Inschriftenkatalog: Stadt Helmstedt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 61: Stadt Helmstedt (2005)

Nr. 306 St. Stephani 1688

Beschreibung

Grabplatte der Margarethe Hedwig Ripenhusen, verheiratete Schrader. Sandstein. Im südlichen Seitenschiff, rechts vom östlichen Eingang. Böhmer führt das Grabdenkmal 1710 unter den Steinen im südlichen Teil des Friedhofs von St. Stephani auf, neben dem des Ehemanns Friedrich Schrader (Nr. 397) und in enger Nachbarschaft zu weiteren Grabdenkmälern der Familie Schrader1). Zusammen mit der Grabplatte des Ehemannes 1987 auf dem Grundstück Schuhstraße 8 gefunden, bis 2000 im städtischen Bauhof gelagert, seitdem am jetzigen Platz2). Die zu den Längsseiten hin leicht gewölbte Platte (vgl. Nr. 397) ist vollständig von der eingehauenen Inschrift bedeckt.

Maße: H.: 224,5 cm; B.: 112 cm; Bu: 4,5–8 cm.

Schriftart(en): Versalschrift.

Sabine Wehking [1/1]

  1. D(EO) O(PTJMO) M(AXJMO) S(ACRVM) / PERENNJQVE MEMORJAE / FEMJNAE JNCOMPARABJLJS / MARGARETHAE HEDWJGJS / SCHRADERJAE / NATAE RJPENHVSJAE / QVAE3) / JN ADOLESCENTJA ET JUVENTUTE / SENECTVTJS VJRTVTES ET FATA / JMPLEVJT / SUMMA GRAVJTATE PRUDENTJA PROBJTATE FJDE / SEXVS SVJ ORNAMENTVM / MARJTJ DELJCJUM / FAMJLJAE FULCRUM / DONEC / NON ANNJS SED ANJMO SENEX / PORTUM SENECTUTJS4) / JNTRARET JUVENJS / ANNO MDCLXXXVIIIa). D(JE) XXVII. OCTOBR(JS) / JN CHRJSTO PLACJDE OBDORMJSCENS / CVM ANNOS XXIV NONDUM JNTEGROS / HJC EXEGJSSET / JMMATURE DEFVNCTAM NE DJCAS / DJDJCERAT MORJ. / FRJDERJCVS SCHRADER MED(JCJNAE) D(OCTOR) ET PROF(ESSOR) P(VBLJCVS) / VXORJ DESJDERATJSSJMAE / HOC MON(VMENTVM) MOERENS / P(ONJ) C(VRAVJT)

Übersetzung:

Gott, dem Besten und Größten, geweiht und dem immerwährenden Andenken an die unvergleichliche Frau Margarethe Hedwig Schrader, geborene Ripenhusen, die als Mädchen und junge Frau die Tugenden einer Greisin besaß und das Schicksal des Greisenalters erfüllte. Ausgestattet mit höchster Würde, Klugheit, Kompetenz und Zuverlässigkeit, war sie eine Zierde ihres Geschlechtes, Quelle der Freude für den Gatten, Stütze der Familie, bis sie, zwar nicht den Jahren, aber der geistigen Reife nach alt, den Hafen des Greisenalters erreichte, sie, eine junge Frau, indem sie im Jahre 1688 am 27. Oktober sanft in Christus entschlief, nachdem sie noch nicht ganz vierundzwanzig Jahre hier gelebt hatte. Sage nicht, sie sei unzeitig gestorben: Sie hatte gelernt zu sterben. Friedrich Schrader, Doktor der Medizin und öffentlicher Professor, ließ seiner schmerzlichst vermißten Frau dieses Denkmal in Trauer setzen.

Kommentar

Die in der Einleitung S. 55 vorgestellte Versalschrift tritt hier in reiner Form auf. Bis auf die Verwendung von neulateinischen Zahlzeichen (vgl. Anm. a) entspricht die Schriftgestaltung der auf der Platte des Ehemannes Nr. 397. Beide Platten sind vermutlich in derselben Werkstatt gearbeitet. Vokalisches U wird in beiden Inschriften ohne erkennbare Regel sowohl durch U wie durch V wiedergegeben.

Margarethe Hedwig Schrader, geboren am 2. Februar 1665 in Göttingen5), war die Tochter des Hofgerichtsassessors, Ersten Bürgermeisters und Syndikus der Stadt Göttingen, Otto Ripenhusen und seiner Ehefrau Anna Margarethe Konerding. Margarethe Hedwig verbrachte ihre Jugend im Hause ihres Großvaters mütterlicherseits, des zu seiner Zeit sehr bekannten Braunschweig-Lüneburgischen Hof- und Leibarztes Dietrich Konerding in Celle, und seiner Frau Dorothea, Tochter des Wolfenbütteler, später Calenberger Kanzlers Arnold Engelbrecht6). Im Alter von sechzehn Jahren heiratete sie am 10. Mai 1681 Friedrich Schrader, der um diese Zeit als Arzt in Göttingen wirkte. Mit ihm zog sie nach seiner Ernennung zum Professor der Medizin 1683 nach Helmstedt, gebar dort zwei Kinder, 1685 Dietrich Otto (vgl. Nr. 424) und am 24. Januar 1688 Anna Catharina, die bereits am 15. Juni des Jahres wieder verstarb (vgl. Nr. 305). Wenige Monate später, am 27. Oktober 1688, verschied auch die Mutter. Die zweite Ehefrau Schraders (vgl. Nr. 439) war eine Cousine der Verstorbenen.

Textkritischer Apparat

  1. Neulateinische Zahlzeichen.

Anmerkungen

  1. Vgl. Nr. 269, Anm. 1.
  2. Vgl. dazu S. 20 der Einleitung.
  3. Ab QVAE bieten Böhmer und Cm 212 eine bis auf geringfügige Varianten identische, umfangreichere Version, die so nicht zur Ausführung gekommen ist. Der Text lautet nach Böhmer: .. quae nobilissimis parentibus Othone Rippenhusio I(uris)c(onsul)to & Anna Conerdingia Göttingae anno MDCLXV edita in pueritia adolescentiae in adolescentia iuuentutis in iuuentute senectutis virtutes (die gleiche Formel auch in Nr. 438, der Grabschrift eines entfernten Familienmitgliedes) et fata impleuit celerrimis virtutum incrementis non aequales modo sed se ipsam supergressa adolescentula nupsit nupta bis peperit nomenque matris et matris familias summa grauitate prudentia probitate fide sustinuit familiae fulcrum mariti delicium sexus sui ornamentum donec non annis sed animo senex portum senectutis intraret iuuenis et caelum quod in filiola eo nuper praemissa iam aliqua sui parte possidebat obtineret tota anno MDCLXXXVIII d(ie) XXVII Oct(obris) in Christo placide obdormiscens quum annos XXIV nondum integros hic exegisset immature defunctam ne dicas didicerat mori Fridericus Schraderus med(icinae) D(octor) et P(rofessor) P(ublicus) vxori desideratissimae h(oc) mon(umentum) p(oni) c(urauit) moerens. (.. die als Tochter sehr vornehmer Eltern, des Rechtsgelehrten Otto Ripenhusen und der Anna Konerding in Göttingen im Jahre 1665 geboren, als Kind wie ein Mädchen, als Mädchen wie eine junge Frau und als junge Frau wie eine Greisin die Tugenden des jeweils höheren Lebensalters besaß und dessen Schicksal erfüllte. Ihre guten Eigenschaften entfalteten sich außerordentlich schnell, und sie hatte damit nicht nur ihre Altersgenossinnen, sondern sich selbst übertroffen, als sie schon als junges Mädchen heiratete, zweimal gebar und die Mutterrolle, ja die Rolle der Familienmutter mit höchster Würde, Klugheit, Kompetenz und Zuverlässigkeit auf sich nahm, Stütze der Familie, Quelle der Freude für den Gatten, Zierde ihres Geschlechtes, bis sie, zwar nicht den Jahren, aber der geistigen Reife nach eine Greisin, den Hafen des Greisenalters, sie, eine junge Frau, erreichte und den Himmel, den sie schon mit einem Teil von sich, nämlich mit dem neulich dorthin vorausgeschickten Töchterchen, besetzt hatte, nun ganz in Besitz nahm, indem sie im Jahre 1688 am 27. Oktober sanft in Christus entschlief, nachdem sie noch nicht ganz vierundzwanzig Jahre hier gelebt hatte. Sage nicht, sie sei unzeitig gestorben: Sie hatte gelernt zu sterben. Friedrich Schrader, Doktor der Medizin und öffentlicher Professor, ließ seiner schmerzlichst vermißten Frau dies Denkmal in Trauer setzen.) Böhmer hat in diesem Fall offensichtlich nicht den Stein, sondern eine andere Quelle, möglicherweise die von der Familie in Druck gegebenen Trauerschriften, benutzt.
  4. Vgl. Statius, Silvae 2,1,70 portus senectae.
  5. Lebensdaten nach J. E. Bußmann, Bey .. Leich=Bestattung Der .. Margarethen Hedwig gebohrnen Riepenhausen .. Friderici Schraderi .. Gewesenen Ehe=Liebsten, Helmstedt o. J.
  6. Zu den Heiratsverbindungen der Familien Schrader, Konerding und Engelbrecht vgl. Nr. 438 mit Anm. 6.

Nachweise

  1. Nieders. Landesbibliothek Hannover, Cm 212, Trauerschriften M. H. Ripenhusen, im Anhang zu J. E. Bußmann, Bey .. Leich=Bestattung Der .. Margarethen Hedwig gebohrnen Riepenhausen .. Friderici Schraderi .. Gewesenen Ehe=Liebsten, Helmstedt o. J.
  2. Böhmer, Inscriptiones, S. 118f.

Zitierhinweis:
DI 61, Stadt Helmstedt, Nr. 306 (Ingrid Henze), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di061g011k0030603.