Inschriftenkatalog: Stadt Helmstedt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 61: Stadt Helmstedt (2005)

Nr. 293† St. Stephani 1685

Beschreibung

Grabdenkmal der Margarethe Stisser und ihrer Söhne Heinrich und Bodo Schrader. Nach Böhmer befand sich das Grabdenkmal 1710 unter den Steinen im südlichen Teil des Friedhofes, in enger Nachbarschaft zu weiteren Grabdenkmälern der Familie Schrader1).

Inschrift nach Böhmer.

  1. C(hristo) S(eruatori) s(acrum) MARGARETHA STISSERIA Christophori Schraderi vxor virtute genere forma ac gratissimis animi dotibus sui sexus margarita2) pia prudens & benefica IX filiorum & IV filiarum mater a) nepotum auia quidquid e tot puerperiis laboriosa educatione et rei familiaris inde lassata cura seruabat virium id fracto aetate coniugi ita impendit vt vix quinquennium illi superesset exitum facilem et beatum sortita XIII Febr(uarii) MDCLXXXV vixit ann(os) LXIV in coniug(io) XLVIIIb) neque mortua tamen est quae meliori sui parte viuit in caelo et sese ac maritum toties expressit in liberis e quibus duo filii Henricus et Bodo Schraderi ille theologiae hic iuris candidatus in maturitate non aetatis sed morum et doctrinae desideriis omnium abrepti vnius sanguinis cinis hic conquiescunt Matri opt(imae) bene merentiss(imae) et fratrib(us) cariss(imis) superstes familia monum(entum) dolor(is) p(osuit)

Übersetzung:

Christus, dem Erretter, geweiht. Margarethe Stisser, Ehefrau von Christoph Schrader, nach Tugend, Abkunft, Schönheit und höchst angenehmen Geistesgaben eine Perle ihres Geschlechtes, fromm, klug und wohltätig, Mutter von neun Söhnen und vier Töchtern, Großmutter von [ .. ] Enkeln, wandte, was sie an Kräften, erschöpft von so vielen Entbindungen, der mühsamen Erziehungsarbeit und der Sorge um den Haushalt, sich noch bewahrt hatte, so auf den durch das Alter geschwächten Gatten, daß sie ihn um kaum fünf Jahre überlebte und am 13. Februar 1685 ein leichtes und glückseliges Ende fand. Sie lebte vierundsechzig Jahre, achtundvierzig davon im Ehestand, und ist gleichwohl nicht tot, da sie mit ihrem besseren Teil im Himmel weiter lebt und sich und den Gatten so oft nachbildete in den Kindern. Von denen sind zwei Söhne, Heinrich und Bodo Schrader, jener Kandidat der Theologie, dieser der Rechtswissenschaft, in der Reife nicht ihrer Jahre, aber ihres Charakters und ihrer Bildung der Liebe aller sie Umgebenden entrissen worden und ruhen hier, Asche aus einem Blut. Der besten und hochverdienten Mutter und den heißgeliebten Brüdern setzte die hinterbliebene Familie dieses Denkmal der Trauer.

Kommentar

Margarethe Stisser, selbst gebürtig aus einer angesehenen Familie von Juristen und Geistlichen, wurde als Frau des Helmstedter Professors Christoph Schrader (vgl. Nr. 269) Mutter mehrerer tüchtiger Mediziner, Theologen und Verwaltungsbeamten, von denen zwei in den Adelsstand erhoben worden sind3). Geboren am 30. April 16214) in Magdeburg als Tochter des Ernst Stisser, späteren Professors der hebräischen Sprache in Helmstedt (vgl. Nr. 156), und seiner ersten Frau Margarete Curdes, heiratete sie nach dem Tode ihres Vaters 1636 mit 16 Jahren am 25. April 1637 den zwanzig Jahre älteren Christoph Schrader. Von ihrem Umgang mit den dreizehn Kindern, die fast alle das Erwachsenenalter erreichten, heißt es, daß die Schraderische wolgeratene Kinderzucht nicht nur Stadt= sondern Land=kündig ist 5). Dies und das große Ansehen ihres Mannes, das auch ihr, die sie ihn von häuslichen Sorgen abschirmte, als Verdienst zugerechnet wurde, lassen ihr Leben in den Augen des Verfassers des Funeralprogramms, Heinrich Meibom d. J., als außerordentlich gesegnet und geglückt erscheinen. Mehrere Grabschriften von Nachkommen sind bekannt (vgl. Nr. 269).

Nach Auskunft der Inschrift sind im Grab der Mutter außerdem zwei Söhne beigesetzt, zum einen der bereits am 21. Januar 16726) verstorbene Magister Heinrich Schrader. Geboren am 21. Dezember 1643 als fünftes Kind der Familie, hatte er zunächst als Begleiter der jüngeren Brüder Gottfried, später Pastor in Winsen a. d. Luhe, und Justus, später Arzt in Amsterdam, in Jena Philosophie und Theologie studiert. Nach dem Erwerb des Magistergrades in Helmstedt wurde er während eines Studienaufenthaltes in Gießen von der Schwindsucht erfaßt und kehrte im Dezember 1671 nach Hause zurück, um hier wenige Wochen später zu sterben. Bei dem zweiten Sohn handelt es sich um den am 21. Oktober 16627) als dreizehntes und jüngstes Kind geborenen Bodo. Er hatte in Wittenberg angefangen, Jura zu studieren, war 1680 nach dem Tode des Vaters zunächst bei der Mutter in Helmstedt geblieben, um dann seinen älteren Bruder, den Braunschweig-Lüneburgischen Rat Christoph Schrader (vgl. Nr. 307), für ein Jahr an den kaiserlichen Hof nach Wien zu begleiten. Die Wiederaufnahme der juristischen Studien in Helmstedt wurde bereits von Krankheit überschattet. Den Tod der Mutter am 13. Februar 1685 hat er, geschwächt, wie er war, nicht lange überlebt. Er starb einen Tag nach deren Beisetzung am 2. März 1685.

Textkritischer Apparat

  1. Die Angabe der Zahl der Enkel fehlt. Vermutlich ist die entsprechende römische Ziffer von Böhmer übersehen worden.
  2. XLVIII] XLIII Böhmer. Margarethe Stisser heiratete 1637.

Anmerkungen

  1. Vgl. Nr. 269, Anm. 1.
  2. Der im Barock häufige Vergleich von Trägerinnen des Namens Margarethe mit der Perle – margarita – läßt sich in der Übersetzung nicht wiedergeben.
  3. Zimmermann, Album, S. 441f.
  4. Lebensdaten nach Programma in funere .. Margarethae Stisseriae, Helmstedt o. J.
  5. Aus: A. Fröling, Bey .. Leichbestattung der .. Margarethen Schraderin, Helmstedt o. J.
  6. Lebensdaten nach Programma in funere M. Henrici .. Schraderi, Helmstedt o. J.
  7. Lebensdaten nach Programma in funere iuvenis .. Bodonis Schraderi, Helmstedt 1685.

Nachweise

  1. Böhmer, Inscriptiones, S. 115f.

Zitierhinweis:
DI 61, Stadt Helmstedt, Nr. 293† (Ingrid Henze), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di061g011k0029307.