Inschriftenkatalog: Stadt Helmstedt
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 61: Stadt Helmstedt (2005)
Nr. 345 Am Ludgerihof 2 / Wolsdorf, Domäne St. Ludgeri 1697, 1710, 1719, 1763
Beschreibung
Gebäudekomplex mit Fenster- und Türstürzen sowie Schrifttafeln von vier verschiedenen Bauten. Sandstein, teilweise farbig gefaßt. Die Gebäude gehörten früher zum Wirtschaftshof des Klosters St. Ludgeri.
(1.) Die 1991 zu einem Verwaltungsgebäude umgebaute massive Scheune von 1697 auf dem Grundstück Am Ludgerihof 2 trägt drei originale Inschriften ihres alten Bestandes. Es sind dies ein von einer Ranke eingefaßter Wappenstein mit Inschrift A am ursprünglichen Platz in der erhaltenen nördlichen Giebelwand sowie an der Westfassade als Fensterstürze die Inschriften B1 und C. Inschrift B1 befand sich bis zum Umbau auf dem nördlichsten Fenstersturz an der Westfassade, Inschrift C auf einem südlicher gelegenen Türsturz ebenda. Die heute an Inschrift B1 anschließenden Fensterstürze mit den Inschriften B2–5 sind Rekonstruktionen nach der Überlieferung der Inschriften bei Meier. Inschrift D wurde um 1832 von Behrends „neben dem Tore“ gesehen. Gemeint ist damit vermutlich das erhaltene massive Torhaus von 1710, das sich im Süden an den heutigen Nachfolgebau der Scheune von 1697 anschließt. In seiner Durchfahrt sind auf der linken Wand seit 1991 als Spolien Tür- und Fensterstürze mit den Inschriften E1 und E4–7 eingebaut, darunter in einer zweiten Reihe E8–9 und F1–2. Die Steine mit den Inschriften E1 und E4–9 stammen von dem 1977 abgerissenen massiven Schäferwohnhaus (2.), das dem Schafstall (vgl. Nr. 441) nach Süden angebaut war1). Ihre originale Reihenfolge ist nicht mehr bekannt. Inschrift E2 ist um 1927 am Schäferwohnhaus gesehen worden2), bis zu seinem Abriß 1977 befand sich auch Inschrift E3 am Gebäude3). – (3.) Die beiden Türstürze mit den Inschriften F1–2 gehörten ursprünglich zu der ebenfalls 1977 abgerissenen, massiv gebauten sog. Brennerei, die im Nordwesten des Hofes gestanden hatte. – (4.) Das Torhaus selbst trägt im Westgiebel unter Wappenschild mit Mitra, gekreuzten Abtsstäben und Schwert die Inschrift G und im Scheitelpunkt des Torbogens Inschrift H. In den beiden Türstürzen links und rechts der Durchfahrt finden sich die Inschriften I1–2, in den Stürzen der beiden Fenster darüber die Inschriften J1–2 mit Meisterzeichen (Anhang 2, M4). Die Inschriften J1–2 haben ihre inhaltliche Fortsetzung in den Inschriften J3–11 vom ursprünglich anschließenden langen Stallgebäude. Dieses ist 1992 eingestürzt. Die um diese Zeit noch am Gebäude befindlichen Tür- bzw. Fensterstürze mit den Inschriften J3 und J7–9, K2, K3 und L wurden in die Domäne St. Ludgeri, Wolsdorf, Landkreis Helmstedt, zur Aufbewahrung gebracht. Der Stein mit Inschrift J11, der 1990 noch am Gebäude gesehen wurde, ist offenbar bei den Aufräumarbeiten verlorengegangen4). Bis 1992 verteilten sich die Inschriften J wie folgt über das Gebäude: J3, J7, J11, J9 von Norden nach Süden an Fensterstürzen der Westseite, J8 auf einem Fenstersturz der Ostseite. Die hier gegebene Anordnung der Inschriften J1–11 folgt der Wiedergabe der Sprüche bei Behrends von um 1832 und ergänzt nach ihm die seitdem verlorenen Inschriften J4–6 und J10. Die von Meier 1896 notierte Fassung weist gegenüber der Behrendsschen bereits den Verlust von J4 und J10 auf. Auf Umbauten läßt der Umstand schließen, daß die Steine J9 und J11 bis zum Einsturz 1992 in sinnentstellender und von der Überlieferung abweichender Reihenfolge eingemauert waren und der von Meier 1896 noch innerhalb der Reihe der Westseite gelesene Stein J8 bis 1992 an der östlichen Rückseite des Stalles seinen Platz gehabt hatte. Die erhaltenen beiden Fensterstürze mit den Inschriften K2 und K3 und der Stein mit Inschrift L befanden sich bis 1992 ebenfalls an der östlichen Rückseite. Inschriften eingehauen, bis auf A und B1 in eingetieften Feldern, und, soweit Am Ludgerihof 2 angebracht, farbig gefaßt.
Rekonstruierte Inschriften B2–5 nach Meier, Inschriften D, J4–6, J10, K1, K4 nach Behrends, E2 nach Moshagen, E3 nach Photo, J11 nach Henze.
Maße: Bu.: 6 cm (Zahlzeichen), 4 cm (C), 5 cm (F1, F2), 4,5–6,5 cm (alle übrigen Inschriften).
Schriftart(en): Kapitalis (C, F1, F2, G, I2, K2, L), Kapitalis mit Versalien (B1, E1, E4–9, H, I1, J1–3, J7–9, K3).
- A
16 // 97a)
- B1
· A PESTE, FAME, BELLO ·
- B2 †
A VENTIS, INCENDIOb),
- B3 †
A MURIBUS ET FURIBUS
- B4 †
A FULGURE ET TEMPESTATE
- B5 †
LIBERA NOS DOMINE5)
- C
DE RORE COELI (ET)c) EX PINGVEDINE TERRAd) / QVOTANNIS VENIAT A SVPERIS ABVNDANTIA TVA6)
- D †
IE(SU)Se) M(A)R(I)A VEN(ERABILIS) D(OMI)N(U)S AEMILIANUS RHAMANN PRAEPOSITUS HOC HORREUM EX FUNDO CONSTRUXIT A(NN)O 1697
- E1
L[U]PUSf) RAPIT,
- E2 †
DISPERGIT OVES
- E3 †
MERCENARIUS FUGIT
- E4
PASTOR VOCAT,
- E5
OVES VOCEM AUDIENT7),
- E6
HOMO DESIDER[A]Tf) LUMEN AEREMQUE
- E7
MOX, UT PAU[PE]Rf) CLAMAT,
- E8
Rg) DEO GRATIAS h) BENEDICAT.
- E9
V(ERBA) F(ECIT) ROBERT(US) 1719.
- F1
PACE PATRIAE DATÂ, / REGNANTE ANSELMO ABBATE,
- F2
STRVEBAT / [IOAN]NESf) HELLERSBERG PRAEPOSIT[V]Sf).
- G
ANNO MDCCX / SUB REVERENDISSIMO AC PERILLUS/TRI DOMINO / D(OMINO) COELESTINO IMP(ERIALIUM) LIB(ERORUM) ET EXEMPTORUM MONASTERI/ORUM WERD(ENSIS) ET HELMSTAD(IENSIS) ABBATE HOC AEDIFI/CIUM EX FUNDO CONSTRUXIT VEN(ERABILIS) D(OMINUS) / ROBERTUS VERBOCKHORST PRAEPOSITUS
- H
ANNO · / MDCCX
- I1
AN MALIAi) TUA DOMINE
- I2
HABITABUNT IN EA8)
- J1
VOLUCRES CAELI
- J2
BENEDICITE D(OMI)NO
- J3
BESTIAE ET PECORA
- J4 †
HOMINES ET IUMENTA
- J5 †
LAUDATE DEUM9)
- J6 †
DE MANE VIGILATE AD EUM10)
- J7
D(OMI)NE QUI MIPLESj) OMNE11)
- J8
DA UBEITATEMk) LACTIS
- J9
ET ABUNDANTIAMl) BUTŸRI12)
- J10 †
DE ARMENTIS BOUM
- J11 †
OFFERO TIBI DOMINE
- K1 †
BOVES CUM HIRCIS
- K2
COMEDANT PANEM SUUM
- K3
[IN]CRASSENTURm) IMPINQUENTURn)
- K4 †
DETINEANTUR ET NON RECALCITRENT13)
- L
[V]IGILATE ATTENTE SUPER GREG[EM]
Übersetzung:
Vor Pest, Hunger und Krieg, vor Stürmen und Brand, vor Mäusen und Dieben, vor Blitz und Unwetter bewahre uns, Herr. (B1–5)
Aus des Himmels Tau und der Feiste der Erde möge von den Himmlischen Jahr für Jahr dein Überfluß kommen. (C)
Der ehrwürdige Herr Aemilianus Rhaman, Propst, hat diese Scheune von Grund auf errichtet im Jahre 1697. (D)
Der Wolf reißt, er zerstreut die Schafe, der Mietknecht flieht, der Hirte ruft, die Schafe werden seine Stimme hören. (E1–5) Der Mensch sehnt sich nach Licht und Luft. (E6) Alsbald, als der Arme schreit, .. (E7) Gott sei Dank! (Er?) lobpreise ihn! (E8) Die(se) Worte setzte Robertus 1719. (E9)
Als dem Vaterland Frieden geschenkt worden war, unter der Regierung des Abtes Anselm, baute Propst Johannes Hellersberg (dieses Gebäude). (F1–2)
Im Jahre 1710 unter dem ehrwürdigsten und durchleuchtigen Herrn, Herrn Coelestin, der kaiserlich freien und exempten Klöster Werden und Helmstedt Abt, hat der ehrwürdige Herr Robert Verbockhorst, Propst, dieses Gebäude von Grund auf errichtet. (G)
Deine Geschöpfe, Herr, werden darin (?) wohnen. (I1–2)
Ihr Vögel unter dem Himmel, preiset den Herrn! Ihr Tiere, wilde und zahme, Menschen und Zugvieh, lobet den Herrn und wachet früh zu ihm! Herr, der du alles sättigst, gib Milch in Fülle, und den Überfluß an Butter aus den Herden der Rinder bringe ich dir dar, Herr. (J1–11)
Die Rinder mit den Ziegenböcken sollen ihr Futter fressen. Sie werden zunehmen und fett werden. Sie sollen eingesperrt und nicht widerspenstig sein. (K1–4)
Wachet aufmerksam über die Herde! (L)
Kloster Werden und Helmstedt14), Abt Coelestin von Geismar15) |
Textkritischer Apparat
- Die beiden Teile der Inschrift rechts und links der Abtsstäbe auf dem Wappenschild.
- INCENDIO] ET INCENDIO Behrends.
- et-Haken, bestehend aus nach unten links eingerolltem Schaft mit geschwungenem Querbalken.
- TERRA] Falsch restauriert aus TERRAE.
- In der Abschrift von Behrends I. H. S.
- Buchstabe(n) in den eckigen Klammern 1991 restauriert.
- R mit Schrägstrich durch die nach rechts gebogene Cauda. Eine Auflösung kann nicht gegeben werden.
- Lücke. Vor der Restaurierung hier Zementputz. deo gratias aut benedicat Moshagen.
- AN MALIA] Für ANIMALIA. So schon vor der Restaurierung.
- MIPLES] Für IMPLES. Stein nach MIPL in zwei Teile geborsten.
- UBEITATEM] Für UBERTATEM.
- Stein nach ET A in zwei Teile geborsten.
- Stein nach [IN]CRASSENT in zwei Teile geborsten.
- IMPINQUENTUR] Für IMPINGUENTUR.
Anmerkungen
- Vgl. Lageplan bei Henze, Inschriften Ludgeri, S. 82.
- Nach Aufzeichnungen des 1995 verstorbenen Helmstedter Arztes Dr. U. Moshagen, entstanden vermutlich vor dem Zweiten Weltkrieg, im Besitz der Bearbeiterin. Moshagen hat die Inschriften in der damals wohl schon gestörten Reihenfolge E2, E8, E7, E6, E1, E3, E4, E5 notiert.
- Photo im Besitz der Bearbeiterin.
- Nach Staatshochbauamt Gifhorn, Dokumentation über den Abriß des ehem. Kuhstallgebäudes der ehem. Domäne St. Ludgeri für den Zeitraum von Juni bis August 1992, 27. Juli 1992, sind sieben Inschriftensteine geborgen worden. In der Domäne St. Ludgeri, Wolsdorf, konnten im August 1998 sieben Steine mit den o. g. Inschriften besichtigt werden. Es fehlt der Stein mit Inschrift J11, der von der Bearbeiterin 1990, also vor dem Zusammensturz bzw. Abriß des Gebäudes, als vorletzter Inschriftenstein an der Westfassade nach Süden notiert worden ist.
- Inschriften B1, B4 und B5 aus Allerheiligenlitanei, vgl. A. Schott, Das Meßbuch der heiligen Kirche, 51. Auflage, Freiburg 1949, S. 484ff., hier S. 487.
- Nach Gn. 27,28 det tibi Deus de rore caeli et de pinguedine terrae abundantiam frumenti et vini. Die Bibelstelle ist auch Teil der mittelalterlichen Formel für die Weihe eines neuen Hauses, vgl. Franz, Benediktionen, Bd. 1, S. 607f.
- E1–5 nach Io. 10,2f. qui autem intrat per ostium pastor est ovium huic ostiarius aperit et oves vocem eius audiunt et proprias oves vocat nominatim et educit eas und Io. 10,12ff. mercennarius et qui non est pastor cuius non sunt oves propriae videt lupum venientem et dimittit oves et fugit et lupus rapit et dispergit oves mercennarius autem fugit.
- Worauf sich EA bezieht, ist unklar. Inschrift möglicherweise Teil eines im übrigen verlorenen Spruchs, wie er sich als Hausinschrift z. B. in DI 26 (Stadt Osnabrück), Nr. 237 findet BENEDIC DOMINE DOMVM ISTAM ET HOMINES HABITANTES IN EA (segne, Herr, dieses Haus und die Menschen, die in ihm wohnen). Frdl. Hinweis von Frau Dr. S. Wehking, Göttingen.
- J1–3 und J5 nach Dn. 3,80f. aus Canticum trium puerorum; dies auch eingegangen in das Psalterium breviarii Romani, dominica ad laudes I benedicite omnes volucres caeli Domino laudate et superexaltate eum in saecula benedicite omnes bestiae et pecora Domino laudate.
- Nach Is. 26,9 sed et spiritu meo in praecordiis meis de mane vigilabo ad te.
- Nach Ps. 144,16 tu .. imples omne animal benedictione.
- Wortmaterial in J8–9 aus Is. 7,22 et prae ubertate lactis comedet butyrum.
- K3–4: Wortmaterial aus Dt. 32,15 incrassatus est dilectus et recalcitravit incrassatus inpinguatus.
- Wappen Kloster Werden und Helmstedt: gekreuzte Abtsstäbe. Vgl. Siebmacher, Wappenbuch, Bd. 1, 5. Abt., 2. Reihe, ND Bd. 8, S. 26.
- Wappen Abt Coelestin von Geismar: quadriert durch Kreuz, Herzschild gekreuzte Abtsstäbe. 1. und 4. Doppeladler, 2. und 3. geteilt, oben wachsender Adler, unten Rad. Vgl. Siebmacher, wie Anm. 14.
- Vgl. Henze, Inschriften Ludgeri, S. 84f. Zum Folgenden ebenda.
- Vgl. Anm. 2.
- Römer, Helmstedt, St. Ludgeri, S. 189.
- Zum Hintergrund vgl. C. Römer, Ein Reichskloster als katholischer Stützpunkt in Niedersachsen: St. Ludgeri zu Helmstedt in der Barockzeit, Hildesheim/Helmstedt 1987.
Nachweise
- Behrends, Diplomatarium, S. 225f. (B, D, F–K).
- Meier, Kunstdenkmäler, S. 31 (B, J3, J5–9, J11).
- Moshagen, wie Anm. 2 (B, E1–8, J3, J5–9, J11).
- Photo, wie Anm. 3 (E3).
- Henze, Inschriften Ludgeri, S. 86ff. (A–C, E–G, I, J1–3, J5–9, J11, L).
- Kapp, Kunstinventar Ludgeri, Bau- und Datierungsinschriften, S. 32ff. (A–C, E1, E4–9, F, G, H, I, J1–3, J7–9, K2, K3, L).
Zitierhinweis:
DI 61, Stadt Helmstedt, Nr. 345 (Ingrid Henze), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di061g011k0034500.
Kommentar
(1.) Scheune. Das Chronogramm der Inschrift C ergibt die Jahreszahl 1697. Es handelt sich hier um das älteste Chronogramm im Bereich des Klosters St. Ludgeri. Zum Erbauer der Scheune, Aemilianus Rhaman, vgl. Nr. 396. Rhamans Gelehrsamkeit und Fertigkeit im Bilden von Chronogrammen ist bezeugt. So pflegte er die modische Spielerei, den Beginn eines neuen Jahres in seiner Korrespondenz mit einem Chronostichon anzuzeigen16). Der den Bau begleitende Schriftwechsel deutet darauf hin, daß Rhaman auch die übrigen Inschriften der Scheune selbst zusammengestellt hat.
(2.) Ehemaliges Schäferwohnhaus. Zur Bautätigkeit des Propstes Robert Verbockhorst vgl. Nr. 428. In den Kontext des Gleichnisses vom guten Hirten und seinen Schafen (E1–5) lassen sich die Inschriften E6–8 nicht sinnvoll einfügen. Möglicherweise sind sie aus einer anderen Spruchreihe hier beim Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg oder bereits bei einem anzunehmenden früheren Umbau eingefügt worden17).
(3.) Ehemalige sog. Brennerei. Das Chronogramm der Inschriften F1 und F2 ergibt die Jahreszahl 1763. In der Tradition der Türkentorchronogramme (Nr. 447) datierte Propst Johannes Hellersberg (zu ihm vgl. 491) seinen Neubau eines Wirtschaftsgebäudes mit einem Chronogramm auf ein Ereignis der Reichsgeschichte, den Frieden von Hubertusburg zwischen Österreich und Preußen 1763. Bei dem genannten Abt handelt es sich um Anselm Sonius, der von 1757 bis 1774 amtierte18).
(4.) Torhaus mit bis 1992 anschließenden ehemaligen Ställen. Zu dem in Inschrift G genannten Abt Coelestin von Geismar vgl. Nr. 428.
Der fragmentarische Charakter der Inschriften I1 und I2, die singuläre Anrede der Hirten in L deuten ebenso wie E6–8 darauf hin, daß der Bestand an Inschriften ursprünglich reicher gewesen ist. Weder Behrends noch Meier haben – deutlich erkennbar – angestrebt, alle Inschriften des Klosterhofes vollständig aufzunehmen, scheiden also als Zeugen in dieser Frage aus.
Der in der Inschriftenauswahl teilweise zu beobachtende Rückgriff auf spezifisch „katholische“ liturgische Texte fand in einer Zeit zunehmender Spannungen des Klosters mit seiner lutherischen Umgebung statt. Er ist Zeichen seines wiedererwachten konfessionellen Selbstbehauptungswillens19). Im übrigen dürfte die ungewöhnliche Verbindung von liturgisch-biblischen Texten mit teilweise heiter-distanzierten Betrachtungen über das Vieh und seine profane Nutzung in den Inschriften der Ställe (vgl. auch Nrr. 434 und 441) zurückgehen auf persönliche Vorlieben der geistvollen und gelehrten Bauherren. Formal mit Chronogramm und liturgischem Text den Weg gewiesen hat der Erbauer der ältesten Scheune von 1697, der hochgebildete Aemilianus Rhaman. Die letzte in dieser Tradition stehende Inschrift ist das Chronogramm Nr. 496 aus dem Jahr 1765.