Inschriftenkatalog: Stadt Helmstedt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 61: Stadt Helmstedt (2005)

Nr. 420† St. Stephani 1707

Beschreibung

Grabdenkmal des Johannes Gerhard Goedeken. Es wird von Böhmer 1710 unter den Steinen im nördlichen Teil des Friedhofes aufgeführt1).

Inschriften nach Böhmer.

  1. A

    Heus viator Semen virtus est flos virtutis memoria floret hic virtus semen cum corpore defloruisse videbatur anima in caeli horto florente viri qui in ipso aetatis flore florere desiit praestantissimi spectatissimique IOANNIS GERHARDI GOEDEKEN Duc(is) Br(unsuicensis) et Lun(eburgensis) curat(oris) ferri qui in vrbe hac propullulans anno MDCLXIV d(ie) XX Aug(usti) subinde sparsit virtutis odorem hinc ferri cura a patriae patribus ipsi credita vt flos habeat quos recreet immo ne semen cum flore aliquando deesset anno MDCXCVI d(ie) XXVI Nouemb(ris) florem virginum fragrantissimum sibi iunxit Mariam Elisabetham Altermantam gnatam stemmate praenobili natam ex qua tres suscepit liberos tanquam surculos Ceterum virtutum viri foliorum quasi haec sunt signacula pietas sinceritas prudentia constantia concordia saepius licet agitatus inimicitiae inuidiaeque procellis2) caritatis tamen suffitum obiecit hinc paradiso receptus spiritus anno MDCCVII d(ie) VIII Mart(ii) cineris exspectat παλιγγενεσίαν quem amoris et fidae memoriae caussa moestissima vidua lapide operiri curauit Viator et te florem esse memento

  2. B

    Virtutem cole dum viuis famamque sepulchro inuenies

Übersetzung:

Ach Wanderer, der Same ist Tugend, die Blüte der Tugend – Andenken. Hier blüht die Tugend. Der Same schien zusammen mit dem Körper verwelkt zu sein, während die Seele im Himmelsgarten blüht, die Seele eines Mannes, der in eben der Blüte seiner Jahre aufgehört hat zu blühen, des höchst vortrefflichen und hochachtbaren Johannes Gerhard Goedeken, Eisenfaktors des Herzogs zu Braunschweig und Lüneburg. In dieser Stadt im Jahre 1664 am 20. August hervorsprießend, verbreitete er sogleich den Duft der Tugend. Nachdem ihm darauf von der Obrigkeit die Verwaltung des Eisens übertragen worden war, verband er sich, damit die Blüte habe, wen sie erquicke, ja auch, damit nicht Same samt Blüte irgendwann ihre Bestimmung verfehlten, im Jahre 1696 am 26. November mit der duftendsten Blume unter den Jungfrauen, mit Maria Elisabeth Altermann, Tochter aus hochedler Ahnenreihe, von der er drei Kinder wie Schößlinge empfing. Im übrigen sind die Bezeichnungen der Tugendblätter dieses Mannes etwa diese: Frömmigkeit, Lauterkeit, Klugheit, Zuverlässigkeit und Friedfertigkeit. Mag er auch öfter von Stürmen der Feindschaft und des Neides erschüttert worden sein, er setzte dem dennoch den Räucherduft der christlichen Nächstenliebe entgegen. Sein Geist wurde von hier im Jahre 1707 am 8. März ins Paradies aufgenommen und erwartet die Auferstehung der Leibesasche, die die tieftraurige Witwe aus Liebe und treuem Andenken mit diesem Stein bedecken ließ. Wanderer, bedenke, daß auch du eine Blume bist. (A) Übe Tugend, solange du lebst, so wirst du Ruhm finden durch dein Grabmal. (B)

Versmaß: Hexameter und Hexameteranfang (B).

Kommentar

Die hochbarocke Inschrift nutzt exzessiv bis zur Unverständlichkeit die Möglichkeiten der verbreiteten Vergänglichkeitsmetapher flos. Ihr Bemühen um eine kunstvolle, humanistisch geprägte Form ist um so bemerkenswerter, als der Verstorbene – soweit bekannt – weder durch Verwandtschaft noch beruflich in näherer Beziehung zur Universität gestanden hat. Johannes Gerhard Goedeken war der Sohn des Kaufmanns Dietrich Johann Goedeken aus Schöningen3). Der Vater, 1691 als Ratsherr in Helmstedt tituliert4), verfügte nach der Zahl seiner Häuser in Helmstedt über ein beträchtliches Vermögen5). Die Ehefrau des Verstorbenen, die das Grabdenkmal setzende Maria Elisabeth Altermann, stammte aus Wolfenbüttel6).

Anmerkungen

  1. Böhmer, Inscriptiones, S. 46 LAPIDES IN PARTE COEMITERII anteriore mit S. 53ff.
  2. Vgl. Cicero, Pro Cluentio 153 vitam .. remotam a procellis invidiarum.
  3. Schaper, Häuserbuch 1,3, S. 91.
  4. So in Programma in funere .. Johannis Henrici Druden, Helmstedt 1691. Druden war mit der Schwester des Verstorbenen verheiratet, vgl. Drudens Grabschrift Nr. 315.
  5. Als zeitweiliger Eigentümer von Häusern aufgeführt bei Schaper, Häuserbuch 1,1, S. 88, S. 89, S. 157, S. 159; 1,3, S. 85, S. 86, S. 88, S. 91.
  6. Schaper, wie Anm. 3.

Nachweise

  1. Böhmer, Inscriptiones, S. 53ff.

Zitierhinweis:
DI 61, Stadt Helmstedt, Nr. 420† (Ingrid Henze), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di061g011k0042008.