Inschriftenkatalog: Stadt Helmstedt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 61: Stadt Helmstedt (2005)

Nr. 252 St. Stephani 1676

Beschreibung

Grabplatte der Agnes Jacobi und der Gesa von Bentheim, Ehefrauen des Daniel Erberfelt. Sandstein. An der nördlichen Kirchenaußenwand, links vom Ostportal. An der Kirchenaußenwand hat sie auch Böhmer 1710 gesehen1). Drei querovale Schriftfelder übereinander auf hochrechteckiger Platte, jedes eingefaßt von Ranken. Zwickel ausgefüllt mit Blumen. Im oberen Schriftfeld Inschriften A und B, im mittleren Inschrifen C und D, das untere Feld unbeschriftet. Ornamente und Buchstaben erhaben.

Maße: H.: 210 cm; B.: 130 cm; Bu.: 3–5 cm (Majuskeln), 3 cm (Minuskeln).

Schriftart(en): Kapitalis mit Versalschrift und Fraktur.

Sabine Wehking [1/3]

  1. A

    JACOBJ TOCHTER LIEGT ALHIER DA DIESER STEIN, WAS? DJNA2)? NEIN, SIE WAHR DJANA, ZÜCHTIG, REIN, IHR ELTER VATTER IST DER GLAVBIG’ ABRAHAM. IN DESSEN SCHOS AGNES IETZT RUHT DAS KEUSCHE LAMM.

  2. B

    A(NN)Oa) 1638 d(en) 19 Aug(ustÿ) IST FRAW AGNESA, HERRN JOHANNJS. / JACOBJ APOTHEKERS IN BRAUNSW(EIG) TOCHTER GEBOHREN / d(en) 17 Julÿ 1655 AN HERRN DANJEL ERBERFELT. / POSTMEIST(ER) UND APOTHEK(ER) VEREHLIGET UND / STARB d(en) 3 Junÿb) 1662

  3. C

    FRAV GESA BENTHEJMS LIEGT HIE AUCH, DIE FRO(M)ME HANNA3) DIE KLUG’ ABIGAIL4); DIE ZÜCHTIGE SUSANNA5); DIE MIT MARIEN WUST, ANS BESTE SICH ZU HALTEN, UND DOCH MIT MARTEN6) AUCH, DEN HAUSHALT ZU VERWALTEN,

  4. D

    FRAV GESCHE HERREN JOHANNES VON BENTHEJMS / DER REICHS STAT BREMEN SECRETARŸ TOCHTER, IST / GEBOHREN, A(NN)Oa) 1643. d(en) 17 Martÿ AUCH AN HERREN / ERBERFELTEN VEREHLIGET d(en) 8 Junÿ. 1663 UND / STARB SEHLIG A(NN)Oa) 1676. d(en) 30. / Jannuarÿ.

Versmaß: Alexandriner (A, C).

Kommentar

Der Ehemann der beiden Verstorbenen, Daniel Erberfelt, geboren am 13. Januar 1627 in Köln, ist am 4. April 1655 in Helmstedt zum Universitätsapotheker bestallt worden7). 1660 wurde er auch Ratsapotheker und nach der 1661 erfolgten Einführung des Postwesens im Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel zusätzlich herzoglicher Postmeister. Er starb am 8. August 1681 in beträchtlichem Wohlstand, den er z. T. für fromme Stiftungen verwendete (vgl. Nrr. 237 und 266). Die von den Inschriften mitgeteilten Lebensdaten seiner ersten beiden Ehefrauen werden durch beider Leichenpredigten bestätigt8). In dritter Ehe war Erberfelt mit Ilsa Maria Müller, Tochter des braunschweig-lüneburgischen Fähnrichs Rudolf Müller, verheiratet. Der Stein – mit freiem Feld für die Grabschrift des Ehemanns – dürfte nach dem Tod der zweiten Frau, aber vor der dritten Eheschließung, die etwa Mitte 1677 erfolgte9), angefertigt worden sein10).

Die gereimten Inschriften sind angefertigt nach den Regeln von den „Fundorten“ (Toposlehre), die zeitgenössische Poetiken als Hilfe bei der Abfassung eines Gelegenheitsgedichtes anboten. Zur Anwendung kommen z. B. „poetische Erfindungen“, die aus dem Namen der Verstorbenen hergeleitet sind (locus notationis): AGNES, abgeleitet von agnus (lat. Lamm), wird als LAMM apostrophiert (locus etymologiae), als JACOBI TOCHTER ist ihr Abrahams Schoß sicher (ex collatione), im Gegensatz zu der geschändeten Tochter Jacobs, DINA, ist sie gleich der züchtigen antiken Göttin DIANA (ex oppositione)11).

Textkritischer Apparat

  1. A(NN)O] Hochgestelltes und verkleinertes O.
  2. Junÿ] Iulii Böhmer.

Anmerkungen

  1. Böhmer, Inscriptiones, S. 30 MONVMENTA LAPIDESQVE parietibus templi externis adfixi mit S. 33.
  2. Tochter Jacobs, 1. Mo. 30,21; 34,1–31.
  3. Mutter Samuels, 1. Sm. 1,1ff.
  4. Frau Davids, 1. Sm. 25,3ff.
  5. Vgl. Dan. 13.
  6. Vgl. Lk. 10,38ff.
  7. A. Fröling, Bey der Leichbestattung Des .. Daniel Erberfelds, Helmstedt 1682. Das Folgende ebenda.
  8. B. Cellarius, Bey der Beerdigung Der .. Agnes Jacobi, Helmstedt 1662; A. Fröling, Bey der Leich=Bestattung Der .. Geschen von Bentheim, Helmstedt 1676.
  9. Nach Programma in funere .. Danielis Erberfeld, o. O. und J. dauerte die dritte Ehe vier Jahre.
  10. Abwegig erscheint der Gedanke von Schultz, Grabmale 1963, S. 106, das dritte Feld sei für die dritte Ehefrau freigelassen worden.
  11. Zum außerordentlich verbreiteten Verfahren vgl. W. Segebrecht, Das Gelegenheitsgedicht. Ein Beitrag zur Geschichte und Poetik der deutschen Lyrik, Stuttgart 1977, S. 115f. mit Einbeziehung von Grabschriften.

Nachweise

  1. Böhmer, Inscriptiones, S. 33.

Zitierhinweis:
DI 61, Stadt Helmstedt, Nr. 252 (Ingrid Henze), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di061g011k0025200.