Inschriftenkatalog: Stadt Helmstedt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 61: Stadt Helmstedt (2005)

Nr. 326 Kreis- und Universitätsmuseum 1693, 1707 u. später

Beschreibung

Balken aus Studentenkarzer. Unbehandeltes Holz. Ehemals Ständer innerhalb eines Fachwerkgerüstes. Seit 1987 im Museum. Kantholz mit Verzapfungsbereichen oben und unten. Eine Seite mit Graffiti beschriftet. Schriftzone ab Ende der oberen Verzapfung bis unterhalb der unteren vier Zapflöcher. Inschriften unterschiedlich tief eingeritzt. Wiedergabe von oben nach unten.

Maße: H.: 226 cm; B.: 17,5 cm; Bu.: 1,2–3 cm (A), 2,5 cm (B, C), 1,5–3 cm (D), 0,7 cm (E), 3 cm (F), 2,5 cm (G), 2 cm (H, I), 1,5 cm (J), 5 cm (K), 2,5 cm (L), 1,5–2 cm (M), 2,5 cm (N), 1–3 cm (O).

Schriftart(en): Kapitalis (A, C–I, K–M), Kapitalis und Minuskel (B), Kapitalis mit Versalien (O), Antiqua (J, N).

Sabine Wehking [1/2]

  1. A

    FRANTZa) / 1755 / SOM(M)ER / PFLVG / LEIDEN FROST / IN CARCER

  2. B

    P C · v / WAEICHTER

  3. C

    DOPP

  4. D

    H HELMER

  5. E

    PONTANUS VELB(ECENSIS)b) / ANNO MDCXCIII

  6. F

    V · HUDESELc)

  7. G

    HAMKEN

  8. H

    T HALHEIM

  9. I

    R E / T E B · / 1755d)

  10. J

    Müller

  11. K

    HIe)

  12. L

    MEIER / 1707f)

  13. M

    T[..]M[.] / A(NN)o 9[.]

  14. N

    Bodeker / 1753

  15. O

    STEIN / 1746 / 27 AUGUST(I) / PRO HOSPITE /g) INCARCERA/TUS · XVIII. DEC(EMBRIS)

Übersetzung:

Stein, 1746 am 27. August zu Besuch, (selbst) eingekerkert am 18. Dezember. (O)

Kommentar

Die teilweise recht sorgfältig gearbeitete Kapitalis hat in Inschrift O A und H mit geknicktem Mittelbalken sowie I mit Punkt.

Die Universität verfügte über verschiedene Karzer. Der ordinaire Carcer befand sich nach einer Zeichnung von 1726 im oberen Stockwerk eines zweistöckigen Anbaus, der sich an den Westtrakt der Kollegiengebäude nach Norden anschloß. Der Criminelle Carcer lag ebenfalls im Westtrakt, im oberen Stock eines Anbaus nach Süden1).

Zweifelsfreie Identifizierungen der Inhaftierten sind bei der Kürze der Eintragungen nicht in allen Fällen möglich. Johannes Wilhelm Pflug (A) aus Potsdam ließ sich am 24. Dezember 1754 in Helmstedt immatrikulieren2). – Sebastian Georg Hermann Dopp (C) aus Verden gab bei seiner Immatrikulation am 14. Oktober 1754 Theologie als Studienfach an3). – Justus Heinrich Pontanus (E) stammte aus Velpke, Landkreis Helmstedt, und wurde am 1. März 1693 immatrikuliert4). – Johannes Hamken (G) aus St. Peter, Landkreis Nordfriesland, wurde am 27. April 1751 immatrikuliert5). – Christian Rudolph Bödeker (N) stammte aus Lieme, OT von Lemgo, hatte sich vorher in Göttingen aufgehalten und war mit dem Studienwunsch Medizin am 11. Mai 1753 immatrikuliert worden6). – Johann Christian und Carl Christoph Stein (O), beide aus Cumlosen, Landkreis Perleberg, möglicherweise Brüder, hatten sich am 13. Oktober 1745 immatrikulieren lassen mit den Studienwünschen Jura bzw. Theologie7). Einer der beiden war im August 1746 im Karzer zu Besuch (bei seinem Verwandten?), im Dezember dann selbst inhaftiert. – Ein weiterer beschrifteter Karzerbalken ist erhalten (Nr. 520).

Textkritischer Apparat

  1. FRANTZ ] Am rechten Schaft des N ist unten ein kapitales M eingeritzt.
  2. Überschrieben von Inschrift D.
  3. L in E eingeschrieben.
  4. Buchstaben gepunktet. Überschrieben von Inschriften J und L. Dabei Ritzzeichnung eines Hauses.
  5. HI überschreibt Inschrift J.
  6. Oder 1767?
  7. Hier eingeritzter Querstrich als Trennungslinie.

Anmerkungen

  1. Vgl. NStA Wolfenbüttel K 6873, Bauaufnahme von 1726, abgebildet bei Thies, Juleum Novum, S. 27.
  2. Matrikel Helmstedt, Bd. 3, S. 209.
  3. Ebenda.
  4. Matrikel Helmstedt, Bd. 3, S. 30.
  5. Matrikel Helmstedt, Bd. 3, S. 200. Namensform dort Hamkens.
  6. Matrikel Helmstedt, Bd. 3, S. 206.
  7. Matrikel Helmstedt, Bd. 3, S. 188.

Zitierhinweis:
DI 61, Stadt Helmstedt, Nr. 326 (Ingrid Henze), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di061g011k0032605.