehefrau Margarethe Hedwig Ripenhusen ist erhalten (Nr. 306). Die Inschrift kann sich also nur auf seine zweite Frau Barbara Margarete Crauel beziehen. Gegen diese Identifizierung der Verstorbenen spricht nicht die in der Inschrift erwähnte gemina sobolis. Barbara Margarete Crauel hat ein Mädchen und einen Jungen geboren, die aber keine Zwillinge waren (s. u.). Geminus in übertragener Bedeutung („zweifach“) verwendet auch das für sie verfaßte Funeralprogramm zum gleichen Punkt: edidit .. melitissima tori socia B(eato) Schradero prolem geminam alteram nostri alteram sui sexus (die allerliebenswürdigste Gefährtin des Ehelagers gebar dem seligen Schrader eine zweifache Nachkommenschaft, einmal von unserem – d. h. dem des männlichen Verfassers des Funeralprogramms –, einmal von ihrem Geschlecht)2).

Barbara Margarete Crauel wurde am 11. März 1675 in Osterode als Tochter des Ersten Bürgermeisters Dr. med. Statius Heinrich Crauel3) und der Sophia Magdalena Konerding geboren. 1694 heiratete sie Schrader. Sie war wie seine erste Ehefrau über ihre Mutter eine Enkelin des Celler Hofarztes Dr. med. Dietrich Konerding und seiner Frau Dorothea Engelbrecht, Tochter des Wolfenbütteler, später Calenberger Kanzlers Arnold Engelbrecht (vgl. Nr. 410)4). Von den beiden aus der Ehe der Verstorbenen hervorgegangenen Kindern war die Tochter, geboren am 12. April 1697, beim Tode der Mutter bereits tot (vgl. Nr. 388). Der Sohn Georg Christoph, getauft am 19. Juni 16995), einzig überlebendes Kind aus Schraders beiden Ehen, wirkte später zeitweilig als Erster Syndikus der Stadt Hannover6). Barbara Margarete Crauel verstarb am 19. September 1712 und wurde am 24. September im Bereich von St. Stephani beigesetzt7).

Textkritischer Apparat

  1. [ME]D(ICINAE)] D nur im unteren Teil erhalten.

Anmerkungen

  1. Frdl. Auskunft des derzeitigen (1995) Eigentümers, Herrn Stadtbaurat a. D. W. Eichstaedt.
  2. Programma memoriae .. Barbarae Margarethae Krauls .. consecratum, Helmstedt o. J. (1712). Das Folgende ebenda.
  3. Zu Statius Heinrich Crauel vgl. A. Wellner, Die Osteroder Stadtärzte Johann (1581–1665) und Statius Heinrich Crauel (1623–1686). In: Heimatblätter für den südwestlichen Harzrand 56, 2000, S. 2ff., hier S. 12ff. Zu Barbara Margarete Crauel ebenda, S. 18.
  4. Zu den Heiratsverbindungen der Familien Schrader, Konerding und Engelbrecht vgl. Nr. 438 mit Anm. 6.
  5. NStA Wolfenbüttel 1 Kb 593, S. 433.
  6. H. Kruse, Die Herkunfts- und Heiratskreise der Magistratsmitglieder der Altstadt Hannover im 18. Jahrhundert – Norm und Wirklichkeit. In: Hannoversche Geschichtsblätter, N. F. Bd. 49, 1995, S. 128, S. 160; Georg Christoph Schrader ist dort fälschlich der Familie der ersten Ehefrau Margarethe Hedwig Ripenhusen, Göttingen, zugewiesen.
  7. Programma memoriae, wie Anm. 2. Im einschlägigen Kirchenbuch NStA Wolfenbüttel 1 Kb 584 fehlen sämtliche Beisetzungseintragungen zwischen dem 23. September und 2. Dezember 1712.

Zitierhinweis:
DI 61, Stadt Helmstedt, Nr. 439 (Ingrid Henze), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di061g011k0043904.