Inschriftenkatalog: Stadt Helmstedt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 61: Stadt Helmstedt (2005)

Nr. 369 St. Walpurgis 2. H. 17. Jh.

Beschreibung

Gemälde mit Darstellung des Prozesses Jesu. Öl auf Leinwand über Holz. Im Chor an der Nordwand. Meier sah es 1896 im Langhaus1). Wie das bis auf die Kolorierung fast gleiche Bild Nr. 162, seine vermutliche Vorlage, ist das Gemälde gearbeitet nach einem Stich des Daniel Altenburgh aus dem Anfang des 17. Jahrhunderts. Dessen Vorlage war ein Stich des Egbert van Panderen nach einem Entwurf des Frans Francken2). Beschreibung wie Nr. 162: Dargestellt sind, zu einer Szene zusammengefaßt, die Aburteilung Jesu durch das jüdische Synedrium unter Vorsitz des Hohenpriesters Kaiphas und die Urteilssprechung des römischen Prokurators Pilatus. Im Vordergrund rechts Jesus, allein sitzend, ihm gegenüber Tisch mit zwei Protokollanten. In einem weiten Kreis um ihn Pilatus und Kaiphas sowie neunzehn Mitglieder des Synedriums. Im Hintergrund rechts auf einem Balkon Vertreter des jüdischen Volkes. Allen Figuren mit Ausnahme von Jesus, einem Diener und den Protokollanten sind Inschriften beigegeben. Die Mitglieder des Rates tragen sie zusammen mit ihren Namen auf schildförmigen Tafeln. Die Inschriften sind numeriert. Die hier eingehaltene Reihenfolge orientiert sich nicht an der Numerierung, sondern an den Standorten. Den Kreis der mit Inschriften ausgestatteten Personen eröffnen links im Vordergrund (im Uhrzeigersinn) Rabam und Simon (A–B). Nach hinten anschließend Pilatus, auf dreistufigem Podest unter Baldachin sitzend. Daran Inschrift C. Zur Linken von Pilatus zur Bildmitte hin weitere sieben Ratsmitglieder, nämlich Achias, Putipharns, Riphar, Ioseph von Arimathia und Ioram (D–H). In einer zweiten Reihe dahinter Subath und Rosmophin (I–J). In der Bildmitte hinten vor einem Zelt Kaiphas, auf zweistufigem Podest stehend. Am Zeltdach Kartusche mit Inschrift K. Im Halbkreis zum rechten Bildrand hin Ehiris, Nikodemus, Diarabias, Sareas, Sabinth, Samech und Mesa (L–R), dahinter zwischen Sareas und Sabinth Iosaphat (S). Zum vorderen Bildrand rechts abschließend Teras und Ptolomäus (T–U). Rechts über Kaiphas an der Balusterbrüstung des Balkons, auf dem die Vertreter des jüdischen Volkes stehen, Inschrift V auf einer Tafel. Unterhalb des Bildes befindet sich ein breiter Streifen mit Inschrift W. Alle Inschriften gold auf schwarzem Grund gemalt und bis auf W in jüngerer Zeit restauriert. Eine zuverlässige Wiedergabe der diakritischen Zeichen ist nach dem Gesamtzustand der Inschriften nicht möglich. Die u tragen in einigen Fällen übergeschriebene Schlängel. Als Worttrenner erscheint liegendes S.

Maße: H.: 128 cm; B.: 182 cm (mit Rahmen); Bu.: ca. 0,5–0,9 cm (A–B, D–V), ca. 1–1,3 cm (C), ca. 1–1,7 cm (W).

Schriftart(en): Fraktur mit Kapitalis (A, B, D–U, W), Kapitalis (C), Fraktur (V).

Sabine Wehking [1/7]

  1. A

    RABAM / Wor zu die=/nen die gesetz dan / das sie gehalten / werden / 2

  2. B

    SIMON / Der aussetz/ige spricht also. / Durch welch ge=/s[etz kan]a) er für ein / auffruhrer / gehalten / werden / 1

  3. C

    PONTIUS PILATUS / IUDEX.

  4. D

    ACHIAS / Man sol keinen / angeklagten un=/erkanter sachen / z[u]m todt ver/dammen / 3

  5. E

    PUTIPHARNS / Ein verführer zer=/störer des vaterlandt / und gantze gemeine / darumb sol er ins / elend verwiesen / werden / 6

  6. F

    RIPHAR / Das gesetz straffet / niemand den die / böse und misthäter / last dem nach diesen / menschen seine schult / bekennen, So kan(n) man / ihn alsdan mit / fug und recht / verdammen / 7

  7. G

    IOSEPH / von ARIMATHIA / Es ist fürwahr ein / große schandt das in / der gantzen stadt / niemandt gefunden / wirdt der da den un=/schuldigen dorfte / verthädigen / 8

  8. H

    IORAM / Warumb sollen / wier diesen men=/schen der da / unschuldig ist /b) Zum todt ver=/dammen / laßen. / 9 ·

  9. I

    SUBATH / Es ist kein gesetz noch / recht das da jemandt un/schuldiger weise zum todt / veruhrteile derowegen / sol man sich erkundigen / was dieser ver/wircket habe / 4 ·

  10. J

    ROSMOPHIN / Warumb seind / die gesetz geben / worden wan / man den selben / nicht wil nach / setzen. / 5

  11. K

    CAIPHAS der Hohepriester / Ihr wisset alle nicht was ihr wollet / oder redet es ist besser das ein Mensch / sterbe den das gantze volck verderbe3) / 20

  12. L

    EHIRIS / Und wan er / schon gerecht ist soll / er doch sterben, weil / er durch seine predig=/ten das volck zu / auffruhr bewegt / und erregt. / 10.

  13. M

    NICODEM(US) / Vermag das un=/ser gesetz, das man / jeman unerhört / und unerkan=/ter sachen / verdammen / soll. / 11

  14. N

    DIARABIAS / Weil er das volck / verfuhrt so / soll man ihn mit / dem todt stra=/ffen · / 12

  15. O

    SAREAS / Last uns diesen / auffrührer von dem / das vaterland anderst / nichts den das eüser=/ste verderben zu / erwarten hat, / vertilgen und / auß reütten / 13

  16. P

    SABINTH / Er sey gerecht oder / nicht weil er unßere / voreltern gesetz / nicht hat gehorchen / wollen, soll er kei=/nes weges ge=/litten werden / 14

  17. Q

    SAMECH / Last uns es mit ihm / also machen, das er uns / nicht wieder spreche oder / eintrag thu, da er aber / sich wieder setzen wolle / last uns ihm unnach/lesig straffen / 19

  18. R

    MESA / Ist er gerecht so / last uns es mit ihm / halten, ist er unge=/recht, solast uns / ihn von uns hin=/weck jagen / 18

  19. S

    IOSAPHAT / Last ihn mit ket=/ten gefesselt und / in ewige gefenck=/nis gelegt werde(n) / 15

  20. T

    TERAS / Es ist rathsam / das wir ihn ent=/weder verban=/nen oder gefenck=/lich an den / keiser / schicken / 17

  21. U

    PTOLOMAEUS / So er weder gerecht / noch ungerecht ist. was / machen wir den lang. /b) warumb verdammen / wir ihn nicht alsbalt / Zum Todte. oder ver=/bannen ihn aus dem / landt, / 16

  22. V

    Hier auff finck der gantze hauffe des / judischen volcks anzuruffen und zu=/schreien wan du diesen los lessest, so / bistu des keisers freiundt nicht4) / 21

  23. W

    Dem nach hat PONTIUS PILATUS, Nachdem er zuvor seine Hände zum zeichen der unschuld gewaschen, ein solches urtheil verfassen und ergehen lassen. Ich PONTIUS PILATUS Richter zu HIERUSALEM, unter den Grossmachtigsten Keiser TIBERIO, / welchem Gott ein glücklich und la[nck]wierige regierung verleihen wolle, nachdem ich auf den richter Stuel saß, männiglich und insonderheit der Jüdischen SJNAGOG recht zu sprechen c) und das jenige was die Juden wieder IESUM von Nazare[.]t, den sie gefänglich dargestelt, angehort und / zu er[ken]tniß genommen, in er[wegung der selbe] sich mit [ru]hmr[ed]igen worten vernehmen lassen, daß er der Sohn Gottes und ob er wol von gar armen eltern erbohren, der Juden König sey, daß er auch [d]en Tempel SALOMONIS wolle abbrechen und zerstören, erkenne und spreche zu recht, daß d[e]rselbe neben zweien andern übelthätern / an das Creutz geschlagen und vom leben zum Tod gebracht werde. Wie nu und was gestalt solches ungerecht urtheil an dem Herrn JESU vollstreckt w[o]rden, zeiget uns die H(eilige) Schrift [mit] allen ümständen auf das fleisigste an. Nun ist es nicht genug, daß wir diese Historie allein d) wissen, und allein oben hin wie andere gesch[ic]hten, so[ndern] / zu vorderst die Ursach betrachten, warüm nemlich der Sohn Gottes habe den ungerechten in die Hände fallen, und so einen schmälichen Tod leiden wollen; nemlich daß er uns, als das rechte und Gott angenehme Schlachtopffer, mit Gott seinem Himlischen Vater versöhnete durch seine Unschuld unse[r] Schuld und Missethat bezahlete, und [al]so [d]urch sei[nen] / Tod, uns vo[m ew]igen Tode erlösete[, De]rselbe so beides unser Hohepriester und Söhnopff[er sel]bst ist, wolle uns seine gnade verleihen, daß wir dieser unaussprechlichen Guthat uns gebrauchen u[nd] ewiglich geniessen mögen.

Kommentar

Bei dem Bild dürfte es sich um eine Kopie der 1645 für die Hauptkirche St. Stephani gestifteten Darstellung des gleichen Themas (Nr. 162) handeln. Vermutlich in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts5) ist sie von einem unbekannten Maler angefertigt worden. Anders als in der Inschrift auf dem Bild in St. Stephani wird hier konsequent rundes u für den Vokal und v für den Konsonanten gesetzt.

Zum Darstellungsgegenstand und seiner Verbreitung vgl. den Kommentar zu Nr. 162.

Textkritischer Apparat

  1. Ergänzungen nach der vermutlichen Vorlage Nr. 162 unter Beibehaltung der dort zu lesenden Schreibweise.
  2. Auf dem Gemälde ebenfalls Schrägstrich am Zeilenende.
  3. Nr. 162 hat zusätzlich vnd zuerthelen.
  4. Nr. 162 hat zusätzlich schlecht.

Anmerkungen

  1. Meier, Kunstdenkmäler, S. 78.
  2. Vgl. Nr. 162.
  3. Nach Jh. 11,49f. Vgl. auch Jh. 18,14.
  4. Nach Jh. 19,12.
  5. Vgl. Dehio, Bremen/Niedersachsen, S. 452: „Nach der Mitte des 17. Jahrhunderts“.

Nachweise

  1. R. Kleinert, Das Blutgericht Jesu. Tafelbilder in St. Stephani und St. Walpurgis zu Helmstedt. Im Manuskript vervielfältigt, Helmstedt o. J.

Zitierhinweis:
DI 61, Stadt Helmstedt, Nr. 369 (Ingrid Henze), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di061g011k0036907.