Inschriftenkatalog: Stadt Helmstedt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 61: Stadt Helmstedt (2005)

Nr. 300 Kreis- und Universitätsmuseum 1686

Beschreibung

Epitaph des Johann Gabriel Schmiedt. Holz, farbig gefaßt, Spruchbänder und Strahlen Eisenblech, z. T. verzinnt, Porträtplatte und Inschrifttafel Kupfer. Seit 1980 im Kreis- und Universitätsmuseum. 1710 im Kirchenschiff von St. Stephani1). Am Pfeiler der Professorenprieche über dem Epitaph Nr. 222 im nördlichen Langhaus hing es noch um 18502). Meier erwähnt es 1896 nicht. Im Turmraum der Kirche wiederaufgefunden und 1979 restauriert3). Hochrechteckige Platte, darauf montiert: unten querovale Tafel mit Inschrift A, eingefaßt links von medizinischen, rechts von mathematischen Instrumenten4), darunter in der Mitte Vase mit Blumen zwischen zwei aufgeschlagenen Büchern. Das linke Buch trägt Inschrift B, das rechte die ergänzte Inschrift C. Über der Inschrifttafel hochovales, gemaltes Porträt des Verstorbenen, links daneben Apoll, rechts Darstellung des Todes als Skelett. Apoll hält mit der Rechten Lorbeerkranz zum Haupt des Verstorbenen5), über seiner Linken Schriftband D. Rechts über dem Skelett Schriftband E. Darüber links Engel mit Posaune, rechts Engel mit Schriftband F. Oben eine Wolke im Strahlenkranz, unter der Wolke die erneuerte Inschrift G, davor der aus der Wolke einen weiteren Kranz reichende Arm Gottes. Figuren und Instrumente halb- bis vollplastisch. Inschriften gemalt, Inschrift A gold auf schwarzem, Inschriften B und D–F gold auf weißem Grund.

Inschrift G nach Querner.

Maße: H.: ca. 215 cm; B.: 134 cm; Bu.: 1,8–3 cm (A), 2,5 cm (B), ca. 3 cm (D–F).

Schriftart(en): Kapitalis mit Versalien (A), Kapitalis (B, D–F).

Sabine Wehking [1/2]

  1. A

    D(EO) O(PTIMO) M(AXIMO) S(ACRUM) / EXUVIAE HIC SITAE SUNT / IOH(ANNIS) GABR(IELIS) SCHMIEDT / QUI DANTISCI II. APR(ILIS) MDCLXIIa) NAT(US) / IOHAN(NIS) ET DANIEL(IS) MEDIC(INAE) D(OCTORUM)b) ET PHYSICOR(UM) DANTISCANOR(UM) / FILIVS ET NEPOS / BELG(IUM) ANGL(IAM) GALL(IAM) ITALIAM GERMAN(IAM) LUSTRAVIT UNIVERSAM. / MONSPEL(II) MEDIC(INAE) D(OCTOR) CREATUS / MODESTIA GRATIA MORUM PIETATE / INCOMPARABILIS / MEDICAR(UM) MATHEMATICARUMQ(UE) RERUM PERITIA ULTRA AETATEM CLARUS / PATRIAM PATREMQUE REPETITURUS IN HAC ACADEMIA JULIA / D(IE) VIII. M(ENSIS) AUG(USTI) MDCLXXXVIa) BEATISSIMA MORTE OBIIT / MAIORES GLORIA SUPERATURUS NISI A MORTE SUPERATUS / PATER MOESTISS(IMUS) UNICO SUO ABSENS M(ONUMENTUM) H(OC) F(IERI) F(ECIT) / TITULUM AUDITORI SUO / HENRICUS MEIBOMIUS D(OCTOR) P(ROFESSOR) P(UBLICUS) / L(UGENS) M(AERENS)Q(UE) SCRIPSIT

  2. B

    HIP/PO/KRA/TES

  3. C

    [ – – – ]c)

  4. D

    VIRTUTIS PRAEMIUM

  5. E

    VANITAS

  6. F

    PLUS VLTRA6)

  7. G †

    AETERNITAS

Übersetzung:

Gott, dem Besten und Größten, geweiht. Hier liegen die sterblichen Überreste des Johann Gabriel Schmiedt, der, geboren in Danzig am 2. April 1662 als Sohn und Enkel der Danziger Doktoren der Medizin und Ärzte Johann und Daniel (Schmiedt), die Niederlande, England, Frankreich, Italien und Deutschland ganz durchreiste. Er wurde in Montpellier zum Doktor der Medizin promoviert. An Bescheidenheit, liebenswürdigem Benehmen und Frömmigkeit war ihm keiner vergleichbar. Mit seinen medizinischen und mathematischen Kenntnissen zeichnete er sich vor seinen Altersgenossen aus. Gerade als er in seine Vaterstadt und zu seinem Vater zurückkehren wollte, starb er in dieser Academia Julia am 8. August 1686 den allerglückseligsten Tod, er, der im Begriff war, seine Vorfahren an Ruhm zu übertreffen, hätte ihn nicht der Tod getroffen. Der tieftraurige Vater ließ seinem Einzigen dieses Denkmal in Abwesenheit errichten. Die Inschrift verfaßte Heinrich Meibom, Doktor und öffentlicher Professor, für seinen Hörer in Trauer und Schmerz. (A)

Lohn der Tüchtigkeit. (D)

Nichtigkeit. (E)

Darüber hinaus. (F)

Ewigkeit. (G)

Kommentar

Die originalen Buchstabenformen aller Inschriften sind durch die Restaurierung verunklart. Als Folge der Farbverblassung wird in Inschrift A unter U wieder die ursprüngliche V-Schreibung sichtbar.

Johann Gabriel Schmiedt, Sohn des Danziger Stadtphysikus Johann Schmiedt7), studierte von 1680 bis 1682 in Helmstedt Mathematik und Medizin8). Er wohnte im Hause Heinrich Meiboms d. J. (vgl. Nr. 355). Auf die in Inschrift A erwähnte große Studienreise, die ihn u. a. nach Leiden, Oxford, Cambridge und London führte, begab er sich 1682. Am 4. Dezember 1685 wurde er zum Doktor der Medizin promoviert, wie sein Vater in Montpellier. Seit 1683 litt er unter den Symptomen der Tuberkulose, die ihn schließlich zum Abbruch der Studien zwang. Er starb auf der Heimreise am 8. August 1686 im Hause seines Lehrers Meibom und wurde am 25. September in der Stephanikirche beigesetzt. Meibom vertrat den abwesenden Vater und verfaßte die Inschriften für das Epitaph und ein weiteres Grabdenkmal (Nr. 301). Auf ihn, der den Lehrstuhl für Poesie innehatte, dürfte auch der Gesamtentwurf des Epitaphs zurückgehen. Dargestellt ist in der Sprache der in Poesie und bildender Kunst gleichermaßen verbreiteten Emblematik die Promotion, ihre Infragestellung durch den Tod und seine Überwindung durch die christliche Verheißung9). Von Epitaphien dieser Art, die mit dem Bild der beiden konkurrierenden Lorbeerkränze/Lebenskronen einen akademischen Lebensweg illustrieren, hat es möglicherweise in Helmstedt noch ein weiteres gegeben, vgl. Nr. 222.

Textkritischer Apparat

  1. Neulateinische Zahlzeichen.
  2. D(OCTORUM)] DD. auf dem Epitaph.
  3. Die Inschrift des mathematischen Buches war zerstört. Querner hat sie nicht überliefert. Die moderne Ergänzung EU/KLI/DES erfolgte bei der Restaurierung 1979 nach einer ähnlichen Darstellung der Mathematik auf einem Porträtstich des Philologen und Mathematikers Daniel Schwenter (1585–1636), vgl. dazu Beitrag Henze, wie Anm. 3, S. 17 mit Anm. 34. Der Stich bei Mortzfeld, Porträtsammlung, A20028. Zu Schwenter vgl. Kat. Sammler, Fürst, Gelehrter, S. 152.

Anmerkungen

  1. Böhmer, Inscriptiones, S. 12 IN SINV TEMPLI mit S. 13.
  2. Querner 1, S. 15.
  3. R. Kleinert, I. Henze, C. Walther, Das Grabmal des Dr. med. Johann Gabriel Schmiedt (1662–1686) aus der St. Stephani-Kirche in Helmstedt. In: Braunschweigische Heimat 67, 1981, S. 9. Dort auch die Angabe der Materialien.
  4. Einzelbestimmung der Geräte nach zeitgenössischen Lehrbüchern durch Walther, wie Anm. 3, S. 17ff.
  5. Der originale Lorbeerkranz des Apoll ist verloren. Restauriert wurde nach der Beschreibung Querners, wie Anm. 2.
  6. Abwandlung des seit der Frührenaissance verbreiteten non plus ultra, vgl. dazu Dielitz, Wahl- und Denksprüche, S. 246.
  7. Zu ihm vgl. Jöcher, Gelehrten-Lexicon, Bd. 4, Sp. 289 mit Titelangaben seiner Schriften.
  8. Immatrikuliert am 21. Mai 1680, Matrikel Helmstedt, Bd. 2, S. 221. – Die übrigen Lebensdaten nach J. E. Bußmann, Bey .. Leich=Bestattung Des .. Johann Gabriel Schmiedts, Danzig 1687. Vgl. auch Jöcher, wie Anm. 7, Sp. 297 mit Titelangaben seiner Schriften.
  9. Zur Deutung des Bildteils vgl. Beitrag Henze, wie Anm. 3, S. 14ff.

Nachweise

  1. Böhmer, Inscriptiones, S. 13 (A).
  2. Querner 1, S. 15f.
  3. R. Kleinert, I. Henze, C. Walther, Das Grabmal des Dr. med. Johann Gabriel Schmiedt (1662–1686) aus der St. Stephani-Kirche in Helmstedt. In: Braunschweigische Heimat 67, 1981, S. 9.

Zitierhinweis:
DI 61, Stadt Helmstedt, Nr. 300 (Ingrid Henze), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di061g011k0030001.