Inschriftenkatalog: Stadt Helmstedt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 61: Stadt Helmstedt (2005)

Nr. 269† St. Stephani 1680

Beschreibung

Grabdenkmal des Christoph Schrader. Es befand sich nach Böhmer 1710 unter den Steinen im südlichen Teil des Friedhofes, in enger Nachbarschaft zu weiteren Grabdenkmälern der Familie Schrader1).

Inschrift nach Böhmer.

  1. C(hristo) S(eruatori) s(acrum) CHRISTOPHORVS SCHRADERVS Praepositus Bergensis academiae Iuliae Professor scholarum Guelphicarum inspector generalis pietate prudentia doctrina candorea) Deo principibus orbi erudito et bonis omnibus2) quibusb) innotuit carus aestimatusque quum dicendi artem magnus ipse orator per XLIV annos voce et scripto vltra vulgi conatum accurate excellenterque docuisset paedagogiis patriae vigili studio eximia dedisset incrementa et non minus rara numerosae sobolis felicitate quam suis meritis vbique celebraretur sanctitate senioque venerabilis satur vitae plenus gloriae fessus et fatiscens placide in Domino obdormiuit IIX kal(endas) Maii3) anno MDCLXXX aetat(is) LXXIX Margaretha Stisseria vxor mar(ito) opt(imo) desideratiss(imo) lib(eri) X e XIII superstites patri incomparabili cum luctu et lacrimis p(osuerunt)

Übersetzung:

Christus, dem Erretter, geweiht. Christoph Schrader, Propst von Marienberg, Professor an der Academia Julia, Generalinspektor der welfischen Schulen, seiner Gottesfurcht, Klugheit, Gelehrtheit und Lauterkeit wegen Gott, den Fürsten, der gebildeten Welt und allen Redlichen, die ihn kennenlernten, wert und von allen geschätzt, hatte die Redekunst – er selbst ein großer Redner – vierundvierzig Jahre hindurch in Wort und Schrift auf einem Niveau, weit über dem der großen Masse, mit Gewissenhaftigkeit und Brillanz gelehrt, die pädagogischen Institutionen des Landes mit regem Engagement in ihrer Entwicklung außerordentlich gefördert und war gleichermaßen wegen des seltenen Glückes, eine zahlreiche Nachkommenschaft zu haben, wie aufgrund seiner persönlichen Verdienste überall bekannt und gepriesen. Verehrungswürdig um seiner Integrität und seines Alters willen, lebenssatt, überreich an Ehrungen, müde und matt ist er sanft im Herrn entschlafen am 8. Tag vor den Kalenden des Mai im Jahre 1680 im neunundsiebzigsten Lebensjahr. Margarethe Stisser als Ehefrau und zehn überlebende von dreizehn Kindern setzten dem besten und schmerzlichst vermißten Gatten, dem unvergleichlichen Vater unter Trauer und Tränen (dieses Denkmal).

Kommentar

Mit dem Namen des Helmstedter Professors der Eloquenz Christoph Schrader verbindet sich der Beginn einer von kirchlicher Oberaufsicht losgelösten, eigenständigen Schulverwaltung unter Herzog August dem Jüngeren im Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel. Schrader, geboren am 29. September 16014), wurde geprägt durch sein Studium bei Georg Calixt (vgl. Nr. 340). Im Oktober 1635 erhielt er einen Ruf auf den Lehrstuhl der Beredsamkeit an der Universität Helmstedt. Den Magistergrad erwarb er kurz darauf im Februar 1636. Seine ungewöhnliche lateinische Redebegabung – Helmstadiensis Cicero nennt ihn Heinrich Meibom d. J.5) – und sein pädagogisches Geschick, Generationen von Studenten während der vierundvierzig Jahre in diesem Amt in gut humanistischer Tradition an den antiken Autoren zu schulen, begründeten den exzellenten Ruf der Helmstedter Latinität im 17. Jahrhundert. Als Mitarbeiter von Herzog August dem Jüngeren bei dessen Bemühungen um eine Reform des Schulwesens – Schrader wurde 1648 das neugeschaffene Amt eines Generalschulinspektors des Fürstentums Braunschweig-Wolfenbüttel, später auch der Dannenbergischen und Blankenburgischen Gebiete übertragen –, entstand in seiner Ära die braunschweigische Schulordnung von 1651, die u. a. einen großen Teil der Schulaufsicht dem Konsistorium entzog und so den Weg ebnete zur Entwicklung einer weltlichen Kultusbehörde6). In Anerkennung seiner Verdienste wurde er 1653 zum Propst des Helmstedter Klosters St. Marienberg – praepositus Bergensis – ernannt.

Aus seiner Ehe mit Margarethe Stisser (vgl. Nr. 293) gingen dreizehn Kinder hervor. Beim Tode des Vaters am 24. April 1680 waren – wie die Inschrift vermerkt – drei nicht mehr am Leben. Dabei handelt es sich um eine 1643 im Alter von vier Jahren verstorbene Tochter namens Helena Margarethe7) und die beiden mit Grabschriften vertretenen Kinder Heinrich (vgl. Nr. 293) und Margarethe (Nr. 268). Darüber hinaus sind mehrere Grabschriften aus der zahlreichen Nachkommenschaft Schraders bekannt (vgl. Nrr. 262, 280, 293, 305, 307, 388, 397, 424).

Textkritischer Apparat

  1. candore] ardore Koch.
  2. quibus] Fehlt bei Koch; dort Lücke.

Anmerkungen

  1. Böhmer, Inscriptiones, S. 112 LAPIDES SEPVLCHRALES in parte coemiterii posteriore mit S. 116f. Böhmer reiht S. 113–121 die Inschriften Nrr. 388, 305, 293, 269, 424, 306, 397 und 307 hintereinander auf.
  2. Zu bonis omnibus vgl. S. 37f. der Einleitung.
  3. 24. April.
  4. Lebensdaten bei Zimmermann, Album, S. 441f. Vgl. auch Ahrens, Lehrkräfte, S. 212f.
  5. In Programma in funere .. Margarethae Stisseriae, Helmstedt o. J.
  6. Ausführlich dazu J.-L. Le Cam, La politique scolaire d’August Le Jeune de Brunswick-Wolfenbüttel et l’inspecteur Christoph Schrader 1635–1666/80, Volume 1. Wolfenbütteler Forschungen Bd. 66, Wiesbaden 1996; J. Tütken, Höhere und mittlere Schulen des Herzogtums Braunschweig-Wolfenbüttel, der Herrschaft Dannenberg und der Grafschaft Blankenburg im Spiegel der Visitationsprotokolle des Generalschulinspektors Christoph Schrader (1650–1666). Wolfenbütteler Forschungen Bd. 76, Wiesbaden 1997.
  7. Vgl. die Tabelle der Kinder bei A. Fröling, Bey Leichbestattung Des .. Christophori Schraderi, Helmstedt o. J.

Nachweise

  1. Böhmer, Inscriptiones, S. 116f.
  2. Nieders. Landesbibliothek Hannover, Cm 211, Trauerschriften Chr. Schrader, nach Programma in funere .. Christophori Schraderi, Helmstedt 1680.
  3. Koch bei Meier, Monumenta Julia.
  4. Leuckfeld bei Meibom, Marienberg, S. 89f.

Zitierhinweis:
DI 61, Stadt Helmstedt, Nr. 269† (Ingrid Henze), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di061g011k0026902.