Inschriftenkatalog: Stadt Helmstedt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 61: Stadt Helmstedt (2005)

Nr. 398† St. Stephani 1704

Beschreibung

Grabdenkmal des Richard Seiden. Es wird von Böhmer 1710 unter den Steinen im südlichen Teil des Friedhofes aufgeführt1).

Inschriften nach Böhmer.

  1. A

    Huc oculos viator memento quod vixerit luge quod non viuat vir ampliss(imus) & consultiss(imus) RICHARDVS SEIDEN I(uris)c(onsul)tus pius doctus prudens nemini iniquus praeterquam sibi XXII a(nnos) Syndicus postquam enim vltra X a(nnos) Consul totidem ad conu(entum) stat(uum) prou(incialium) delegatus perpetuus ciuitatis huius saluti consuluisset principes clementes bonos2) fauentes malos inuidentes expertus tandem iustitiae ardori fuit immortuus a(nno) MDCCIV 8 id(us) Sept(embris)3) aet(atis) XLVII sat cito sat bene quippe in caelo spiritui in hac terra terrae requiem inuenit interim bonis omnibus2) luctum optimae viduae Margarethae Elisabethae Cunoen et V liberis moerorem et triste officium hunc lapidem ponendi dedit Abi viator morieris

  2. B

    Virtutem incolumem odimus sublatam ex oculis quaerimus inuidi

Übersetzung:

Hierher die Augen, Wanderer! Bedenke, daß er gelebt hat, trauere, daß er nicht mehr lebt! Der hochachtbare und wohlberatene Mann Richard Seiden, ein frommer, gelehrter, kluger Jurist, gegen niemanden streng urteilend außer gegen sich selbst, zweiundzwanzig Jahre Syndikus, arbeitete sich, nachdem er über zehn Jahre als Bürgermeister und ebenso lange als ständiger Gesandter in der Provinzialversammlung für das Wohl dieses Gemeinwesens gewirkt hatte und Fürsten als milde, die Redlichen als Förderer und die Schlechten als Neider erlebt hatte, in seinem Einsatz für die Gerechtigkeit schließlich zu Tode im Jahre 1704 am 8. Tag vor den Iden des September im siebenundvierzigsten Lebensjahr4), reichlich früh, reichlich gut indes, hat er doch im Himmel für seinen Geist und in dieser Erde für seinen irdischen Körper Ruhe gefunden. Bei alledem hinterließ er Trauer bei allen Redlichen, Schmerz bei der besten Witwe Margarethe Elisabeth Cuno sowie bei seinen fünf Kindern und die traurige Pflicht, diesen Stein zu setzen. Geh nun, Wanderer, du wirst sterben. (A)

Makellose Tugend hassen wir; wenn sie uns aus den Augen geschafft ist, suchen wir sie neidvoll. (B)

Versmaß: Distichon aus einem Glykoneus und einem kleineren Asklepiadeus (B).

Kommentar

Richard Seiden stammte aus Hildesheim. Als Hildes(heimensis) ließ er sich im August 1674 in Jena immatrikulieren5). Nach Auskunft von Inschrift A war er mindestens seit 16946) Bürgermeister in Helmstedt und Vertreter der Stadt in der Landschaft. Geheiratet hat er die älteste Tochter Margarethe Elisabeth des Bürgermeisters Franz Cuno (vgl. Nr. 334). Nach dem Tode seines Schwiegervaters wurde er Eigentümer von dessen Haus Markt 147). Beide Inschriften deuten darauf hin, daß Seiden bei der Ausübung seiner Ämter in Helmstedt mit Schwierigkeiten zu kämpfen gehabt hatte.

Sein Verwandtschaftsverhältnis zu dem in der Nähe beigesetzten Studenten Andreas Barward Seiden aus Hildesheim (vgl. Nr. 342) läßt sich nicht bestimmen. Richard Seidens Name findet sich auch auf einer Bleitafel im Turmknauf der Stephanikirche (Nr. 373).

Anmerkungen

  1. Böhmer, Inscriptiones, S. 112 LAPIDES SEPVLCHRALES in parte coemiterii posteriore mit S. 123f.
  2. Zu bonos und bonis omnibus vgl. S. 37f. der Einleitung.
  3. 6. September.
  4. Oder „im Alter von siebenundvierzig Jahren“? Zur Übersetzung von aetatis vgl. S. 35f. der Einleitung.
  5. Matrikel Jena, Bd. 2, S. 758.
  6. Anders, nämlich 1696, bei Schaper, Häuserbuch 1,2, S. 213.
  7. Schaper, wie Anm. 6.

Nachweise

  1. Böhmer, Inscriptiones, S. 123f.

Zitierhinweis:
DI 61, Stadt Helmstedt, Nr. 398† (Ingrid Henze), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di061g011k0039802.